Der Raumvermesser

HHF-Gastautor Christopher Bünte über den letzten »Arzak«-Band des französischen Comiczeichners Jean Giraud alias Moebius

Bild: Ehapa Verlag
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Arzak gleit­et über die Wüste. Der eige­nar­tige Krieger mit dem hohen Hut hockt geduldig auf einem Vogel, einem pum­meli­gen, weißen Geschöpf ohne Beine. Fast kön­nte man meinen, er medi­tiere. Unter ihm erstreckt sich eine end­lose Wüste, ein immer wiederkehren­des Motiv in Moe­bius‘ gesamten Werk. Das Bild strahlt spir­ituelle Kraft aus.

Arzak ist ein Ver­mächt­nis von einem der großar­tig­sten Kün­stler, die in der grafis­chen Lit­er­atur zu find­en sind. Moe­bius, der mit bürg­er­lichem Namen Jean Giraud hieß, liebte es, flache Hor­i­zontlin­ien zu zeich­nen. Die Wüste von Mexiko inspiri­erte ihn. Sie gab ihm Kraft und prägte seinen exper­i­mentellen Zeichen­stil. Arzak und die Wüste – sie sind untrennbar miteinan­der ver­bun­den.

L’arpenteur, der Raumver­mess­er, ist der Unter­ti­tel des franzö­sis­chen Albums, das im Sep­tem­ber 2010 bei Glé­nat und jet­zt in Deutsch­land bei der Eha­pa Com­ic Col­lec­tion her­aus­gekom­men ist. Ein Fan­ta­sy- bzw. Sci­ence-Fic­tion-Aben­teuer, der erste und einzige Band ein­er unvol­len­de­ten Serie.

Arzak, der in früheren Geschicht­en auch Arzach, Harzak oder Arza­ck hieß, muss irgend­wann von seinem Vogel absteigen, son­st gibt es kein Aben­teuer, keine Geschichte. Die Wüste zieht ihn an. Sie holt ihn auf den Boden der Tat­sachen zurück und been­det das Träu­men und Gleit­en. Das Unbe­wusste kann dem Bewussten nicht aus dem Weg gehen.

Der Plan­et, an dem sich in diesem Aben­teuer das Schick­sal bricht, heißt Tas­sili. Hier rin­gen die Men­schheit und das Volk der Werg um die Vorherrschaft im Uni­ver­sum. Wenn man von der span­nen­den, phan­tasievollen und ele­gant erzählten Hand­lung ein­mal absieht, kann man Arzak als einen teils amüsierten, teils bis­si­gen Kom­men­tar zum Hier und Jet­zt ver­ste­hen. Arzak, der in diesem Aben­teuer nicht frei­willig von seinem Vogel abgestiegen ist, son­dern abgeschossen wurde, hat seinen spir­ituellen Raum ver­lassen müssen, um einem all­ge­meinen Übel ins Gesicht zu blick­en: Der Igno­ranz.

Frem­den­feindlichkeit, Willkür und Gewalt sind auf Tas­sili an der Tage­sor­d­nung. Hinzu kommt eine gelähmte, am Prof­it ori­en­tierte Bürokratie und eine herrschende Klasse, die lieber in einem ver­bar­rikadierten Turm in Milch badet, als sich um die drin­gen­den Prob­leme der Außen­welt zu küm­mern. Die Frage, ob bess­er die Men­schen oder die Werg das Uni­ver­sum regieren soll­ten, stellt sich also gar nicht.

Ob und wann Arzak in dieser Serie wieder über die Wüste geglit­ten wäre, bleibt offen. Sein Ver­such, Ord­nung im Uni­ver­sum herzustellen, ist ohne Abschluss. Das Gle­ichgewicht zwis­chen Traum und Real­ität, zwis­chen Unter­be­wusst­sein und Bewusst­sein, das ist jet­zt an uns, den Lesern. Moe­bius geht das Ganze nichts mehr an. Er ver­ließ diese Welt am 10. März 2012.

Arzak – Der Raumver­mess­er
Szenario und Zeich­nun­gen: Moe­bius
[Ama­zon Part­ner­link]

Weit­ere Links:
Die franzö­sis­chsprachige Web­seite von Moe­bius
Ein arte-Beitrag über Moe­bius auf YouTube

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