Drei deutsche Männer am Fluß

Europäisches Liedgut – Axel Prahl, Götz Alsmann und Michy Reincke blicken in den Westen

Ein Blick nach Westen lohnt sich immer(Bild: © kristina rütten - Fotolia.com)
Ein Blick nach West­en lohnt sich immer (Bild: © kristi­na rüt­ten — Fotolia.com)

Wir in Deutsch­land haben es ja nicht so mit dem mod­erneren Liedge­sang. Der Deutsche hat seine Män­nerge­sangsvere­ine für die Vorgestri­gen, den Lie­der­ma­ch­er für die Gestri­gen und den deutschen Schlager­sänger (auch gestrig). Der Fran­zose hat nicht nur savoir vivre, die Basken­mütze, das Baguette und den Vin rouge, nein, er hat auch das franzö­sis­che Chan­son und seine Inter­pre­ten. Und so schielt man gern nach West­en, über unseren deutschen Rhein, denn da gibt es Gilbert Becaud, Charles Aznavour und Dal­i­da.

Aber deutschsprachiges Lieder­in­ter­pre­ten kom­men inzwis­chen auch hierzu­lande her­vor­ra­gend an, es gibt ja Her­bert Gröne­mey­er und den großen und den kleinen Udo. Das rockt und singt so vor sich hin und glück­licher­weise hört sich das nicht immer so unbe­holfen-ver­schwiemelt an wie bei dem aktuellen Chart­stürmer Tim Bendzko, dem offen­bar vor lauter  Sil­ben­drech­se­lei die Worte gän­zlich ent­glit­ten und dann “Wenn Worte meine Sprache wären” titelte – wenn denn wenig­stens Sprache seine Worte wären.

Inter­es­san­ter­weise haben sich in den let­zten Wochen drei Kün­stler, die unter­schiedlich­er nicht kön­nten, mit dem Lieder­sin­gen auseinan­derge­set­zt und auch Alben veröf­fentlicht. Um so erstaunlich­er ist, daß sie alle über den Fluß schauen, und sich ein jed­er von ihnen eine kleine Prise La France gön­nt. Voilá:

Der Schaus­piel­er
Viele Schaus­piel­er sin­gen gern, manche lauter, manche leis­er, und, da eine gewisse Scham­losigkeit zum Beruf und auch zur Dis­po­si­tion gehört, tun sie es fast auch alle. Das beliebte Brecht/Weil­l/Hol­län­der-Pro­gramm hat schon jed­er Zweitse­mestler an der Schaus­pielschule drauf. Lit­er­atur macht man auch mal gerne zur Gitar­ren­be­gleitung, irgendw­er raunt und klimpert immer wieder im Reper­toire herum und nen­nt es dann Chan­son.

Da bekommt man schon einen Schreck, wenn man auf einem Plat­ten­cov­er der Albumti­tel erstens einen bekan­nten Tatort-Kom­mis­sar mit absur­der Frisur zu sehen bekommt und zweit­ens den Titel “Blick aufs Mehr” lesen muß. Der Kalauer ist zum Glück eine Täuschung, die Frisur wohl ein Witz. Axel Prahl, um den es sich hier han­delt, gefällt sich ja vor allem im Fernse­hen in der Rolle des rauh­beini­gen Nord­deutschen mit Herz, daß er ein Meis­ter an dif­feren­ziertem Spiel sein kann, wie beispiel­sweise in den Fil­men Andreas Dresens, zeigt er in diesem Medi­um lei­der viel zu wenig. So ähn­lich kommt dann auch dieses deutsche Album daher, eröffnet mar­itim-schun­kel­nd mit “Reise, Reise” (für die nicht Nord­deutschen: das Wort hat nichts mit Reisekof­fern zu tun, son­dern kommt vom englis­chen “rise”).

Der musikalis­che Auftritt ist mehrteil­er­fähig, (dig­i­tal ver­murk­ste) Stre­ich­er, schmach­t­ende Oboe, schlim­mer Solo-Trompe­ten­sound, großes Wes­t­en­taschen-Kino – die Farbe bleibt kon­stant. Denkt man sich das Ganze analoger, unpro­duziert­er, und sieht dem Schaus­piel­er-Sänger mal diese, wohl Sin­nen­freudigkeit demon­stri­erende, etwas röhrende Bre­it­beinigkeit in Titeln wie “Ich bin nun mal so” nach, dann erin­nert man sich vielle­icht an das eine oder andere, was vielle­icht ein­mal in Fil­men wie “Die Dinge des Lebens” gehört haben mag – Chan­son du Ciné­ma. Es sind ein paar kleine Bal­laden (“Wieso bist du immer noch da”, “Weit­ergehn”), die den wenig grob­schlächti­gen Sänger Prahl zeigen, wo zwis­chen den selb­st­ge­tex­teten Zeilen so etwas wie Form und Wille zu sehen ist, wo ein kleines Gefühl glaub­würdig wer­den kann, wo das starke Tal­ent eines Gestal­ters wahrzunehmen ist und Geschicht­en erzählt wer­den. Lei­der sind diese feineren Num­mern in der Min­derzahl, Schram­mel­gi­tar­ren kom­men da schon öfter ins Spiel. Aber das Andere, das Feinere, bleibt hän­gen, und das ist doch schon mal was für so eine Art Debüt-Album.

