»Begreift nicht das Mißlingen der wohlberechnet schönen Tat?«

Simone Young leitet die Aufführung und mehr nicht – Wagners Frühwerk »Rienzi« in der Hamburger Musikhalle

Vol­kes Stim­me (Bild: Jür­gen Joost)

Dass Rien­zi als eines der schwä­che­ren Wer­ke des kom­ple­xen Bay­reu­thers gilt, ist rela­tiv unum­strit­ten. Dass es gleich­wohl vie­le der musi­ka­li­schen Spe­zia­li­tä­ten der spä­ten Meis­ter­schaft schon rudi­men­tär anlegt, ist eben­falls bekannt. Das gigan­tisch ange­leg­te Stück, das Mate­ri­al für zwei Aben­de bie­tet – in einer spä­te­ren Fas­sung hat Wag­ner es tat­säch­lich zwei­ge­teilt – hat aber auch eine der undank­bars­ten Rol­len in der Wir­kungs­ge­schich­te. Redu­ziert auf den dräu­en­den Ouver­tü­ren-Stoff mit sei­ner sug­ges­ti­ven, ja sog­haf­ten Durch­schlags­kraft, steht das Werk als Pro­to­typ der Ver­bin­dung zwi­schen Faschis­mus und Wag­ners Musik. Kaum eine Reichs­par­tei­stags­er­öff­nung ohne das dräu­en­de Vibra­to der Strei­cher, dem der jun­ge Adolf Hit­ler nicht wider­ste­hen konn­te und sich fort­an als Inkar­na­ti­on des römi­schen Volks­tri­buns sah. Die­ses Stig­ma als »des Füh­rers Lieb­lings­oper« hängt dem wag­ner­schen Früh­werk bis heu­te an, nach 1945 wur­de es sehr sel­ten aufgeführt.

Nun ist 2013 ein Wag­ner- wie Ver­di-Jahr – der Bay­reu­ther wur­de wie sein ita­lie­ni­scher Riva­le 1813 gebo­ren – und auch die Ham­bur­ger Staats­oper möch­te das Ihre dazu­tun. Sie rich­tet sich auf einen drei­wö­chi­gen Schwer­punkt mit allen Haupt­wer­ken des Meis­ters ein, inklu­si­ve Ring, und nennt das mar­ke­ting­ras­selnd »Wag­ner-Wahn«. Die­ser Rien­zi ist dem Gan­zen zeit­lich vor­an­ge­stellt. Die Distanz vom Haupt­werk ist die Ein­zi­ge, die die GMD Simo­ne Young sich von die­sem Werk gönnt, sie sieht den Rien­zi »als gro­ße Ver­hei­ßung« und »Vor­ah­nung«. Viel Ver­trau­en in das 1842 urauf­ge­führ­te Stück spricht lei­der nicht daraus.

Fol­ge­rich­tig gibt es näm­lich den Rien­zi kon­zer­tant, kei­ne Insze­nie­rung und eben­so fol­ge­rich­tig auch kei­ne Hal­tung zu Werk und Wir­kung auf der Büh­ne. Einen Pro­gramm­heft­text mit der neu­es­ten Wag­ner­for­schung und ein paar Kom­men­ta­ren bei­zu­le­gen, genügt nicht. Das ist sehr schlicht gedacht. Und das es hier­zu­lan­de kei­ne Regis­seu­re geben soll, die sich dem Werk stel­len kön­nen – so ließ Simo­ne Young tat­säch­lich ver­lau­ten – ist schlicht und ein­fach eine Zumu­tung und Belei­di­gung für einen kom­plet­ten Berufs­stand. Das sieht man in Bay­reuth gott­lob anders, da darf Mat­thi­as von Steg­mann zusam­men mit Chris­ti­an Thie­le­mann es am 7. Juli immer­hin ver­su­chen. Natür­lich ist das kein Reper­toire­stück für ein Opern­haus, mit einem ent­schie­de­nen Regie­zu­griff und einem damit ver­bun­de­nen Kom­men­tar wäre der Staats­oper und ihrer Lei­tung die Auf­merk­sam­keit gewiss, nach sie allent­hal­ben strebt.

Simo­ne Young geht das Sah­ne­stück der Ouver­tü­re rela­tiv breit in den Tem­pi an, spä­ter am Abend gibt es aller­dings das Eine oder Ande­re zu ent­de­cken, das schon auf die spä­te­re Meis­ter­schaft des Kom­po­nis­ten ver­weist. Sie hat gut dar­an getan, die Par­ti­tur zu ent­schla­cken, wenn­gleich das kein ori­gi­nä­rer Ein­fall ist, hier im wei­te­ren Ver­lauf des Wer­kes ein wenig aus dem Blech her­aus­ge­nom­men und dort im Gro­ßen und Gan­zen gestrafft.

