Im März diesen Jahres haben wir Gesche Piening zu ihrer Inszenierung “Lohn und Brot” befragt, in der sie sich mit dem Thema Arbeit auseinandersetzt. Gemeinsam mit Kommunikationsdesigner Ralph Drechsel beleuchtet sie dieses nun in einem anderen Medium: Die Wanderausstellung “brenne und sei dankbar” dokumentiert die Arbeitsverhältnisse freier Theater- und Tanzschaffender. Hier werden Einzelaspekte der kulturpolitischen und finanziellen Grundsituation sowie der Arbeits- und Lebensbedingungen visualisiert. Die Ausstellung tourt ab sofort durch Deutschland und wird an Freien Theater- und Tanzhäusern, bei Festivals der Freien Szene und in Ausbildungsstätten gezeigt. In Hamburg ist sie derzeit im Festivalzentrum des 7. Theaterfestivals 150% made in Hamburg zu Gast und noch bis 14. Oktober täglich zu sehen.
Wir sprachen mit Gesche Piening über Idee, Entstehung und Hintergründe.
Sie haben prominente Förderer mit dem Bundesverband Freier Theater, ver.di und dem Fonds Darstellende Künste e.V. Wie viele Anträge haben Sie für diese Förderung geschrieben?
Anträge im klassischen Sinne keine. Die meisten “Förderer” – wie die Verbände – haben auch eher organisatorische Unterstützung geleistet. Es war trotzdem der reinste Verhandlungsmarathon. Anfragen, Konzepte, Konzeptvarianten, unzählige E‑Mails und Telefonate. Das Thema ist emotional aufgeladen, weil es die existentielle Grundlage freier künstlerischer Arbeit betrifft. Und es gibt sehr unterschiedliche Strategien, damit umzugehen. Wir mussten Vermittlungsarbeit leisten. Viel Vermittlungs- arbeit.
Das Thema Ihrer Ausstellung polarisiert sicherlich. Kunst machen zu dürfen und dafür Förderungen zu erhalten, wird gemeinhin als Geschenk angesehen. War die Konzeption und Umsetzung dieser Ausstellung ein Geschenk?
Der Begriff Geschenk im Zusammenhang mit Kunstförderung erscheint uns aus grundsätzlichen Überlegungen heraus unpassend. Es geht bei relevanter Kunst nicht um die persönliche Selbstverwirklichung von Einzelnen. Es geht um weit mehr. Es geht um die identitäre Selbstbeschreibung von Regionen, Städten, Ländern … Kunst ist ein Feld für öffentliche Auseinandersetzungen, und die Akteure gehen keinem Hobby nach, sondern einem Beruf, der kulturelles Leben in einer Gesellschaft erst möglich macht. Wieso sollte das umsonst sein? – Aber das ist ein abendfüllendes Thema. Für die Freie Szene und ihre Akteure haben wir mit der Ausstellung ein künstlerisch-politisches Instrument zur Verfügung gestellt, das uns Arbeit und Energie gekostet hat. Wir haben über das Prekariat erzählt und waren gezwungen, das Projekt unter prekären Bedingungen zu realisieren. Das als ein „Geschenk“ zu beschreiben, fällt uns einigermaßen schwer. Wir hoffen, mit dem Projekt eine dringend notwendige Debatte zu beleben.
Kein anderes Land habe so luxuriöse Bedingungen für Theater wie Deutschland, sagt man. Der “Report Darstellende Künste” spricht von anderen Zahlen (Mit ca. € 100,– der Pro-Kopf-Ausgaben für Kunst und Kultur rangiert Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld). Welche Auswirkungen hat das auf die Freie Szene?
Davon erzählt die Ausstellung – hochprekäre Arbeitsverhältnisse und finanzielle Drahtseilakte prägen den Lebensalltag vieler freier Theater- und Tanzschaffender.
Wie kam es zur Eröffnung in der Berliner Akademie der Künste?
Nele Hertling ist Vizepräsidentin der Akademie der Künste in Berlin. Ihr jahrzehntelanges Wirken in und für die Off-Kultur lässt sie sensibel sein für die Arbeits- und Lebensumstände der Akteure.
Inwiefern haben sich die Arbeitsbedingungen für die freie Theater- und Tanzszene in den letzten Jahren verschlechtert und warum?
Eine freiberufliche oder selbstständige Tätigkeit, deren Vergütung so niedrig ist, dass sie kaum zum Leben reicht, kennt man auch aus anderen Bereichen. Die freie Theater- und Tanzszene steht exemplarisch für die sogenannte Flexibilisierung von Arbeit – der Kunst kommt hier eine fragwürdige Vorreiterrolle zu.
Sie nennen den “Report Darstellende Künste” als Grundlage für Ihre Ausstellung. Wie bereitet man Daten, Zahlen und Fakten künstlerisch-sinnlich auf? Wie haben Sie sich dem angenähert?
Muss die Kunst denn auf alles eine “sinnliche” Antwort haben? – Bei Künstlern scheint man allgemein davon auszugehen, dass sie auf alles “nur” eine sinnliche oder emotionale Antwort finden können. – Wer Sinnlichkeit sucht, der stelle sich die Inhalte einfach plastisch vor, das dürfte genügen (lacht).
Die erste Ausstellungstafel erklärt die Arbeitsgrundlagen für die Auseinandersetzung mit dem “Report Darstellende Künste” und ist immer wieder mit “handschriftlichen Korrekturen” versehen. Warum?
Das war unsere Reaktion auf zahlreiche große und kleine Formulierungs- und Änderungswünsche im Text, die bis zur Drucklegung von verschiedensten Mitwirkenden an uns herangetragen wurden. Die Passagen sind nur exemplarisch, zeigen aber das Prinzip. Die Vielstimmigkeit der Akteure und auch die Vielschichtigkeit des Themas.
Plakat 8 mit dem Titel “Flexibles Arbeiten Freie Szene” zeigt, dass Künstler der Freien Szene sich nicht zu schade sein dürfen, im die Garderobiere zu spielen oder die Klobürste zu schwingen. Kann man als Künstler in der Freien Szene überhaupt ohne Nebenjobs überleben? Oder stellt der Nebenjob in vielen Fällen nicht gar die Haupteinnahmequelle dar?
“Nicht zu schade sein” klingt fast ein wenig zynisch angesichts der Realität. Um ihr finanzielles Überleben zu sichern, sind viele Künstlerinnen und Künstler in Zweit‑, Dritt- und Viertjobs unterwegs. Die Übergänge zwischen Haupt- und Nebenerwerb sind häufig fließend.
€ 427,50 Rentenanspruch im Durchschnitt. Das sind harte Zahlen. Grundsätzlich fallen freischaffende Künstler durch viele Raster der Sozialversicherungsmöglichkeiten. Woran liegt das?
Damit sind Künstlerinnen und Künstler nicht allein. Von prekären Arbeitswelten und sogenannter flexibilisierter Arbeit sind immer mehr Menschen betroffen.
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