Die letzte Nacht

Tino Hanekamp feiert in »So was von da« die letzte Party

So was von leer: Die letzten Seiten von "So was von da"

Wer kennt das nicht: Man sieht den Trai­ler und denkt sich »Den Film muss ich sehen«. Und dann guckt man ihn und stellt fest, dass im Trai­ler bereits alle guten Sze­nen ver­bra­ten wur­den. Ähn­lich ist das mit »So was von da« von Tino Han­ekamp. Da ste­hen Sät­ze auf dem Buch­de­ckel, die man lie­ben muss, Sät­ze wie »Ich befürch­te, ich bin wach.« Oder: »Mat­hil­da hat mir die Lie­be ver­saut.« Oder: »Alle den­ken immer nur an sich, nur ich nicht. Ich den­ke an sie.« Oder: »Heu­te ist die letz­te Nacht. Heu­te noch, und dann ist Schluss.« Groß­ar­ti­ge Sät­ze eben, und man hält die­ses Buch in der Hand und hat so rich­tig Lust, es in einem Schwung zu lesen.

Und dann tut man es. Und es »knallt gut los«, wie Udo Lin­den­berg auf dem Titel zitiert wird. Und dann hat man sie erlebt, die end­lo­se Sil­ves­ter-Par­ty – denn das Buch beschreibt die letz­te Nacht eines legen­dä­ren Abriss-Clubs – und ist leicht ver­ka­tert. Das liegt wahr­schein­lich zum einen am Sujet – immer­hin hat man nach der Lek­tü­re eine Nacht exzes­siv gefei­ert, gekokst, eksta­tisch getanzt und die gan­ze Wild­heit des Ham­bur­ger Kiez erlebt. Aber dann liegt es auch dar­an, dass das Buch mit etwa zehn lee­ren Sei­ten endet. Nun fragt man sich doch, ob man viel­leicht ein Män­gel­ex­em­plar erwischt hat. Oder ob die Rezen­si­ons­exem­pla­re mit Absicht so ver­schickt wer­den, damit man den Schluss nicht ver­rät. Oder ob man die­se Hip­ness und den Sinn dahin­ter ein­fach nicht ver­steht. Im Buch­la­den grei­fe ich ver­stoh­len ein Exem­plar des hier heiß ange­prie­se­nen Wer­kes. Und sie­he da: Auch dort, die letz­ten Sei­ten unbe­druckt. Und da wer­de ich ein biss­chen sau­er. Die Bot­schaft ist klar, die Geschich­te schrei­ben wir sel­ber wei­ter, ein unbe­schrie­be­nes Blatt, Asso­zia­ti­on über Asso­zia­ti­on. Ich mag Geschich­ten mit offe­nem Ende. Ich mag Geschich­ten mit Schluss. Aber die­ses »Hier habt ihr zehn lee­re Sei­ten, und nun denkt euch, was ihr mögt«, das mag ich nicht.

Was an die­ser Stel­le auf jeden Fall gesagt wer­den soll: Der Mann schreibt gut, komisch, leicht, manch­mal viel­leicht ein wenig zu sehr um Cool­ness bemüht. Am liebs­ten moch­te die Rezen­sen­tin die Lis­ten. »Wie man sich an einen Musik­club ver­schwen­det oder Anlei­tung zur Grün­dung einer Event Loca­ti­on mit cash-flow-fixier­ter Enter­tain­ment­gastro­no­mie und inte­grier­ter Work-Life-Balan­ce-Solu­ti­on« habe ich bestimmt gleich meh­re­ren Freun­den vor­ge­le­sen. Weil es gut ist, schlau und komisch. Eben­so die »Was in den nächs­ten neun­zig Minu­ten erle­digt wer­den muss«-Lis­te, die sich dann mun­ter durch die nächs­ten Kapi­tel zieht – und natür­lich erst Stun­den spä­ter erle­digt ist.

So was von leer: Die letz­ten Sei­ten von »So was von da«

Tino Han­ekamp hat mit einem Freund den Kult­club Welt­büh­ne gegrün­det, der abge­ris­sen wur­de. Heu­te ist er Mit­be­grün­der und Pro­gramm­lei­ter des »Uebel & Gefähr­lich, des bes­ten Musik­clubs der, äh, Welt«, wie es auf der ers­ten Sei­te über ihn heißt. Er hat Humor, einen gewis­sen Hang zur Selbst­iro­nie und er weiß, wovon er schreibt. Er ver­knüpft geschickt die Lebens­läu­fe sei­ner skur­ri­len Prot­ago­nis­ten, er schreibt über Ham­burg, Freund­schaft und Lie­be (die zu Mat­hil­da, die ihm die Lie­be ver­saut hat und in der Sil­ves­ter­nacht zurück­kehrt). Er weiß was er tut, er über­spitzt, kari­kiert und bedient sich geschickt ver­schie­de­ner Text­for­men. Bei sei­nen Sil­ves­ter­gra­tu­lan­ten-Sprü­chen fließt der Text in Herz­form, alles ist Lie­be, das sind hüb­sche klei­ne Gedan­ken, die den Leser erfreuen.

Nur lei­der stellt er sich nicht ein, der Sog, der auf der Innen­sei­te ange­kün­digt wird, der »den Leser mit der Geschwin­dig­keit einer Sil­ves­ter­ra­ke­te in den Him­mel« schießt. Klar, das Ding macht Spaß. Aber es mag der Ein­heit der Zeit gefor­dert sein, dem Tem­po, das es in einer ein­zi­gen Nacht durch­läuft, dass der scha­le Nach­ge­schmack bleibt, es krat­ze nur an der Ober­flä­che. Die Erde ist eine Schei­be aus Vinyl, und die Nacht ist ein Rau­schen. Wer dar­auf Lust hat, ist hier rich­tig. Wer das mag, ist dann wohl »so was von da«.

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