Terrence Malick ist ein großer mythischer Name unter den Filmregisseuren, 70 Jahre alt, hat er bislang nur 5 Filme gedreht über einen Zeitraum von 40 Jahren: Badlands (1973), Days of Heaven (1978), The Thin Green Line, ein Epos über den Kampf der Amerikaner gegen Japan im 2. Weltkrieg (1998); The New World und schließlich sein größtes Werk, an dem er lange gedreht hat, Tree of Life, 2011 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet – ein spirituell-kosmischer Film in großen Bildern, der am Schicksal einer Familie das Verhältnis von Schöpfung und Mensch ausleuchtet, unter dem vorangestellten Motto: “Wo warst du, als ich die Erde gründete?“ (Hiob)
Immer geht es in diesen Filmen um die Sehnsucht nach einem Paradies, das es nicht gibt, doch das Sehnen danach wird in großartigen Filmbildern eingefangen, sodass man den Eindruck hat, wir seien, wie es Kafka einmal in einem Aphorismus ausgedrückt hat, trotz Vertreibung immer noch im Paradies. Oder mit Jean Paul: “Die Erinnerung, sprich der sich erinnernde Film, ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.” Jetzt also überraschend mit nur einem Jahr Abstand ein neuer Film von Malick, der schon 2012 in Cannes gezeigt wurde, aber erst jetzt bei uns in die Kinos gekommen ist: To the Wonder.
Es war der Name des Regisseurs, der mich verführte in Absprache mit dem Abaton-Kino, diesen Film für die Reihe Licht & Dunkel auszuwählen. Die Kritik nahm ihn zwiespältig auf. Meine Empfehlung: Erwarten Sie keine lineare Filmerzählung, überlassen sich dem Fluss der Bilder, der Musik (sehr passend das schwebende Parsifal-Vorspiel, Harold in Italien u. a.), die zwischen genial und amateurhaft schwankende Kameraführung, auch wenn es Ihnen manchmal zu pathetisch, zu schön, fast kitschig, zu abrupt vorkommen mag.
Man kann auch mal wegdriften, sogar einschlafen, wie mir das gegangen ist, als ich den Film Samstagnacht zum ersten Mal sah. Ich war irgendwie sofort wieder drin, obwohl ich für fast eine halbe Stunde weg war. Vielleicht könnte folgendes Gedicht als Motto dienen: “Wunderlichstes Buch der Bücher/ist das Buch der Liebe./Aufmerksam hab ich’s gelesen:/Wenig Blätter Freuden,/ganze Hefte Leiden;/ einen Abschnitt macht die Trennung./Wiedersehn ein klein Kapitel,/Fragmentarisch! Bände Kummers,/Mit Erklärungen verlängert/Endlos ohne Maß(…) Unauflösliches, wer löst es? Liebende sich wiederfindend.” So dichtete Goethe im West-Östlichen Divan. Ein wenig ist der Film von Terrence Malick die visuelle Umsetzung dieses Gedichts.
Es wird eine Liebesgeschichte erzählt, beginnend mit dem Verliebtsein in Paris, mit einer Art magischer Beschwörung auf dem Mont St. Michel, dem Wunder – so wie der Blick aus dem wunderbaren Kreuzgang aufs Meer möge die Liebe sein, groß erhaben, ewig im Gezeitenwechsel. Der sakrale Raum überhöht die Liebe von Neil, einem US-Amerikaner (Ben Affleck) und Marina (Olga Kyrolenko) ins Transzendente, unterstützt von schwebenden Klängen aus Wagners Parsifal-Vorspiel. Doch so bleibt es nicht. Und das wird schon am Mont St. Michel angedeutet, als die Frau auf dem Meeresboden einsackt, sie hüpft und wieder ist der Boden trügerisch, das Wasser kommt und spült die Spuren fort.