Nicht immer gelingt der gros­se Bogen, der die Wag­ner-Welt sonst in Atem hal­ten kann, das sei aller­dings auch der Unaus­ge­go­ren­heit einer frü­hen Arbeit zuzu­schrei­ben. Einen hüb­schen Effekt machen aller­dings die im Text ste­hen­den lon­ta­no-Stel­len, bei denen Tei­le des Chors und der Blech­blä­ser aus­ser­halb des Saa­les plat­ziert sind, die zumin­dest eine Ahnung einer räum­li­chen Umset­zung auf­kom­men las­sen. Auf­fal­lend glän­zend dis­po­niert ist der Chor unter der Lei­tung von Jan­ko Kas­te­lic, der an die­sem Abend Gewal­ti­ges zu stem­men hat. Die­ser Kraft­akt offen­bart aller­dings erneut die Schwä­chen des Wer­kes, viel ist da gewollt und groß­mäch­tig, sei­ner sze­ni­schen Wucht beraubt, bleibt das Getö­se, in des­sen Ruch Wag­ner häu­fig steht.

Die Beset­zung der Solis­ten ist respek­ta­bel, ein viel­be­ach­te­ter New­co­mer singt die Titel­par­tie, an sei­ner Sei­te steht eine erfah­re­ne Wag­ner-Spe­zia­lis­tin. Ansons­ten hat sich die GMD vor­wie­gend aus dem fes­ten Ensem­ble des Hau­ses bedient, das sich bis auf den voll klin­gen­den, aber bedau­er­li­cher­wei­se völ­lig unver­ständ­li­chen jun­gen Bas­sis­ten Jongmin Park, wohl auf­ge­stellt zeigt, in der kur­zen Par­tie des »Frie­dens­bo­ten« hat die jun­ge Solen Main­gue­né , Sti­pen­dia­tin des Opern­stu­di­os, einen effekt­vol­len und kan­ti­le­nen­rei­chen Auftritt.

Rien­zi Andre­as Schager ist in der Tat doch noch nicht so ganz die kom­men­de gro­ße Wag­ner-Hoff­nung. Zwar ist er in der Titel­rol­le von gros­ser Stand­kraft, singt mit hoher Wort­ver­ständ­lich­keit und sicher im obe­ren Regis­ter, offen­bart aber in den Mit­tel­la­gen ein merk­li­ches Vibra­to, das zwei­feln lässt. Zumal es im Hit­stück, Rien­zis Gebet, mit sei­ner imma­nen­ten klang­li­chen Italo­phi­lie doch deut­lich an jenem Schmelz zu feh­len scheint, der einen Hel­den­te­nor zu einem Hel­den der Opern­büh­ne wer­den lässt. Aber Poten­ti­al ist sicher­lich da, zumal die Sta­tik der kon­zer­tan­ten Auf­füh­rung ihm mit­un­ter nicht aus­rei­chen moch­te – hie und da ent­fleucht ihm doch die eine oder ande­re unge­steu­er­te und unin­sze­nier­te Ges­te, mög­li­cher­wei­se fehlt es für den 42jährigen, dem da tat­säch­lich an einer räum­li­chen Umsetzung.

Ricar­da Mer­beth als Rien­zis Schwes­ter Ire­ne hin­ge­gen ist ein ech­ter, ein fei­ner Dra­ma­ti­scher Sopran, deren prä­zi­ser und metal­lisch schim­mern­der Ton direkt auf Bay­reuths Hügel ver­weist, wo sie unter Chris­ti­an Thie­le­mann vor eini­gen Jah­ren eine her­aus­ra­gen­de Eli­sa­beth gab. Ihr Leu­mund als Wag­ner-Sän­ge­rin ist eben­so unta­de­lig wie ihr Ham­bur­ger Auftritt.

Was hät­te alles pas­sie­ren kön­nen, hät­te man mehr gewagt: Eine Insze­nie­rung, eine Stel­lung­nah­me, gar ein Bekennt­nis. So waren es gut gespiel­te Noten. Muss Thea­ter, muss vor allem Oper nicht mehr kön­nen? Das Wag­ner-Jahr ist ja noch lang, auf ein Neues …

[space size=20] Volkes Stimmen (Bild: Jürgen Joost)

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