Bene-Diktum: Isas Ruhe auf der Flucht – auch bei uns?

Ein Blick in die Geburtsgeschichte Jesu im Koran und ihre Konsequenzen für Hamburg

rungeruhe
Philipp Otto Runge: Die Ruhe auf der Flucht, Ham­burg­er Kun­sthalle
(Bild: Pub­lic domain, via Wiki­me­dia Com­mons)

Wer vor Wei­h­nacht­en an der schi­itis­chen Imam Ali-Moschee an der Ham­burg­er Auße­nal­ster vor­beige­ht, wird im Schaukas­ten eine Wei­h­nachts­botschaft des lei­t­en­den Geistlichen dieser Moschee ent­deck­en. Darin grat­uliert er uns Chris­ten zur Geburt des Propheten Jesus und ver­sichert, dass die Mus­lime diesen Gesandten Gottes hoch verehren. Er sei ein Prophet der Rechtleitung gewe­sen. Ich war erstaunt über diese jesus­fre­undliche Botschaft des Imam, zugle­ich machte sie mich neugierig.

Was ste­ht denn im Koran über Jesus und seine Geburt?

Ich schaute nach und fand mit Hil­fe eines Buch­es von Mar­tin Bauschke (Der Sohn Marias. Jesus im Koran, Darm­stadt 2012) her­aus: Über Jesus wird im Koran rel­a­tiv häu­fig gere­det wird. Ins­ge­samt in 19 Suren, den Kapiteln des Korans, wird Jesus erwäh­nt, 120 Verse beziehen sich auf ihn.

Muhammed hat nun seine Schlüs­sel­er­fahrung mit dem einen Gott als dem barmherzi­gen Schöpfer, Erhal­ter und Richter der Men­schen mit Hil­fe des ihm zu Ohren gekomme­nen Lehrgutes älter­er Glauben­stra­di­tio­nen neu aus­ge­drückt. Dazu gehörte auch die Geschichte des Propheten und Mes­sias Jesus aus Nazareth. Um es vor­weg zu sagen: Jesus ist im Glauben der Mus­lime nicht der Sohn Gottes. Aber er ist auch kein gewöhn­lich­er Men­sch, son­dern ein wichtiger Gesandter Gottes. Im Glauben der Mus­lime äußert sich die Wertschätzung der Per­son Jesu im Rah­men eines strik­ten Monothe­is­mus.

Allerd­ings ist die Geburt Jesu auch im Koran von leg­en­den­haften Zügen bes­timmt. Wie bei den Evan­ge­lis­ten Lukas und Matthäus begin­nt die Geschichte Jesu im Koran mit dem Wun­der der Jungfrauenge­burt. Ähn­lich wie in der berühmten Ankündi­gungsszene des Lukas sagt ihr ein Geist (Engel?) als wohlgestal­teter Men­sch in Sure 19 (die Maryam heißt), dass sie “einen lauteren Knaben” gebären wird. Wie bei Lukas fragt Maria erschreckt: “Wie soll ich einen Knaben bekom­men, da mich noch kein Mann berührt hat und ich auch keine Dirne bin?” Darauf antwortet der Gesandte Gottes: “Dein Herr spricht: Das ist für Gott ein Leicht­es.”

Und so geht die Geschichte im Koran weit­er: Die schwan­gere Maria hat sich wegen der Vor­würfe aus ihrer Ver­wandtschaft an einen fer­nen Ort zurück­ge­zo­gen. Die Wehen set­zen ein, sie ist verzweifelt und ruft: “Wäre ich doch vorher gestor­ben und ganz in Vergessen­heit ger­at­en.” Da hört sie die Stimme ihres ger­ade gebore­nen Sohnes: “Beküm­mere dich nicht. Der Herr hat unter dir ein Bäch­lein fließen lassen. Und rüt­tle am Stamm der Palme, hin zu dir, damit sie frische Früchte auf dich herun­ter­fall­en lässt. Dann iss und trink und sei fro­hen Mutes.”

