Disco No. 11

Impressionen von der Frankfurter Buchmesse 2011

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Rigi­ding­ri­gi­ding­ri­gi­di­gi­di­gi­ding – das jun­ge blon­de Mäd­chen mit der viel zu gro­ßen Bril­le skan­diert mit bei­den Zei­ge­fin­gern einen Dance­f­lo­or­fe­ger der Jahr­hun­dert­wen­de und schaut rhyth­misch ent­rückt. Etwas wei­ter vor­ne im Getüm­mel schreit SPIE­GEL-Kul­tur­chef Mat­thi­as Matus­sek dem Kisch-Preis-Trä­ger Alex­an­der Osang etwas ins Ohr. Der Wor­te sind an einem anstren­gen­den Mes­se­tag in Frank­furt genug gewech­selt und die Bücher­mäd­chen und die Jungs mit den Bär­ten und Nerd­bril­len wol­len tan­zen. Man sieht sogar Snea­k­ers zum Anzug – you’­re so Ber­lin, yeah! Wo sonst Frank­fur­ter Bank­an­ge­stell­te den Frust der Euro­kri­se weg­schüt­teln wol­len, im schi­cken »Vel­vet Club« fei­ert der Piper Ver­lag die Buch­mes­se. Es ist schon so, daß sich Form und Inhalt paaren.

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Es gibt ja die­se klei­nen Spiel­zeug­papp­din­ger, mit denen man Wor­te zusam­men­set­zen kann, zum Bei­spiel Schimpf­wor­te. Das sind dann 3 oder 4 klei­ne Räd­chen, an denen man dre­hen muß, damit sich in Fens­tern die Wort­tei­le zusam­men­set­zen. Dann kommt dabei so was Put­zi­ges raus wie »Blöd-stink-gesicht« oder Ähn­li­ches. Es ist höchst wahr­schein­lich, daß die Ver­la­ge, die die­se his­to­ri­schen Roma­ne Jahr für Jahr her­aus­brin­gen, sol­che klei­nen Papp­räd­chen für ihre Titel haben. Auf dem ers­ten Räd­chen ste­hen dann Din­ge wie »Die Frau«, »Der Weg« oder »Die Spur«, in der Mit­te ist dann die pas­sen­de Kon­junk­ti­on ein­ge­druckt, und dann kom­men die Signal­wor­te wie »Papst«, wahl­wei­se »Päps­tin« oder »Fal­ke«. Kann man gut pro­bie­ren: »Die Frau des Rit­ters« – exzel­lent! – »Die Frau des Paps­tes« – noch bes­ser! – »Der Weg der Päps­tin« – Erfolgs­ti­tel 2013.

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Manch einer mag sich noch an die »Edi­ti­on Suhr­kamp« erin­nern. Da erschie­nen dann Titel wie Theo­dor W. Ador­nos »Mini­ma Mora­lia« oder Tho­mas Bern­hards Novel­le »Ja«, und hübsch waren die Bänd­chen auch, der Schutz­um­schlag war vom Meis­ter Wil­li Fleck­haus selbst gestal­tet. Die Edi­ti­on hieß nach dem Ver­le­ger, der setz­te sei­nen guten Namen unter das Werk. Sozu­sa­gen eine signi­fi­kan­te Buch­rei­he. Heu­te ist die Hälf­te des Ran­dom House-Stan­des mit Pla­ka­ten einer »Edi­ti­on Hei­den­reich« tape­ziert. Da gibt dann ein plau­d­ri­ges Fern­seh­ge­sicht (»Mei­ne bei­den Lei­den­schaf­ten: Musik und Bücher«) sei­nen Namen für Titel wie »Der stum­me Pia­nist« und »Ich hän­ge im Trio­len­git­ter«.

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Die Mie­nen sind erwar­tungs­voll und die gut zwei Dut­zend Men­schen, in der Über­zahl Frau­en, bli­cken auf die Büh­ne eines ziem­lich gro­ßen Stan­des. Sind das etwa die glei­chen Bücher­mäd­chen, die in der Nacht zuvor im coo­len Vel­vet die Glie­der schwenk­ten? So ganz ist das nicht aus­zu­schlie­ßen, aber auch nicht nach­weis­bar, schließ­lich war es da ziem­lich dun­kel. Auf der Büh­ne steht ein drah­ti­ger Anfangs­fünf­zi­ger in einem sehr blau­en Hemd und hat ein Head­set auf. Es ist Robert Betz, das kann man auf den Tafeln lesen, die über­all hän­gen. Auf denen steht der Name und man sieht sei­nen Kopf. Das Head­set fehlt, dafür hat er eine Bril­le auf, auf dem Bild. Eines sei­ner Bücher heißt »Willst du nor­mal sein oder glück­lich?« Das Geschäft scheint zu lau­fen, so gro­ße Stän­de hat sonst Ber­tels­mann oder so. Der glück­li­che Herr Betz sagt wirk­lich erbau­li­che Din­ge: »Und wis­sen sie was, ich sage ihnen eins: Gefüh­le müs­sen gefühlt wer­den.« Das ist wirk­lich stark.

