Es gibt ihn manchmal, den eigenartige Moment im Theater, wo alles egal ist, alles Fluss, Tempo und Phantasie ist. Solche glückhaften Augenblicke sind so rar wie … nun ja, gebügelte Hemden in Junggesellenhaushalten.
Mit dieser Junggesellenmetapher ist man denn auch mitten im schönsten Klischee und das mag ein guter Einstieg sein für eine Besprechung über Geld & Gott, die Produktion, die genau so etwas kann, nämlich einen kleinen Augenblick Theaterglück erschaffen.
Denn mit den Klischees des Film noir, der Sprache, der Diktion, dem Gestus der Chandler-Hammet-Dorothy-Parker-Welt wird da gespielt. Die Schauspielerin in der “Nighthawks”-Bar, der einsame Jäger mit dem Geldkoffer, die satten Bläserriffs amerikanischer Big Bands als Sample unter die Szene gelegt. Auf der Bühne ist eine Art “Quarterpipe” gebaut, links und rechts stehen zwei Röhrenfernseher – so altmodisch, nicht “retro”.
Die Zeit ist unbestimmt, der Ort irgendwo (“Gotham-City”), und Dantes Vergil, der sieht aus wie Bob Dylan. Es geht um die Versuchung, um Geld und die Reise durch und in die Unterwelt und den Tod eines Stuntman, der sich im Superhelden-Kostüm vom Dach des Hotels gestürzt hat – das weitere Personal ist genrespezifisch, es gibt neben der kleinen Schauspielerin und dem “desperate man” alle Archetypen des dunklen Hollywood: den skrupellosen Geschäftsmann (“Otto Gott” – sic!), die überforderte, aber herzensgute Polizistin und eine Reihe rätselhafter Personen, die dem Fortgang der Handlung zuträglich sind. Die ist auf der obersten Ebene einfach und nicht immer schlüssig, es geht da auch um eine ominöse Geldtasche, Schulden (“805500”), eine geheimnisvolle französische Auftraggeberin im Catherine-Deneuve-Look der späten 70er und eine Menge Reiseabsichten durch alle Kreise der Hölle.
Und sie können auch alle spielen wie der Teufel, die fünfeinhalb Darsteller Miguel Abrantes Ostrowski, Martin Gantenbein, Mareike Sedl, Nicole Steiner und Silvester von Hösslin (einer im Fernsehkasten, deswegen nur halb: Dietmar König), immer hart auf Anschluss, mit irrem Tempo, wie es sich für eine ordentliche Screwball-Comedy gehört. Singen können sie auch noch und selbst die Schauspielerchoreographien, die ja fast immer an Unbeholfenheit kaum zu überbieten sind, sehen hier gut aus.
Fast wär das alles die wahre Musical Comedy, wäre da nicht der elegant versponnene Dante-Plot, mit seinen skurrilen Superhelden-Einschüben. Immer wieder mal schiebt sich eine groteske Idee in den Ablauf, wie die Fahrt in Charons Nachen im Gummiboot (“Wieso sagt der nichts?”) oder gar die Apotheose der Protagonisten im albernen Kostüm mit Cape. Das schöne an der Sache ist: Trotz kleiner Bühne, trotz minimalem Ensemble, trotz Videoeinspieler und räumlicher Beschränktheit entstehen Bilder für Träume und Albträume, die sich vom gezielten Klischee wahrhaftig lösen können.
Zu verantworten hat das das Zürcher Ensemble Mass & Fieber, geschrieben haben das Brigitte und Niklaus Helbling. Er ist auch Spielleiter dieses flotten Ensembles und war einst ein gescheiter Dramaturg am Thalia unter Flimm und macht inzwischen solche blitzgescheiten Sachen auf dem Theater. Was uns wieder einmal zeigt, dass nicht nur der Etat entscheidet auf dem Theater, Herz, Kopf und Humor, und sei er gar abwegig, machen da viel mehr aus. All das gab es an drei Abenden auf Kampnagel, was ein Glück.
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