Irgendwann, im späten Mittelalter, vielleicht zwischen 1330 und 1360, hat der dominikanische Mystiker Johannes Tauler möglicherweise eines der ältesten und bekanntesten Lieder zum Christfest geschrieben, die genaue Herkunft ist nicht so ganz geklärt. Es kündet von tiefer Frömmigkeit, aber auch von starkem Vertrauen in unsicheren Zeiten:
“Es kommt ein Schiff, geladen
bis an sein’ höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewigs Wort.”
Es ist eine alte biblische Allegorie, die schwangere Gottesmutter mit einem einlaufenden Schiff in Beziehung zu setzen, das seine kostbare Fracht, den erlösenden Christus, sicher in den Hafen bringt. Die Heimkehr an Land wird mit innigen Worten beschrieben:
“Der Anker haft’ auf Erden,
da ist das Schiff am Land.
Das Wort will Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.”
Heimkommen, Abschied nehmen, die Landnahme, das Ankommen im sicheren Hafen – das sind Metaphern der gefährlichen Reise durch die Welt, die sich auch in der Neuzeit erhalten haben, bis hin in die mitunter vermeintlichen Trivialitäten der Popkultur.
So einfach sich die Weisheiten von weihnachtlichen Chartbreakern und kommerziellen Festgeklingel auch anhören mögen, so künden sie doch alle von der einen Sehnsucht, der nach dem Heimkommen in sichere Verhältnisse, Familie, Zusammenkommen und der Verheissung von Stille und Kontemplation, selbst das inzwischen vielen unerträgliche “Last Christmas” birgt diese Sehnsucht nach der Erlösung, durch das “Ankommen” in der irdischen Liebe.
Auch die Hamburger Combo “Hafennacht eV” – seit einigen Jahren spezialisiert auf die musikalischen Schnittstellen zwischen Mensch und Meer – hat dieses Jahr ein kleines Album veröffentlicht, das sich mit dieser Zeit auseinandersetzt. Nur acht Titel umfasst es, eine Mischung aus alten Freddy-Quinn-Gassenhauern (“St. Niklas war eine Seemann”) über Norbert Schulzes “Lili Marleen” bis hin zu Eigenkompositionen wie “Stille Hafennacht/Containerriesen”.
Ihnen allen gemein ist die Schlichtheit und Reduktion, schmal instrumentiert, Gitarre (Erk Braren), das für das Milieu unvermeudliche Akkordeon (Heiko Quistorff), ein bisschen Bass und ein sparsam eingesetztes Schlagzeug. Darüber singt Uschi Wittich geradlinig und ohne unnötige Artistik, konzentriert in der Phrasierung und mit dem warmen Timbre, das dieser natürlichen Stimme so zu eigen ist.
Gerade so ein neu komponiertes Lied wie “Stille Nacht/Containerriesen” greift die alten Topoi wieder auf – das Schiff, das durch die Nacht gleitet, dem Heimathafen entgegen; übertragen in eine heutige Zeit, in der die Schiffe andere Fracht tragen als in der Vorstellungswelt des mittelalterlichen Mönchs. Und dennoch findet sich auch hier ein übergreifendes weihnachtliches Gefühl: Hoffnung und Freude – wer das im “Schlager” schafft, hat so einiges erreicht. Johannes Tauler schrieb in seiner Zeit: “Das Segel ist die Liebe” – in diesem Sinne: Frohes Fest!
Die CD “In einer Winternacht im Hafen” von Hafennacht eV kann man, auch nach Weihnachten noch, im Online-Shop der Band und an anderen Orten erwerben.
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