Backfisch-Theater

David Böschs gut besuchte »Romeo und Julia«-Inszenierung am Wiener Burgtheater

Ein feste Burg (Bild: © Anna Velichkovsky - Fotolia.com)
Seifen­blasen im Märchen­schloss (Bild: © Anna Velichkovsky — Fotolia.com)

Teenag­er-Liebe knallt ordentlich rein. Daran erin­nert sich jed­er. Der Aufruhr beim Anblick des geliebten Sub­jek­ts, die völ­lige Irra­tional­ität, das gedankliche Kreisen um jedes Wort, jede Geste, jeden Blick, den man getauscht hat. Dass Romeo und Julia in Shake­spear­es gle­ich­namigem Dra­ma genau in diesem Alter sind, ste­ht im Text: “My child is yet a stranger in the world; She hath not seen the change of four­teen years”, erk­lärt Vater Capulet dem heiratswüti­gen Grafen Paris.

Ist “Romeo und Julia” also ein Teenag­er-Dra­ma? Oder doch eine der größten Liebesgeschicht­en der Weltlit­er­atur? Regis­seur David Bösch entschei­det sich für Vari­ante eins, und der Erfolg gibt ihm schein­bar Recht. Schätzungsweise 50 Prozent der Burgth­e­ater-Besuch­er an diesem reg­ner­ischen Fre­itag-Abend sind um die 16. Und so ein biss­chen Boy­group-Atmo­sphäre darf schon sein. Gejohle und Gekreis­che beim Applaus, vor allem für den schmalen Romeo (frisch von der Schaus­pielschule: Daniel Sträßer) und den smarten Mer­cu­tio (Fabi­an Krüger).

Aber zurück auf Anfang. Der Prinz, allein auf der Vor­bühne. Er macht sich Sor­gen um Verona, denn Ban­denkriege durchziehen die Stadt. So geht es nicht weit­er: Ster­ben soll, wer kün­ftig Stre­it vom Zaun bricht! Dann befiehlt er: “Licht! Musik! Liebe!” Und räumt die Bühne für den liebeskranken Romeo. Der riecht an einem Blüm­chen und träumt von Ros­alind. Kon­se­quenter­weise muss er sich ein biss­chen aufziehen lassen von seinen Fre­un­den Ben­vo­lio und Mer­cu­tio. Es wird geblödelt und gerüpelt, abgeklatscht und derb gesprochen. Mer­cu­tio heißt hier “Mer­cy”, ein wenig gerockt wer­den darf auch, quit­tiert von Gelächter aus den Teenag­er-Rei­hen.

Und kaum betritt der erste Capulet die Bühne, wer­den die Degen gezo­gen, die griff­bere­it am Büh­nen­rand hän­gen. Der stot­ternde Tybalt ist ein Meis­ter seines Fachs und nimmt es gar mit ver­bun­de­nen Augen mit den drei Mon­tagues auf. Nach kurzem Gefechte und Gerangel dür­fen wir sein Zuhause sehen, denn bei den Capulets steigt eine Par­ty, und da trifft sich, wer in Verona Rang und Namen hat und eine lock­eren Degen.

Lady Capulet mit Cock­tail­glas muss in atem­ber­aubend hohen High Heels über die Bühne torkeln. Damit ist die Fig­ur dann auch durch. Sprechen darf nur Papa Capulet (Ignaz Kirch­n­er), und das über Mikro, durch das er seine Gat­tin gerne „Mut­ti“ ruft. Den Heirat­santrag an Julia (Yohan­na Schw­ert­feger) darf Graf Paris im Rüschen­hemd als Par­tys­paß durchs Mikro machen, Julia muss mit ver­bun­de­nen Augen auf allen Vieren auf die Bühne kriechen und ihn an seinen Lackschuhen erken­nen. Dass sie den schmieri­gen Kerl nicht will, wun­dert keinen, und so schickt sie ihn los, ihr ein Sprite zu holen, damit sie ihre Ruhe hat.

