Auch ohne große kommerziell erfolgreiche Namen auf dem Tableau stehen zu haben, konnten die Veranstalter der altonale Pop Nacht zufrieden das “Ausverkauft”-Schild an die Tür hängen. Wir waren an diesem Abend dabei und begeistert von der feinen Auswahl der unterschiedlichen internationalen Bands und Künstler, die auf so engem Raum versammelt war.
Auf der Bühne im Innenhof des Altonaer Rathaus läutete das Hamburger Trio Helgen die Nacht ein. Trotz des einsetzenden Regens bereits während des dritten Lieds, ließen sie sich ihre gute Laune nicht vermiesen. Pop aus Hamburg mit klugen deutschen Texten, das hat ja auch schon immer ganz gut funktioniert. Und ihren kleinen Radiohit “Wir lieben uns wie es in den Büchern steht” wird man sicherlich auch noch häufiger den Sommer über hören können.
In der Christuskirche, nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt, waren dann Wooden Arms als nächstes an der Reihe. Jedoch anstatt zu sechst, waren sie in kleinerer Besetzung, nur als Quartett, nach Altona angereist. Ein Mann am Klavier, einer an der Gitarre und Trompete, eine Geigerin, ein Schlagzeuger und jeder darf bei Ihnen singen. Es fehlten das Cello und eine weitere weibliche Singstimme. Dennoch schafften sie es auch ihre harmonische Klang-Magie, die sich zwischen klassischen Elementen und Pop mit Hang zum Bombast bewegt, zu entfalten. Die wundervolle des Kulisse hübsch ausgeleuchteten Kirchenraums mit seiner hervorragenden Akustik bietet dabei eine ideale Bühne für die vier Musiker. Hätte das Herz überhaupt so viel Schönheit ausgehalten, wenn sie in voller Besetzung aufgetreten wären?
Die Berliner Nörd hatte es hingegen schwerer, da sie draußen gegen Kälte und Regen anspielen mussten. Ihren tanzbaren Synthie-Pop kann man sich sehr gut bei Sonnenschein vorstellen ohne Kapuze auf dem Kopf und mit trockenen Füßen. Mit der deutschen Sprache wissen die drei Berliner auch auf vorzügliche Weise umzugehen. Die verbliebenen Zuhörer wippten eifrig unter den aufgespannten Schirmen mit, doch wo waren denn auf einmal alle abgeblieben? Die Antwort fand man im Gemeindesaal der St. Petri Kirche, denn hier war es warm und trocken. Und mit NovemberDecember hatten nun wieder die Dänen in Altona das Wort.
Auf den ersten Blick scheint die heitere Truppe junger Männer nach dem Schema einer Boygroup zusammengesetzt worden zu sein: einen Jungen, einen Süßen, einen Gefühlvollen, einen bösen Buben und einen Älteren. Doch wir wollen uns hier mal nicht auf Äußerlichkeiten beschränken. Auch wenn die fünf Dänen natürlich nett anzuschauen sind, nett anzuhören war es dann natürlich auch. Vielleicht lockte das schlechte Wetter die Besucher in den Saal aber der beschwingter 70er Gitarrensound mit Harmoniegesang ließ sie auch gerne dort noch ein Weilchen bleiben.
Ein Künstler aus der Kategorie “den sollte man im Auge behalten” ist Tom Adams. Die Kombination aus Klavier und digitalen Spielereien erfreut sich immer größer werdender Beliebtheit, wie man bei z.B. Nils Frahm oder Ólafur Arnalds sieht. Doch nur wenige dieser Künstler können dazu auch noch ähnlich gut singen wie Tom Adams, der die Kunst des gefühlvollen Falsett Gesangs beherrscht. Er wechselt in seinem Set zwischen den instrumentalen und Gesangs-Stücken. Die Wooden Arms sind auch bereits Fans von ihm und viele neue wird er auch an diesem Abend in der Schnittke Akademie hinzugewonnen haben.
Unter dem Begriff “Musikalische Schizophrenie” lassen sich die folgenden drei Programmpunkte der altonale Pop Nacht zusammenfassen. Hinter dem leicht verwirrenden Plural The Lake Poets verbirgt sich nur ein einzelner junger Mann mit seiner akustischen Gitarre. Martin Longstaff lässt sich ohne Zweifel in die Liga der englischen Singer/Songwriter wie Ben Howard, Damien Rice oder Jake Bugg einreihen , die durch die elterliche Plattensammlung mit Neil Young, James Taylor oder Carole King ihre musikalische Sozialisation erfahren haben. Er stand ebenfalls in der Schnittke Akademie auf dem Bühnenparkett, wo er mit seiner sanften hellen Stimme Geschichten erzählte.
Die schizophrene Veranlagung wird von Martin Siebert alias “and the golden choir” in der Christuskirche jedoch auf die Spitze getrieben. Der Plattenspieler, den er neben dem anderen Krempel auf der Bühne stehen hat, ist mehr als nur ein lustiges Accessoire. Wenn man bei seinen Konzerten die Augen schließt, könnte meinen, dass dort weitere Musiker einer Band, eines Orchesters oder ein Chor noch mit auf der Bühne stehen. Aber, er ist ganz allein und alles, was Siebert nicht selber auf der Bühne spielt oder singt kommt von den Schallplatten, die er nach jedem Song neu auflegen muss. Und dabei ist jeder einzelne Ton, der von der Platte kommt, von ihm eigenhändig im Vorfeld eingespielt. So prägte er auch schon den Satz “um allein zu bleiben muss ich mich vervielfältigen”. Das Gefühl einer Playbackshow kann man aber leider nicht vollständig aus den Gedanken verbannen. Also, lieber die Augen geschlossen lassen und sich diesem Auftritt dann doch nur mit den Ohren widmen.
Kat Frankie braucht ebenfalls keine Band um sich herum um ihre Wirkung noch zu verstärken. Im Gegensatz zu “and the golden choir” spielt sie ihre zusätzlichen Klänge jedoch alle live auf der Bühne per Loopmaschine ein, was auch mal schief gehen darf und kann. Und bei Ihrem Auftritt war es dann auch muxmäuschenstill in der Christuskirche, wofür das Publikum auch ein Lob der Künstlerin für seine Höflichkeit bekam. Wie auch schon beim Hanse Song Festival 2014 in Stade schafft sie es auch das Altonaer Publikum in der bis gut gefüllten Kirche in Ihren Bann zu ziehen.
Zum Abschluss der altonale Pop Nacht war dann “Fuck Art, let’s dance!” nicht nur als Motto zu verstehen, sondern auch der Name der letzten Band die auf der Bühne im Innenhof des Altonaer Rathaus spielen durfte. Das sind vier quirlige Hamburger Jungs, die noch einmal den Rausschmeißer geben durften. Es gibt ja gar nicht so viele Bands aus Hamburg bzw. gar aus Deutschland, die solche diese tanzbare Musik Live so mitreißend präsentieren können, dass sie sich vor den internationalen Kollegen nicht verstecken müssen. Und sie schlossen auch die “Hamburg-Klammer” der Altonale Pop Nacht, denn wir haben mit einer Hamburger Band angefangen und hören mit einer Hamburger Band auch wieder auf.
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