Because I’m Happy

Till Brönner spielt in der Laeisz-Halle und plötzlich ist Hamburg transatlantisch

Till Brönner
Strahler 80 (Bild: HHF/kms)

Nur eine der kleinen Bir­nen am Büh­nen­rand spielt nicht so recht mit. Es ist die neunte von links, die sich hin und wieder der Lichtchore­o­gra­phie in der Laeisz-Halle ver­weigert. Unter der Decke des ehrwürdi­gen Haus­es hängt ein Git­ter­ah­men, der zusät­zliche Beleuch­tung trägt, 10 riesige Schein­wer­fer­reflek­toren sind auf das Pub­likum gerichtet, die in allen Far­ben schim­mern. Die Lichter­rei­he an der Rampe erin­nert an alte Kinoschilder, an die gold­e­nen Zeit­en Hol­ly­woods, so, wie es ein­mal war. Die große Shownum­mer wird so angekündigt, es kann keinen Zweifel geben, dass dieser Abend auf Unter­hal­tung aus­gerichtet ist. Till Brön­ner, trotz des Genöles manch­er Kri­tik­er der Deutschen lieb­ster Jazzmusik­er, ist in der Stadt.

Der Trompeter hat ein neues Album veröf­fentlich, dass es zu pro­moten gilt. So läuft das im Musikgeschäft, erst die Plat­te, dann die Tournee. Das neue Album heißt “The Good Life” und ist rel­a­tiv kon­ser­v­a­tiv und reduziert in seinen Arrange­ments, aber eine konzen­tri­erte Arbeit mit großen Stu­diomusik­ern. Natür­lich sind in den dazu bere­its veröf­fentlicht­en Besprechun­gen die üblichen Till-Brön­ner-Klis­chees aus­gepackt wor­den. Die Rede ist, wie fast immer, vom eigentlich bril­lanten Musik­er, der aber unter seinen Möglichkeit­en bleibe, weil er nicht authen­tisch genug sei, nicht gebrochen und doch allzu sehr dem weichen, schö­nen Klang huldige. Denn Jazz hat schmutzig zu sein und kle­brig, wie zu heiß gewor­denes Bitu­men auf ein­er som­mer­lichen Land­straße, und am besten ist der Musik­er arm wie eine Kirchen­maus und vor allem ein Geheimtip, der nur eingewei­ht­en Con­nais­seuren bekan­nt zu sein hat. Nur dann ist es richtig, denn alles andere ist etwas für Leute, die in solche Konz­erte gehen.

Was man aber alles get­rost vergessen kann, vor allem an diesem Abend. Denn der Trompeter ist ein durch und durch eigen­ständi­ger Kün­stler, der sich zum Glück wenig um solche Etiket­ten schert und offen­bar die Musik macht, die ihm gefällt, allen Forderun­gen der ern­st­nehmenden Gemeinde zum Trotz. Von denen sieht man an diesem Novem­ber­abend in der Halle auch nicht viele, das Pub­likum ist arriv­iert­er, bess­er gek­lei­det, durch und durch bürg­er­lich in Ges­tus und Gestalt, von den ernst drein­schauen­den Schnauzbärten und Led­er­west­en, die son­st die Szene prä­gen, sieht man hier nicht viel.

Till Brön­ner hat sich eine Band zusam­mengestellt, die er als “ziem­lich beste Fre­unde” vorstellt. Auch das ist ein Kinoz­i­tat, vielle­icht nicht die gelun­gen­ste Pointe, aber sie drückt genau die Art von Har­monie aus, die sich ein Musik­er wün­schen mag. Diese Fre­unde sind Brön­ners alter Wegge­fährte, der Bassist Chris­t­ian von Kaphengst, Gitar­rist Bruno Müller, der Key­board­er Jo Barnikel, Schlagzeuger David “Fin­gers” Haynes, und der hol­ländis­che Pianist Jasper Sof­fers. Dass der noch ein Fend­er Rhodes dabei­hat, ist für den Abend genau­so entschei­dend wie der zweite Bläs­er auf der Bühne, der schwedis­che Sax­o­fon­ist Mag­nus Lind­gren. Es sind alle­samt exzel­lente Musik­er, das ist keine Frage.

