Das Segel ist die Liebe

Zum Weihnachtstag: Eine Hamburger Weihnachtsmusik

Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last (Fotograf: Skram/Rainer Marks. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)

Irgend­wann, im späten Mit­te­lal­ter, vielle­icht zwis­chen 1330 und 1360, hat der dominikanis­che Mys­tik­er Johannes Tauler möglicher­weise eines der ältesten und bekan­ntesten Lieder zum Christ­fest geschrieben, die genaue Herkun­ft ist nicht so ganz gek­lärt. Es kün­det von tiefer Fröm­migkeit, aber auch von starkem Ver­trauen in unsicheren Zeit­en:

“Es kommt ein Schiff, geladen
bis an sein’ höch­sten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewigs Wort.”

Es ist eine alte bib­lis­che Alle­gorie, die schwan­gere Gottes­mut­ter mit einem ein­laufend­en Schiff in Beziehung zu set­zen, das seine kost­bare Fracht, den erlösenden Chris­tus, sich­er in den Hafen bringt. Die Heimkehr an Land wird mit inni­gen Worten beschrieben:

“Der Anker haft’ auf Erden,
da ist das Schiff am Land.
Das Wort will Fleisch uns wer­den,
der Sohn ist uns gesandt.”

Heimkom­men, Abschied nehmen, die Land­nahme, das Ankom­men im sicheren Hafen – das sind Meta­phern der gefährlichen Reise durch die Welt, die sich auch in der Neuzeit erhal­ten haben, bis hin in die mitunter ver­meintlichen Triv­i­al­itäten der Pop­kul­tur.

So ein­fach sich die Weisheit­en von wei­h­nachtlichen Chart­break­ern und kom­merziellen Fest­gek­lin­gel auch anhören mögen, so kün­den sie doch alle von der einen Sehn­sucht, der nach dem Heimkom­men in sichere Ver­hält­nisse, Fam­i­lie, Zusam­menkom­men und der Ver­heis­sung von Stille und Kon­tem­pla­tion, selb­st das inzwis­chen vie­len unerträgliche “Last Christ­mas” birgt diese Sehn­sucht nach der Erlö­sung, durch das “Ankom­men” in der irdis­chen Liebe.

Auch die Ham­burg­er Com­bo “Hafen­nacht eV” – seit eini­gen Jahren spezial­isiert auf die musikalis­chen Schnittstellen zwis­chen Men­sch und Meer – hat dieses Jahr ein kleines Album veröf­fentlicht, das sich mit dieser Zeit auseinan­der­set­zt. Nur acht Titel umfasst es, eine Mis­chung aus alten Fred­dy-Quinn-Gassen­hauern (“St. Niklas war eine See­mann”) über Nor­bert Schulzes “Lili Mar­leen” bis hin zu Eigenkom­po­si­tio­nen wie “Stille Hafennacht/Containerriesen”.

Ihnen allen gemein ist die Schlichtheit und Reduk­tion, schmal instru­men­tiert, Gitarre (Erk Braren), das für das Milieu unver­meudliche Akko­rdeon (Heiko Quis­torff), ein biss­chen Bass und ein sparsam einge­set­ztes Schlagzeug. Darüber singt Uschi Wit­tich ger­adlin­ig und ohne unnötige Artis­tik, konzen­tri­ert in der Phrasierung und mit dem war­men Tim­bre, das dieser natür­lichen Stimme so zu eigen ist.

Ger­ade so ein neu kom­poniertes Lied wie “Stille Nacht/Containerriesen” greift die alten Topoi wieder auf – das Schiff, das durch die Nacht gleit­et, dem Heimath­afen ent­ge­gen; über­tra­gen in eine heutige Zeit, in der die Schiffe andere Fracht tra­gen als in der Vorstel­lungswelt des mit­te­lal­ter­lichen Mönchs. Und den­noch find­et sich auch hier ein über­greifend­es wei­h­nachtlich­es Gefühl: Hoff­nung und Freude – wer das im “Schlager” schafft, hat so einiges erre­icht. Johannes Tauler schrieb in sein­er Zeit: “Das Segel ist die Liebe” – in diesem Sinne: Fro­hes Fest!

cd-winternacht

Die CD “In ein­er Win­ter­nacht im Hafen” von Hafen­nacht eV kann man, auch nach Wei­h­nacht­en noch, im Online-Shop der Band und an anderen Orten erwer­ben.

 

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