Und so geschieht es. Der ger­ade geborene Jesus ret­tet so seine Mut­ter durch ein Sprech­wun­der. Und die Palme leis­tet gewis­ser­maßen Hebam­men­di­en­ste, indem sie die gebärende Maria nach der Geburt ver­sorgt. Maria bringt also das Jesus-Kind auf der Flucht zur Welt. Auch im Matthäus-Evan­geli­um wird von der Flucht Marias, Josephs und des kleinen Jesu vor den Nach­stel­lun­gen des Königs Herodes erzählt. Was auf dieser ganz knapp berichteten Flucht passiert, daran hat sich die fromme Phan­tasie schon früh entzün­det.

Das apokryphe Matthäu­se­van­geli­um nimmt im 7. Jahrhun­dert das Erzählmo­tiv von der ret­ten­den Palme aus dem Koran auf und bindet es in die Geschichte von der Flucht der Heili­gen Fam­i­lie nach Ägypten ein. So haben wir auf vie­len von christlichen Kün­stlern gemal­ten Bildern der “Ruhe auf der Flucht” die Dat­tel­palme, die ihre Früchte für Maria und ihr Kind spendet. Sie stammt aus dem Koran. Welch eine schöne Gemein­samkeit zwis­chen Islam und Chris­ten­tum!

Jesus und seine Mut­ter waren Flüchtlinge. Aber das ist nicht nur eine alte gemein­same Geschichte, son­dern auch bedrän­gende Real­ität. In unseren Krip­pen­spie­len und Wei­h­nacht­sliedern(“Maria durch ein Dorn­wald ging”) wird oft das Flüchtlings­the­ma ange­sprochen. Wir sind als Eltern und Großel­tern entzückt, wenn unsere Kleinen “Wer klopfet an? Oh zwei gar arme Leut” sin­gen. Aber hören wir die heute Anklopfend­en?

Auf der Flucht sind Mil­lio­nen Men­schen aus Syrien, die vor allem in der Türkei, im Libanon und Jor­danien eine arm­selige Bleibe in Zelt­lagern gefun­den haben. Ger­ade mal 30.000 von den fast 3 Mil­lio­nen Flüchtlin­gen haben in Deutsch­land zwis­chen 2011 und 2013 Zuflucht gefun­den. Die Bun­desin­nen­min­is­terkon­ferenz hat beschlossen, 10.000 weit­ere Bürg­erkriegs­flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, und zwar solche, die eine Verpflich­tungserk­lärung unter­schreiben, dass sie für ihren Leben­sun­ter­halt selb­st sor­gen kön­nen.

Aber 76.000 Syr­er mit Ver­wandten in Deutsch­land haben bere­its einen Antrag auf Asyl gestellt. Über 60.000 kön­nen also hier keine Her­berge find­en. Viele von ihnen wer­den jet­zt ver­suchen, ille­gal nach Europa und Deutsch­land zu kom­men, die Zahl der Toten wird steigen. “Wenn die Bun­deslän­der men­schliche Härten ver­mei­den wollen, müssen sie in eigen­er Regie die die Anforderun­gen an die Sicherung des Leben­sun­ter­halt herun­ter­schrauben”, sagt Pro Asyl. Immer­hin hat die Bürg­er­schaft in Bre­men einen Beschluss gefasst, geflüchteten Min­der­heit­en und Fam­i­lien­ange­höri­gen aus Syrien und dem Irak ohne Unter­haltsverpflich­tung aufzunehmen. Kön­nte sich Ham­burg daran nicht ein Beispiel nehmen? So würde die gemein­same christlich-mus­lim­is­che Geburts­geschichte Jesu Wei­h­nacht­en 2014 sozial umge­set­zt.

Doch zurück zur “Geburts­geschichte Jesu” im Koran. Sie erzählt weit­er, wie Maria mit dem Säugling zu ihren Ver­wandten zurück­kehrt und diese ihr Vorhal­tun­gen machen: “Maria, du hast etwas Uner­hörtes getan. Dein Vater war doch kein unzüchtiger Mann und deine Mut­ter keine Dirne.” Maria deutet zu ihrer Vertei­di­gung auf das Kind. Die Ver­wandten sagen verächtlich: “Wie sollen wir mit einem sprechen, der noch ein Kind in der Wiege ist?”