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Drei klei­ne Män­ner: Rein­hold Mess­ner ist ein ziem­lich klei­ner Mann, den man, flan­kiert von sei­nem Gefol­ge, im Getüm­mel fast über­sieht. Eugen Ruge ist auch recht klein, nur hat der kein Gefol­ge. Immer­hin hat er den Buch­han­dels­preis gewon­nen für sein spä­tes Debüt »In Zei­ten des abneh­men­den Lichts« bei Rowohlt.

Ein gefei­er­tes Buch, sprach­lich fein, aber wohl auch nicht so groß wie sei­ne Lor­bee­ren. Viel­leicht soll­te man das im HHF bespre­chen. An dem gera­de­zu win­zi­gen Stand des Ham­bur­ger Insti­tuts für Sozi­al­for­schung, der kaum mehr als eine Absei­te ist, sitzt ein wei­te­rer klei­ner Mann mit Bart und Bril­le. Es ist zwar selt­sam, aber Jan-Phil­ipp Reemts­ma zu pho­to­gra­phie­ren, ist unmög­lich. Zuviel Zurückhaltung.

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Ali­ce Schwar­zers bes­te Freun­din ist Mar­ga­re­te Mit­scher­lich, das erzählt sie Frank Schirr­ma­cher und einer gro­ßen Men­schen­trau­be am FAZ-Stand. Eva Mat­tes ist spä­ter dort, sie hat ein Buch geschrie­ben. Was wirk­lich schlimm ist, ist die­se unglaub­li­che Mat­te­sche Schau­spie­le­rin­nen-Aura, die auch noch im Zwi­schen­gang zu spü­ren ist. Wie auf der Büh­ne bei Peter Zadek damals, nur Jah­re spä­ter und näher dran.

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Ach, die­se Eng­län­der. Da haben sie zwar Jahr­hun­der­te die Welt kolo­ni­siert und ziem­lich vie­le Sachen mit nach Hau­se gebracht. Aber Geschmack haben sie. Der Direk­tor des Bri­tish Muse­um, Neil Mac­Gre­gor, trägt einen grau­en Anzug aus der Jer­myn Street, Maß­schu­he und ent­spricht auch sonst der Vor­stel­lung des bri­ti­schen Gen­tle­man. Er plau­dert gewitzt und gelehrt über sein denk­wür­di­ges Geschichts­buch »Die Geschich­te der Welt in 100 Objek­ten«, ein so dicker Wäl­zer, daß er nicht auf den Cof­fee-Table paßt. Wie Din­ge aus einem Muse­um ihre Geschich­te erzäh­len, ist bemer­kens­wert und war­um vor­her noch kei­ner auf die­se Idee gekom­men ist, verwunderlich.

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Kleist­jahr ist ja auch. Sogar im Fern­se­hen. Da gibt es einen Trai­ler auf 3Sat, der auf einen Kleist­film zum Todes­tag hin­weist. Schluß­bild: Ein Mann, wohl die Kleist­fi­gur, sitzt mit einem Lap­top im Baum, dazu Kleist­brie­fe aus dem Off. Manch­mal sind Spar­ten­ka­nä­le auch nicht das Wah­re. Wobei das anschließn­de Gespräch mit Adam Soboc­zyn­ski und Gün­ter Blam­ber­ger, bei­de mit Kleist­ti­teln auf der Mes­se, das rei­ne Ver­gnü­gen an Ken­ner­schaft und Elo­quenz ist, sogar Mode­ra­to­rin Tina Men­dels­ohn ist gut informiert.

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Zwei Tage nach der Piper-Par­ty pos­tet Mat­thi­as Matus­sek auf Face­book: »Was für ein schö­ner stil­ler Mor­gen!« Er ist in der Bene­dek­ti­ner­ab­tei Maria Laach.

Ein paar der mit­ge­brach­ten Bücher
[Ama­zon Partnerlinks]:

Eugen Ruge:
In Zei­ten des abneh­men­den Lichts
Eva Mat­tes:

Wir kön­nen nicht alle wie Ber­ta sein«:
Erinnerungen

Neil Mac­Gre­gor:
Die Geschich­te der Welt in 100 Objekten

Adam Soboc­zyn­ski:

Kleist. Vom Glück des Untergangs

Gün­ter Blamberger:
Hein­rich von Kleist: Die Biographie

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