Bene-Diktum: Sie brauchen mehr Freude

Terrence Malicks poetischer Film "To the Wonder" ist ein Jahr nach seiner Cannes-Premiere endlich in Deutschland zu sehen

Dancers in the Dark (Bild: STUDIOCANAL © 2013)
Dancers in the Dark (Bild: STUDIOCANAL © 2013)

Terrence Mal­ick ist ein großer mythis­ch­er Name unter den Film­regis­seuren, 70 Jahre alt, hat er bis­lang nur 5 Filme gedreht über einen Zeitraum von 40 Jahren: Bad­lands (1973), Days of Heav­en (1978), The Thin Green Line, ein Epos über den Kampf der Amerikan­er gegen Japan im 2. Weltkrieg (1998); The New World und schließlich sein größtes Werk, an dem er lange gedreht hat, Tree of Life, 2011 in Cannes mit der Gold­e­nen Palme aus­geze­ich­net – ein spir­ituell-kos­mis­ch­er Film in großen Bildern, der am Schick­sal ein­er Fam­i­lie das Ver­hält­nis von Schöp­fung und Men­sch ausleuchtet, unter dem vor­angestell­ten Mot­to: “Wo warst du, als ich die Erde grün­dete?“ (Hiob)

Immer geht es in diesen Fil­men um die Sehn­sucht nach einem Paradies, das es nicht gibt, doch das Sehnen danach wird in großar­ti­gen Film­bildern einge­fan­gen, sodass man den Ein­druck hat, wir seien, wie es Kaf­ka ein­mal in einem Apho­ris­mus aus­ge­drückt hat, trotz Vertrei­bung immer noch im Paradies. Oder mit Jean Paul: “Die Erin­nerung, sprich der sich erin­nernde Film, ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht ver­trieben wer­den kön­nen.” Jet­zt also über­raschend mit nur einem Jahr Abstand ein neuer Film von Mal­ick, der schon 2012 in Cannes gezeigt wurde, aber erst jet­zt bei uns in die Kinos gekom­men ist: To the Won­der.

Es war der Name des Regis­seurs, der mich ver­führte in Absprache mit dem Aba­ton-Kino, diesen Film für die Rei­he Licht & Dunkel auszuwählen. Die Kri­tik nahm ihn zwiespältig auf. Meine Empfehlung: Erwarten Sie keine lin­eare Filmerzäh­lung, über­lassen sich dem Fluss der Bilder, der Musik (sehr passend das schwebende Par­si­fal-Vor­spiel, Harold in Ital­ien u. a.), die zwis­chen genial und ama­teurhaft schwank­ende Kam­er­aführung, auch wenn es Ihnen manch­mal zu pathetisch, zu schön, fast kitschig, zu abrupt vorkom­men mag.

Man kann auch mal weg­driften, sog­ar ein­schlafen, wie mir das gegan­gen ist, als ich den Film Sam­sta­gnacht zum ersten Mal sah. Ich war irgend­wie sofort wieder drin, obwohl ich für fast eine halbe Stunde weg war. Vielle­icht kön­nte fol­gen­des Gedicht als Mot­to dienen: “Wun­der­lich­stes Buch der Bücher/ist das Buch der Liebe./Aufmerksam hab ich’s gelesen:/Wenig Blät­ter Freuden,/ganze Hefte Leiden;/ einen Abschnitt macht die Trennung./Wiedersehn ein klein Kapitel,/Fragmentarisch! Bände Kummers,/Mit Erk­lärun­gen verlängert/Endlos ohne Maß(…) Unau­flös­lich­es, wer löst es? Liebende sich wiederfind­end.” So dichtete Goethe im West-Östlichen Divan. Ein wenig ist der Film von Ter­rence Mal­ick die visuelle Umset­zung dieses Gedichts.

Es wird eine Liebesgeschichte erzählt, begin­nend mit dem Ver­liebt­sein in Paris, mit ein­er Art magis­ch­er Beschwörung auf dem Mont St. Michel, dem Wun­der – so wie der Blick aus dem wun­der­baren Kreuz­gang aufs Meer möge die Liebe sein, groß erhaben, ewig im Gezeit­en­wech­sel. Der sakrale Raum über­höht die Liebe von Neil, einem US-Amerikan­er (Ben Affleck) und Mari­na (Olga Kyrolenko) ins Tran­szen­dente, unter­stützt von schweben­den Klän­gen aus Wag­n­ers Par­si­fal-Vor­spiel. Doch so bleibt es nicht. Und das wird schon am Mont St. Michel angedeutet, als die Frau auf dem Meeres­bo­den ein­sackt, sie hüpft und wieder ist der Boden trügerisch, das Wass­er kommt und spült die Spuren fort.