Und da geschieht nochmals ein Sprech-Wun­der. Wieder begin­nt das Kleinkind begin­nt zu reden. Es stellt sich mit fol­gen­den Worten selb­st vor: “Ich bin der Knecht Gottes! Er gab mir das Buch und machte mich zum Propheten. Er ver­lieh mir Segen, wo immer ich auch war, und trug mir das Gebet und die Armen­steuer auf, solange ich am Leben bin. Und Ehrerbi­etung gegen meine Mut­ter! Er machte mich zu keinem elen­den Gewalt­men­schen.”

Das klingt ver­glichen mit unserem Jesus­bild ver­traut und fremd zugle­ich. Jesus stellt sich hier wie andere jüdis­che Propheten als Knecht Gottes vor, der von Gott zum Propheten berufen wurde. Zwar hat Jesus sich in den Evan­gelien nicht selb­st als Knecht beze­ich­net. Doch er beschreibt sich als ein­er, der gekom­men ist, zu dienen und nicht sich bedi­enen zu lassen.

“Gott gab mir das Buch”, sagt Jesus im Koran, spricht die Tho­ra und die Evan­gelien; und deswe­gen gehören die Chris­ten wie die Juden zu den von den Mus­li­men zu acht­en­den “Men­schen des Buchs”. Des weit­eren stellt sich Jesus als from­mer Jude und zugle­ich als from­mer Moslem vor. Denn er sagt von sich, dass er die Pflicht­en des rit­uellen Gebets und der Armen­steuer erfüllt sowie das Elternge­bot.

Was er gle­ich prak­tisch unter Beweis stellt, indem er seine Mut­ter vertei­digt. In dieser Geschichte aus dem Koran wird die enge Verbindung zwis­chen Maria und ihrem Sohn deut­lich. Jesus ver­hält sich von Anfang an wie ein “Rit­ter” der alle­in­ste­hen­den Maria. Denn im Koran gibt es keinen Ehe­mann Josef, der sie beschützen kann. Jesus ist im Koran vater­los, er ist zuerst und vor allem “der Sohn Marias” – in den Evan­gelien dis­tanziert er sich hinge­gen sein­er Mut­ter.

Mit dieser Ansprache des kleinen Propheten, der noch ein Kind in der Wiege ist, wird Maria, der wegen ille­git­imer Schwanger­schaft die Strafe durch Steini­gung dro­hte, gerettet. Abschließend sagt Jesus hier von sich, er sei “kein elen­der Gewalt­men­sch.” Das erin­nert deut­lich an Jesu Selig­preisung der Friedenss­tifter und an seine Auf­forderung an die Jünger, in Kon­flik­ten auf Gewalt zu verzicht­en: “Dem, der dich auf die rechte Backe schlägt, dem halte auch noch die linke hin.” Es gibt also ein gemein­sames gewalt­freies Erbe von Chris­ten­tum und Islam.

Allen Atten­tätern und Gewalt­men­schen, die im Namen ihres Glaubens Gewalt gegen Mit­men­schen üben, sei dieser Spruch Jesu aus dem Koran ins Stamm­buch geschrieben: “Gott machte mich zu keinem elen­den Gewalt­men­schen.” Die jun­gen Mus­lime, die in ein­er Mis­chung aus Gewalt­fasz­i­na­tion und Per­spek­tivlosigkeit nach Syrien und dem Irak fliegen, um dort an den mörderischen Kämpfen des IS teilzunehmen, soll­ten diesen Satz Jesu hören, ihre Imame und Betreuer soll­ten ihnen diesen Spruch ein­häm­mern und ihnen Chan­cen eröff­nen, ohne Gewalt ein sin­nvolles Leben zu führen. Denn den Rück­kehrern muss man mehr anbi­eten als ihnen den Per­son­alausweis wegzunehmen.

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