Stadt ist Kultur – ein Plädoyer für Hamburg“ heißt die Veranstaltung auf Kampnagel, zu der sich irgendwie alle im K2 versammeln, die mit Kultur zu tun haben. Schon im Titel liegt der Hund begraben: Jeder darf ein Plädoyer halten – für die Kultur – und ein bisschen Dampf ablassen über die jüngsten Missgriffe und Fehlentscheidungen der Kulturpolitik. Das fällt mal amüsanter aus, mal etwas trockener, der Tenor jedoch ist klar: Man ist sich einig. Das Publikum jubelt, man feiert sich ein bisschen, und ein Buch darf man auch mit nach Hause nehmen mit so schönen Beiträgen wie “Für eine Kultur des Mitmachens” oder “Kultur ist Lebensmittel”. Neues erfährt man dabei wenig. Da spricht jede kulturelle Sparte so ein bisschen über Freud und Leid in der Arbeit. Grundtenor: Zu wenig Geld, zu wenig Geld und – immer wieder – zu wenig Geld.
Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard macht den Anfang und erzählt von Entscheidungen der Politik zugunsten überdimensionierter Repräsentationsobjekte (Elbphilharmonie) und gegen eine lebendige, vielfältige Kulturlandschaft. Kultur müsse für Hamburg wieder Nahrung werden, nicht das Sahnehäubchen oben drauf. Ein schönes Bild, ein klares Statement, gewusst haben das alle Beteiligten auch schon vorher. Da klagt Kunstverein-Vorsitzender Harald Falckenberg (der für seine Sammlung in den Phönixhallen gerade von der Stadt einen Zuschuss in Höhe von 500.000 Euro erhalten hat) darüber, dass Sammlungen nahezu nur noch über ihre Wechselausstellungen einen Reiz für die Besucher darstellen. Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner bringt die problematische Zusammenarbeit von Politik und Kunst in den letzten Jahren auf den Punkt: “Ich habe weder eine Sammlung noch ein Haus. Ich habe nur Sie als Publikum – was ja nicht so schlecht ist.” Jubel im Zuschauerraum.
Klare Einigkeit und Ärger auf dem Podium über das Hamburger Stadtmarketing: Eine Stadt wie Hamburg gehört nicht jedes Jahr neu “gelabelt” von der Kultur- zur Umwelthauptstadt und zur Stadt der Theater. Man wünscht sich ein konstantes und vor allem klares Bekenntnis zu Hamburgs kultureller Vielfalt – und nicht einen Nebenvermerk über das Thalia-Theater, während “König der Löwen” in der Image-Broschüre ganzseitig beworben wird.
Oder wie Filmproduzentin und Regisseurin Ulrike Grote nach einer flammenden Liebeserklärung an die Filmlandschaft in Hamburg eindrücklich sagt: “Hamburg trägt ein Tor in seinem Wappen und sollte das als Auftrag annehmen.” Von den Bildern im Film zum Hamburger Stadtbild: Konstantin Kleffel, Präsident der Architektenkammer, plädiert für Orte des Dialogs mit den Bürgern. Er wolle kein Stuttgart 21 hinaufbeschwören, aber es bräuchte eine “Stadtwerkstatt” für die Bürgerbeteiligung am Städtebau sowie insgesamt Räume zum Austausch geschaffen werden müssten.
Thalia-Intendant Lux spricht letztlich aus, was viele insgeheim denken, wenn er sagt, er sei der Debatten müde. Hier möchte einer Theater machen und nicht ständig über dessen Legitimation diskutieren müssen. Dass Kultur und Bildung zum Platzen einer Regierung geführt hätten, zeige doch deren Stellenwert. Die Diskussionen um Hamburger Schauspielhaus und Schulsystem seien es schließlich gewesen, die die schwarz-grüne Regierung in Misskredit gebracht hätten. Lux´ Statement gerät zum Aufruf, die Synergie-Effekte zwischen den Institutionen zu nutzen, Freundeskreise zu vernetzen und dadurch Kräfte freizusetzen.
Regisseur Nicolas Stemann entzieht sich der Debatte charmant – und plädiert genau für diesen Rückzug. Er liest seine Parabel über den Anti-Helden Peter Neuhausen, der den schwerwiegenden Entschluss fasst, seinen Eltern den Schritt weg von der Kunstschule hin zum Sparkassenangestellten mitzuteilen. Während der Über-Vater in kafkaesker Manier seine Gabel in den Schweinebraten rammt, kommt es zu Ausgelassenheit auf und vor dem Podium – und zeigt zuguterletzt: Machen muss die Kunst. Nicht klagen, denken, diskutieren. Ein guter Text, ein Film, der unter die Haut geht, Minuten, die man in der Kunsthalle vor einem Bild steht und das Gedrängel um sich vergisst – hier legitimiert sich die Investition in Kultur.
Das haben alle schon vorher gewusst. Diskutieren mag nach diesen Plädoyers niemand mehr so recht, denn: Zu viel Einigkeit erstickt die Debatte im Kern. Und dennoch: Dass eine solche Veranstaltung statt findet, dass Kulturschaffende sich treffen und nach Synergien suchen, wurde Zeit. Es braucht nur eine Plattform dafür.
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