Der Enter­tain­er
Über­haupt kein Debü­tant, wed­er auf der Mattscheibe noch als Musik­er, ist Götz Als­mann. Auch er hat eine absurde Frisur zu zeigen, inzwis­chen ist die Tolle zum Marken­ze­ichen stil­isiert. Schon gar nicht schlecht ist der 54-jährige in der Ver­mark­tung sein­er Per­son und seines ver­i­ta­blen Kön­nens.

Als Enter­tain­er sucht er seines­gle­ichen, kaum jemand in der deutschen Fernsehland­schaft vere­int die Qual­itäten des Standup-Unter­hal­ters mit musikalis­chen Fer­tigkeit­en, Wortwitz und Kla­mauk­fähigkeit sind beachtlich und er ist eine großer Fre­und und Ken­ner deutschsprachiger Unter­hal­tungsmusik. Die spielt dies­mal “In Paris”, Als­mann hat sich eine ganze Rei­he deutsche Traduk­tio­nen franzö­sis­ch­er Klas­sik­er mund­fer­tig gemacht – von Charles Trenets “La Mer” bis Charles Aznavours “Tu t’ laiss­es aller”.

Das ist an und für sich ein char­mantes Unter­fan­gen, ganz wie man es von dem umtriebi­gen TV-Men­schen Als­mann erwarten kann. So char­mant aber, wie das ganze daher kommt, so inhalt­sleer ist es dann auch. Munter klimpert die Marim­ba, der Sänger singt geschmei­dig, und das passiert durchs ganze Album. Götz Als­mann ist alles, aber er ist kein Inter­pret.

Beson­ders deut­lich wird das bei Titeln wie “Tu t’ laiss­es aller” – auf deutsch “Du läßt dich gehen”. Alles was da ein­mal an Brüchen in Text und Musik drin war, versinkt da in relax­ter Lati­no-Barpi­ano-Sauce. Schat­ten gibt es da allen­falls im gedämpften Piano, der Ges­tus bleibt so nett wie wohl dieses ganze Album gemeint ist. Nicht ein­mal die Suche nach ein­er irgend­wie intendierten iro­nis­chen Dis­tanz ist für den geneigten Hör­er erfol­gre­ich. Gefäl­lig ist das zwar, warum aber dann deutsche Texte, wenn man eh nicht hin­hören mag?

Der Sänger
Wie das anders geht, zeigt der Ham­burg­er Pop­musik­er Michy Reincke, seit Jahrzehn­ten im Geschäft, seit Jahren eher in Ken­nerkreisen bekan­nt und ein biss­chen erfol­gre­ich. Ein bißchen weit­er hin­ten in der Playlist seines Albums mit dem putzi­gen Namen “Der Name kommt mir nicht bekan­nt vor” find­et sich ein Titel mit dem Namen “Himm­lis­che Felder”. Dahin­ter ver­birgt sich nichts anderes als Joe Dassins “Aux Champs Ely­sees”, daß schon 1969 von Hans Bradtke (“Pack die Bade­hose ein”) einen deutschen Text ver­paßt bekom­men hat. So ganz ohne ger­man­is­chen Holzham­mer dichtet Reincke die Verse um, baut eine Rem­i­niszenz an seinen großen Hit “Taxi nach Paris” ein: “Ich kam mit dem Taxi und hat­te nicht genug Kies”, viel schn­od­driger ist das Ganze als der Schlager­text von einst. Eine Hom­mage an eine Straße, eine Stadt, an eine Frau, an eine Erin­nerung.

Im Geschicht­en­erzählen ist Reincke nicht der Schlecht­este, das musikalis­che Sto­ry­telling ist sein Meti­er. Gele­gentlich ver­fällt er in die Mythen des Pop, in “Nur um dich tanzen zu sehen” wird der schöne, olle Topos des wilden, unangepaßten Lebens beschworen, von der graue Bankangestellte träu­men mögen: “Komm wir tre­f­fen uns auf dem Dach, machen ein bißchen Krach, drehen die Regler auf 10 …”. Das ist sicher­lich ein biss­chen ein­fach und schon hun­dert­fach da gewe­sen. Aber es ist hüb­sch gemacht und schmiegt sich musikalisch an. Ist eben Pop­musik.

Eben­so hüb­sch gemacht ist auch der Open­er des Albums “Erzähl mir nicht …”. Eine Großs­tadt­geschichte, die Begeg­nung zweier Beziehungslos­er, smart und fein im Dia­log erzählt. Hier find­en wir den Philipp-Sarde-Ges­tus, den großen musikalis­chen Bogen, der bei den dig­i­tal­en Arrange­ments auf dem Prahl-Album nur zu ahnen war, warm, far­big und hym­nisch wieder. Und da wird der Nord­deutsche Reincke franzö­sis­ch­er, inspiri­ert­er und auch eine kleines bißchen gröss­er als all die Bemühun­gen der Kol­le­gen. Und dann schre­it­en die im besten Sinne alt­modis­che Pop­musik, der deutsche Liedge­sang und das Paris­er “Olympia” Seit an Seit. Geht doch – Douce Alle­magne.

Axel Prahl: Blick aufs Mehr [Ama­zon Part­ner­link]
Götz Als­mann: In Paris [Ama­zon Part­ner­link]
Michy Reincke: Der Name kommt mir nicht bekan­nt vor [Ama­zon Part­ner­link]

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