Denn, nach all den smoothen Bak­eris­men, die den Mann berühmt und so beliebt gemacht haben, pack­en die Sieben auf der Bühne etwas über­raschend das schw­erere Besteck der 80er aus. Der Sound ist aus­ge­sprochen druck­voll, man meint sich zurück­ver­set­zt in die glo­r­re­ichen Zeit­en der Fusion-Küchen im Jazz, all jen­er Grup­pen, die nach Joe Zaw­inuls leg­endären “Weath­er Report” kamen. Die Breck­er Broth­ers fall­en einem da spon­tan ein, in ihrer ener­getis­chen Kom­bi­na­tion von Trompete und Tenor, eine wenig Dave Grusin – oder gar der späte Miles Davis, der ja in seinen let­zten Jahren, immer wieder nach neuen Sounds suchend, auch vor elek­tro­n­is­chen Mod­i­fika­tio­nen seines berühmten Tones nicht zurückschreck­te.

Und in der Tat meint man ihn, den Alt­meis­ter, in Brön­ners Spitzen­tö­nen, vor allem mit der “gestopften” Trompete, immer wieder durchzuhören: Ganz ähn­liche Phrasen und ver­wandte Into­na­tio­nen spielt Till Brön­ner da, ohne sich jedoch zum bedin­gungslosen Exegeten zu machen. Man hört von der Band viel Wah-Wah-Effek­te, das Rhodes legt seinen raunend-analo­gen Sound als Basis unter die Melodiebö­gen der Solis­ten. Immer wieder im Zen­trum ste­ht der Dia­log mit Mag­nus Carlsen, die bei­den haben hör­baren Spaß am Duet­tieren, an der gegen­seit­i­gen Her­aus­forderung – ein Ton gibt den anderen, eine Line fordert die näch­ste.

Auch wenn die Band wirk­lich stark beset­zt ist, der Chef im Ring ist und bleibt Till Brön­ner. Seine Into­na­tion und sein Ideen­re­ich­tum haben ihm tat­säch­lich Wel­truhm einge­bracht, die Exak­theit und Bril­lanz in seinem Spiel ist auch an diesem Abend überdeut­lich. Es ist kein dif­fuser Klang, der aus Flügel­horn und Trompete strömt, auch in den lyrischen Phasen ist seine Strahlkraft und Genauigkeit zu hören. Und der Groove ist da, auch er unüber­hör­bar. Natür­lich wird char­mant mod­eriert, da hat er dazu gel­ernt, in früheren Zeit­en ging das flott-saloppe mitunter am Pub­likum vor­bei, heute sitzen die Pointen bess­er. Als er gegen Schluss über seinen Auftritt im Weißen Haus mit all den Musik­er­größen spricht, die er so verehrt, ist er sichtlich beein­druckt, das nimmt man ihm ab. Man muss die Art der Büh­nen­präsen­ta­tion nicht mögen, aber der ein­gangs beschriebene Wille zum Enter­tain­ment ist beispiel­los, darin ist Till Brön­ner ein wahrer kul­tureller Transat­lantik­er, stilis­tis­che Enge oder gar prov­inzielle Attitüde ist seine Sache nicht. Dieser Abend ist Unter­hal­tung auf sehr hohem Niveau, mit dem Mut zur großen Geste und mit wirk­lich aus­geze­ich­neter Musik.

Als die Sache eigentlich schon been­det ist, nach Zugabe und Bachs Air, und man dann an ein wenig Gerührtheit schluck­en müsste, da dreht die Band noch ein­mal an den Reglern und bläst die Ham­burg­er Gesellschaft mit Pharell Williams “Hap­py” der­art brachial aus dem Saal, dass es tat­säch­lich eine Freude ist. Man kön­nte dieses “Hap­py” auch für eine Art anar­chis­ch­er Freude hal­ten. Da ist er näm­lich, der Jazz.

 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*