Zum grandiosen “Con­se­quence” von The Notwist wird dann auf der Bühne ein biss­chen hin- und herg­er­an­nt, und dabei – hop­pla! – per Zufall in Romeo hinein. Und dann ist sie – na, was wohl – völ­lig par­a­lyzed, wie es im Lied­text heißt, und lässt sich küssen. Kein Zauber liegt in diesem Kuss, keine Gänse­haut stellt sich ein, zu vorherse­hbar ist diese erste Begeg­nung, zu flüchtig und zu banal. Man ist fast ein biss­chen dankbar, als Graf Paris übers Mikro auf sich aufmerk­sam macht, er ste­he an der Tanzfläche, und wo bleibt denn Julia bloß? “Deine Sprite/steht bere­it.”

Das ist nicht die einzige Plat­titüde; Julia ver­ste­ht auch den Namen ihres Romeos falsch, und deshalb ste­ht an der Büh­nen­wand mit Krei­de anfangs “ROMAN + JULIA”. Beim ersten Mal mag das ganz lustig sein, doch Romeo muss das ganze Stück lang bei der Amme seinen Namen kor­rigieren, und irgend­wann ist der Schenkelk­lopfer dann auch kein Klopfer mehr. Die Par­ty ist fast vorüber, an der Rück­wand ste­hen die Namen der Lieben­den, ROMAN wurde mit flüchtiger Hand und Krei­de zu ROMEO, und davor wird gepisst und gekotzt. Denn Ben­vo­lio und Mer­cu­tio haben ein biss­chen viel Sprit erwis­cht, und der muss ja irgend­wo hin. Betrunk­en sein ist irgend­wie auch noch total cool – in dem Alter.

Da will man saufen, feiern, rüpeln, knutschen und ein biss­chen grap­schen, und deshalb dür­fen Böschs Schaus­piel­er das in der Insze­nierung auch. Und Julia in ihrem Glaskubus, der rauf und runter fahren kann und ein sehr hüb­sches Balkon-Zitat ist (Bühne: Volk­er Hin­ter­meier), darf die küh­le Scheibe küssen in ihrer Sehn­sucht und Romeo später ihr Höschen zeigen. Teenag­er, viel zu jung für die Liebe, voll trieb­hafter Emo­tion. Auch die muss irgend­wo hin, und deshalb muss Romeo sich nach­her im Bei­sein von Mer­cu­tio und Ben­vo­lio auch drin­gend mal beherzt in die Hose greifen und ein biss­chen rubbeln. Ach, die Liebe, was war sie damals kom­pliziert und doch so sim­pel, ja banal.

Und irgend­wie bleibt es dieser Abend auch. Wer Yohan­na Schw­ert­feger beim Thalia-Gast­spiel in “Die Jüdin von Tole­do” gese­hen hat, weiß, dass die Frau mehr kann – viel mehr. Hier klingt sie meist ver­stellt und fiep­sig. Lei­der bleibt es an diesem Abend beim Effek­tthe­ater, immer aus auf den näch­sten Scherz, die näch­ste Rangelei, das große Spek­takel. Dabei kann sich keine Fig­ur entwick­eln, keine Hand­lung. Die Kon­flik­te bleiben unklar und im Vagen.

Auch beim Fecht­en wollen die Jungs eigentlich nur spie­len. Dabei kann doch kein­er zu Schaden kom­men, denkt man. Große Kasperl­num­mern, viel Säbel­gek­lirre und Gefuch­tel, und plöt­zlich ist Mer­cu­tio tot. Wenn Romeo und seine Julia sich in der let­zten Nacht vor seinem Auf­bruch nach Man­tua sehen, wird im Büh­nen­wass­er geplan­scht und geto­bt, das sind tolle Bilder, aber als der Mor­gen und damit der Abschied kommt, tut das irgend­wie keinem weh. Seine Brüche set­zt Bösch geschickt, doch bleibt danach viel heiße Luft. Und viele Tote, weil Shake­speare das so wollte.

Wenn am Ende der Prinz auf die Bühne kommt und “Licht!” und “Musik!” befiehlt, ertönt ein Tan­go, und alle dür­fen noch einen let­zten ein­samen Tanz auf der Bühne wagen. Schlafwan­d­lerisch wat­en sie durchs Wass­er, während Romeo und Julia plaud­ernd im Glaskubus sitzen und gen Büh­nen­him­mel nach oben fahren. Ein schönes Bild, hat gar nicht weh getan.

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