Alles nur Zirkus?!

Das Winterspektakel 2023 überzeugt mit internationaler Artistik in künstlerischem Rahmen.

Die Bartigerzz. Foto: Krafft Angerer

»Ich bin’s, dei­ne Phan­ta­sie« – eine Stim­me, die über den ful­mi­nan­ten Pro­jek­tio­nen auf dem obe­ren Teil der Büh­ne, schwebt, gibt den roten Faden der Show vor, der da lau­tet: Am schöns­ten sind die Wel­ten, die wir selbst in unse­rer Vor­stel­lung erschaf­fen. Und die Artis­tin­nen und Artis­ten von »Bil­der im Kopf« sor­gen für Gedan­ken- und Bil­der­wel­ten zum Mit­neh­men, ech­tes Phan­ta­sie­fut­ter eben.

Rob Alton und sein BMX. Foto: Krafft Angerer

Ein Mann und sein BMX-Bike: Der Bri­te Rob Alton scheint mit sei­nem glän­zen­den Zwei­rad ver­wach­sen, wahr­schein­lich sind die zwei Rei­fen am Sil­ber­rah­men ein­fach eine Fort­füh­rung sei­ner Glied­ma­ßen. Fest steht aber, dass er selbst ihre Majes­tät, Köni­gin Eli­sa­beth, zum Stau­nen gebracht haben soll.

Spä­ter: Vier ath­le­ti­sche jun­ge Her­ren in wei­ßen Jeans und Ripp-Shirts sor­gen für Juch­zer beim weib­li­chen Publi­kum – bis die »Bar­tig­erzz« ihr Street­work­out am Bar­ren mit einer sol­chen Leich­tig­keit per­for­men, dass auch den neben­sit­zen­den Gat­ten im Raum der Mund offen ste­hen bleibt.

Nur zwei der Num­mern, mit denen der Zir­kus Mignon in sei­ner Show die­ses Jahr ein stil­si­che­res Händ­chen beweist. Regis­seur Björn Breck­hei­mer gibt sei­nen inter­na­tio­na­len Künst­le­rin­nen und Künst­lern den rich­ti­gen Rah­men und Raum zur Ent­fal­tung. Dabei bleibt der Abend nicht bei einer klas­si­schen Anein­an­der­rei­hung blo­ßer Num­mern, son­dern lässt die­se durch eine fein abge­stimm­te Dra­ma­tur­gie mit­ein­an­der inter­agie­ren. Eine beson­de­re Rol­le kommt hier­bei dem Show­or­ches­ter »Fun­ky Tunes« rund um Dani­el Ditt­mann zu. Denn sie schafft musi­ka­li­sche Atmo­sphä­re – vom Zaz-Cover, das einen in ein fran­zö­si­sches Stra­ßen­ca­fé beamt, bis zu ech­ten Rock­num­mern, wie beim Hozier-Remake »Take Me To Church«. Front­frau und Gitar­ris­tin Sti­ne Ebbers­mey­er gestal­tet die Num­mern näm­lich nicht nur musi­ka­lisch, son­dern spielt zwi­schen­durch auch ein­fach mit.

Die Fun­ky Tunes im Jahr­markts­be­reich. Foto: Krafft Angerer

Die­se char­man­ten klei­nen Zwi­schen­tö­ne, die­se Lie­be zum Detail macht die 70-minü­ti­ge Show zu einem Erleb­nis, das über ein klas­si­sches Zir­ku­s­e­vent hin­aus­geht. Ver­bun­den wer­den die Num­mern näm­lich auch visu­ell. Nicht nur durch die Ankün­di­gun­gen des nächs­ten Acts im Retro-ange­hauch­ten Art-Work im Stop-Moti­on-Stil (David Ben­ja­min Schulz), son­dern auch durch einen Künst­ler, der die digi­ta­le Welt mit der Büh­ne ver­bin­det: Cho­reo­graf und Medi­en­de­si­gner Dani­el Stry­je­cki schafft die Brü­cke zwi­schen dem Gesche­hen auf der Pro­jek­ti­ons­flä­che und in der Manè­ge, indem er Teil der groß­for­ma­ti­gen Bil­der auf der Lein­wand wird, sie antreibt, erzeugt, sei­nen Kör­per optisch von ihnen mit­rei­ßen lässt. Sein Timing dabei: auf den Punkt. Kein Wun­der, der Mann kommt vom klas­si­schen Tanz.

Kira und Anders. Foto: Krafft Angerer

Eins noch abschlie­ßend: Es ist wohl­tu­end, Artis­tik ohne Sexua­li­sie­rung zu sehen. Klar, es gibt ordent­lich Applaus für das Mus­kel­spiel der oben genann­ten Bar­tig­erzz. Aber ein Künst­ler­duo am Chi­ne­se Pole zu sehen, bei dem die Frau eine Hose und kei­nen haut­engen, bis zum Anschlag geschlitz­ten Body trägt, ist irgend­wie fast schon befrei­end. Übri­gens unfass­bar char­mant, ganz gleich, ob mit oder ohne Schlitz im Kleid: das deutsch-däni­sche Duo Kira und Anders.

Ins­ge­samt scheint die Win­ter­spek­ta­kel-Show die­ses Jahr zu ihrer vol­len Form gefun­den zu haben. Wor­an es lie­gen könn­te? An einer kon­se­quen­ten Ent­schei­dung für aus­ge­such­te inter­na­tio­na­le Künst­le­rin­nen und Künst­ler, einem über­grei­fen­den Insze­nie­rungs­ge­dan­ken und einer Aus­rich­tung, die frei von Alters­an­ga­ben funk­tio­niert. Danach ein­fach mal mit einem Kopf vol­ler Bil­der auf den angren­zen­den Food Court stol­pern. Jahr­markts­flair, Schiff­schau­kel, Bob-Express, Flamm­ku­chen, Bur­ger und Kai­ser­schmarrn gibt es hier. Und wäh­rend die jün­ge­ren Gäs­te sich auf den umlie­gen­den Fahr­ge­schäf­ten pracht­voll amü­sie­ren, lässt es sich ganz aus­ge­zeich­net an der Wein­bar ver­sa­cken. Aber das bleibt bit­te unter uns.

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