Alle dabei. Keiner dagegen.

Stadt ist Kultur – ein Plädoyer für Hamburg“ auf Kampnage

Alles in But­ter? (© aska­ja – Fotolia.com)

Stadt ist Kul­tur – ein Plä­doy­er für Ham­burg“ heißt die Ver­an­stal­tung auf Kamp­na­gel, zu der sich irgend­wie alle im K2 ver­sam­meln, die mit Kul­tur zu tun haben. Schon im Titel liegt der Hund begra­ben: Jeder darf ein Plä­doy­er hal­ten – für die Kul­tur – und ein biss­chen Dampf ablas­sen über die jüngs­ten Miss­grif­fe und Fehl­ent­schei­dun­gen der Kul­tur­po­li­tik. Das fällt mal amü­san­ter aus, mal etwas tro­cke­ner, der Tenor jedoch ist klar: Man ist sich einig. Das Publi­kum jubelt, man fei­ert sich ein biss­chen, und ein Buch darf man auch mit nach Hau­se neh­men mit so schö­nen Bei­trä­gen wie »Für eine Kul­tur des Mit­ma­chens« oder »Kul­tur ist Lebens­mit­tel«. Neu­es erfährt man dabei wenig. Da spricht jede kul­tu­rel­le Spar­te so ein biss­chen über Freud und Leid in der Arbeit. Grund­te­nor: Zu wenig Geld, zu wenig Geld und – immer wie­der – zu wenig Geld.

Kamp­na­gel-Inten­dan­tin Ame­lie Deufl­hard macht den Anfang und erzählt von Ent­schei­dun­gen der Poli­tik zuguns­ten über­di­men­sio­nier­ter Reprä­sen­ta­ti­ons­ob­jek­te (Elb­phil­har­mo­nie) und gegen eine leben­di­ge, viel­fäl­ti­ge Kul­tur­land­schaft. Kul­tur müs­se für Ham­burg wie­der Nah­rung wer­den, nicht das Sah­ne­häub­chen oben drauf. Ein schö­nes Bild, ein kla­res State­ment, gewusst haben das alle Betei­lig­ten auch schon vor­her. Da klagt Kunst­ver­ein-Vor­sit­zen­der Harald Falcken­berg (der für sei­ne Samm­lung in den Phö­nix­hal­len gera­de von der Stadt einen Zuschuss in Höhe von 500.000 Euro erhal­ten hat) dar­über, dass Samm­lun­gen nahe­zu nur noch über ihre Wech­sel­aus­stel­lun­gen einen Reiz für die Besu­cher dar­stel­len. Kunst­hal­len-Direk­tor Huber­tus Gaß­ner bringt die pro­ble­ma­ti­sche Zusam­men­ar­beit von Poli­tik und Kunst in den letz­ten Jah­ren auf den Punkt: »Ich habe weder eine Samm­lung noch ein Haus. Ich habe nur Sie als Publi­kum – was ja nicht so schlecht ist.« Jubel im Zuschauerraum.
Kla­re Einig­keit und Ärger auf dem Podi­um über das Ham­bur­ger Stadt­mar­ke­ting: Eine Stadt wie Ham­burg gehört nicht jedes Jahr neu »gela­belt« von der Kul­tur- zur Umwelt­haupt­stadt und zur Stadt der Thea­ter. Man wünscht sich ein kon­stan­tes und vor allem kla­res Bekennt­nis zu Ham­burgs kul­tu­rel­ler Viel­falt – und nicht einen Neben­ver­merk über das Tha­lia-Thea­ter, wäh­rend »König der Löwen« in der Image-Bro­schü­re ganz­sei­tig bewor­ben wird.

Oder wie Film­pro­du­zen­tin und Regis­seu­rin Ulri­ke Gro­te nach einer flam­men­den Lie­bes­er­klä­rung an die Film­land­schaft in Ham­burg ein­drück­lich sagt: »Ham­burg trägt ein Tor in sei­nem Wap­pen und soll­te das als Auf­trag anneh­men.« Von den Bil­dern im Film zum Ham­bur­ger Stadt­bild: Kon­stan­tin Klef­fel, Prä­si­dent der Archi­tek­ten­kam­mer, plä­diert für Orte des Dia­logs mit den Bür­gern. Er wol­le kein Stutt­gart 21 hin­auf­be­schwö­ren, aber es bräuch­te eine »Stadt­werk­statt« für die Bür­ger­be­tei­li­gung am Städ­te­bau sowie ins­ge­samt Räu­me zum Aus­tausch geschaf­fen wer­den müssten.
Tha­lia-Inten­dant Lux spricht letzt­lich aus, was vie­le ins­ge­heim den­ken, wenn er sagt, er sei der Debat­ten müde. Hier möch­te einer Thea­ter machen und nicht stän­dig über des­sen Legi­ti­ma­ti­on dis­ku­tie­ren müs­sen. Dass Kul­tur und Bil­dung zum Plat­zen einer Regie­rung geführt hät­ten, zei­ge doch deren Stel­len­wert. Die Dis­kus­sio­nen um Ham­bur­ger Schau­spiel­haus und Schul­sys­tem sei­en es schließ­lich gewe­sen, die die schwarz-grü­ne Regie­rung in Miss­kre­dit gebracht hät­ten. Lux´ State­ment gerät zum Auf­ruf, die Syn­er­gie-Effek­te zwi­schen den Insti­tu­tio­nen zu nut­zen, Freun­des­krei­se zu ver­net­zen und dadurch Kräf­te freizusetzen.

Regis­seur Nico­las Ste­mann ent­zieht sich der Debat­te char­mant – und plä­diert genau für die­sen Rück­zug. Er liest sei­ne Para­bel über den Anti-Hel­den Peter Neu­hau­sen, der den schwer­wie­gen­den Ent­schluss fasst, sei­nen Eltern den Schritt weg von der Kunst­schu­le hin zum Spar­kas­sen­an­ge­stell­ten mit­zu­tei­len. Wäh­rend der Über-Vater in kaf­ka­es­ker Manier sei­ne Gabel in den Schwei­ne­bra­ten rammt, kommt es zu Aus­ge­las­sen­heit auf und vor dem Podi­um – und zeigt zugu­ter­letzt: Machen muss die Kunst. Nicht kla­gen, den­ken, dis­ku­tie­ren. Ein guter Text, ein Film, der unter die Haut geht, Minu­ten, die man in der Kunst­hal­le vor einem Bild steht und das Gedrän­gel um sich ver­gisst – hier legi­ti­miert sich die Inves­ti­ti­on in Kultur.

Das haben alle schon vor­her gewusst. Dis­ku­tie­ren mag nach die­sen Plä­doy­ers nie­mand mehr so recht, denn: Zu viel Einig­keit erstickt die Debat­te im Kern. Und den­noch: Dass eine sol­che Ver­an­stal­tung statt fin­det, dass Kul­tur­schaf­fen­de sich tref­fen und nach Syn­er­gien suchen, wur­de Zeit. Es braucht nur eine Platt­form dafür.

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