Als das Paar zusam­men mit der Tochter der Frau nach Ameri­ka geht, stellt sich schnell Ent­frem­dung und Ent­täuschung ein. Geliebte und Tochter find­en keinen richti­gen Kon­takt in ihrem neuen Zuhause. Man tren­nt sich, Mari­na und ihre Tochter gehen zurück nach Europa. Der Mann trifft eine Jugend­liebe (Rachel Mc Adams) wieder, Farm­er­stochter, es kommt fast zu Ehe, großar­tige Land­schafts-und Tier­auf­nah­men, doch die Bilder der Erin­nerung an Mari­na sind zu stark: Mari­na kommt zurück (ohne Tochter), man heiratet, aber die Ent­frem­dung begin­nt von Neuem, der Trost der Kirche hil­ft nicht, ein Seit­en­sprung der Frau, halb nur verziehen, führt zur Eskala­tion, man tren­nt sich endgültig. Mari­na kehrt zurück nach Europa, am Schluss leuchtet noch ein­mal der Mont St.Michel auf.

Diese Geschichte ein­er großen Liebe wird nicht lin­ear erzählt, son­dern von der Kam­era mal san­ft glei­t­end, mal sprin­gend, in fließen­der Bewe­gung auf die Gesichter zuschwebend, begleit­et, mit Auf­nah­men oft im Gegen­licht. Das Ganze ist erzählt wie ein Gedicht in freien Rhyth­men, sehr poet­isch, metapho­risch. Das Umhertänzeln von Mari­na ein­er­seits, die Wortkargheit des Mannes, ein amerikanis­ch­er Held, schön und stumm, ander­er­seits.

Es gibt kaum Dialoge, häu­fig die Stim­men aus dem Off (mehrsprachig), die sich an den andern wen­den, ohne von ihm gehört zu wer­den. Die beängsti­gende Leere der Räume des Haus­es mit dem hohen Bret­terza­un in der Vorstadt­sied­lung in Okla­homa kommt hinzu. Sie illus­tri­ert die Ent­frem­dung des Paares, das sich bald in einem Wech­sel­bad aus Zuwen­dung und Zurück­weisung befind­et. Hier die Weite des Lan­des, oft ins Bild geset­zt im Gegen­satz zu dem quirlig-städtis­chen Europa.

Weite Felder mit Step­pen­gras, in denen der Men­sch ver­loren wirkt. Wo er ging, schlägt das Gras wieder über ihm zusam­men, ein wiederkehren­der Topos bei Mal­ick. Ein unwirk­lich­er Ort, so wie das Leben der bei­den unwirk­lich ist, was treibt Mari­na, hat sie keinen Beruf, ist sie nur schöne Gefährtin? Immer­hin wird gezeigt, wom­it der Mann sein Geld ver­di­ent – er ist Umweltin­ge­nieur, der die Verseuchung von Böden prüft, mit aufge­bracht­en Haus­be­sitzern zu tun hat, in ver­wüstetem Gelände umher­stapft. Mari­na geht in die Kirche.

Und hier kommt die Rolle des Priesters (Xavier Bar­dem) ins Spiel, der seinen Glauben an Gott ver­loren hat, das erin­nert sehr an Bergmanns Licht im Win­ter, als Predi­ger der Liebe Gottes und Christi in ihrem Ver­hält­nis zur Liebe der Men­schen wie als Beicht­vater nicht helfen kann. Aber trotz­dem ver­sucht die Rolle des Priesters ein­er katholis­chen Gemeinde im Armen­vier­tel auszufüllen (wie in Nazarin von Buñuel), mit einem stets ern­sten Gesicht wie das von Buster Keaton.

“Ich bete für sie, sie brauchen mehr Freude, Hochwür­den”, sagt eine alte Frau im Roll­stuhl zu ihm, oft hil­f­los, wenn er Kranke und Ein­same besucht, aber getröstet von ihrem Ver­trauen, erschüt­tert von ihrer Verzwei­flung. Ver­glichen damit ist das Beziehung­sprob­lem des Paares fast ein Luxus und den­noch bedrän­gend exis­ten­tiell.

All das wird, wie gesagt, nicht lin­ear erzählt, son­dern bruch­stück­haft. Der Film zeigt Erin­nerungs­fet­zen, die ganz vom Visuellen bes­timmt sind, nicht vom gesproch­enen Wort, richtige Dialoge sind ganz sel­ten. Es sind trau­mar­tige Sequen­zen, nicht immer logisch, so wie man sich an ver­gan­gene Lieb­schaften erin­nert, ein Straßen­bild blitzt auf, ein Park, eine Kirche, eine Zug­fahrt, ein Son­nenun­ter­gang; eine Umar­mung, ein Tanz, ein Stre­it.

Und dazwis­chen der geliebte Men­sch, mit dem man nicht mehr zusam­men ist, aber der immer noch durch die Erin­nerung geis­tert. Kein ein­fach­er Film, auch kein ganz großer, aber wenn man sich auf ihn ein­lässt, eine schöne visuelle Erfahrung.

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