Als das Paar zusammen mit der Tochter der Frau nach Amerika geht, stellt sich schnell Entfremdung und Enttäuschung ein. Geliebte und Tochter finden keinen richtigen Kontakt in ihrem neuen Zuhause. Man trennt sich, Marina und ihre Tochter gehen zurück nach Europa. Der Mann trifft eine Jugendliebe (Rachel Mc Adams) wieder, Farmerstochter, es kommt fast zu Ehe, großartige Landschafts-und Tieraufnahmen, doch die Bilder der Erinnerung an Marina sind zu stark: Marina kommt zurück (ohne Tochter), man heiratet, aber die Entfremdung beginnt von Neuem, der Trost der Kirche hilft nicht, ein Seitensprung der Frau, halb nur verziehen, führt zur Eskalation, man trennt sich endgültig. Marina kehrt zurück nach Europa, am Schluss leuchtet noch einmal der Mont St.Michel auf.
Diese Geschichte einer großen Liebe wird nicht linear erzählt, sondern von der Kamera mal sanft gleitend, mal springend, in fließender Bewegung auf die Gesichter zuschwebend, begleitet, mit Aufnahmen oft im Gegenlicht. Das Ganze ist erzählt wie ein Gedicht in freien Rhythmen, sehr poetisch, metaphorisch. Das Umhertänzeln von Marina einerseits, die Wortkargheit des Mannes, ein amerikanischer Held, schön und stumm, andererseits.
Es gibt kaum Dialoge, häufig die Stimmen aus dem Off (mehrsprachig), die sich an den andern wenden, ohne von ihm gehört zu werden. Die beängstigende Leere der Räume des Hauses mit dem hohen Bretterzaun in der Vorstadtsiedlung in Oklahoma kommt hinzu. Sie illustriert die Entfremdung des Paares, das sich bald in einem Wechselbad aus Zuwendung und Zurückweisung befindet. Hier die Weite des Landes, oft ins Bild gesetzt im Gegensatz zu dem quirlig-städtischen Europa.
Weite Felder mit Steppengras, in denen der Mensch verloren wirkt. Wo er ging, schlägt das Gras wieder über ihm zusammen, ein wiederkehrender Topos bei Malick. Ein unwirklicher Ort, so wie das Leben der beiden unwirklich ist, was treibt Marina, hat sie keinen Beruf, ist sie nur schöne Gefährtin? Immerhin wird gezeigt, womit der Mann sein Geld verdient – er ist Umweltingenieur, der die Verseuchung von Böden prüft, mit aufgebrachten Hausbesitzern zu tun hat, in verwüstetem Gelände umherstapft. Marina geht in die Kirche.
Und hier kommt die Rolle des Priesters (Xavier Bardem) ins Spiel, der seinen Glauben an Gott verloren hat, das erinnert sehr an Bergmanns Licht im Winter, als Prediger der Liebe Gottes und Christi in ihrem Verhältnis zur Liebe der Menschen wie als Beichtvater nicht helfen kann. Aber trotzdem versucht die Rolle des Priesters einer katholischen Gemeinde im Armenviertel auszufüllen (wie in Nazarin von Buñuel), mit einem stets ernsten Gesicht wie das von Buster Keaton.
“Ich bete für sie, sie brauchen mehr Freude, Hochwürden”, sagt eine alte Frau im Rollstuhl zu ihm, oft hilflos, wenn er Kranke und Einsame besucht, aber getröstet von ihrem Vertrauen, erschüttert von ihrer Verzweiflung. Verglichen damit ist das Beziehungsproblem des Paares fast ein Luxus und dennoch bedrängend existentiell.
All das wird, wie gesagt, nicht linear erzählt, sondern bruchstückhaft. Der Film zeigt Erinnerungsfetzen, die ganz vom Visuellen bestimmt sind, nicht vom gesprochenen Wort, richtige Dialoge sind ganz selten. Es sind traumartige Sequenzen, nicht immer logisch, so wie man sich an vergangene Liebschaften erinnert, ein Straßenbild blitzt auf, ein Park, eine Kirche, eine Zugfahrt, ein Sonnenuntergang; eine Umarmung, ein Tanz, ein Streit.
Und dazwischen der geliebte Mensch, mit dem man nicht mehr zusammen ist, aber der immer noch durch die Erinnerung geistert. Kein einfacher Film, auch kein ganz großer, aber wenn man sich auf ihn einlässt, eine schöne visuelle Erfahrung.
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