Ein Stück Brisanz ohne Brisanz

"Porgy and Bess" als Sommergastspiel des Harlem Theatre an der Staatsoper Hamburg

Großer Auflauf, große Geste. THE GERSHWINS’ ® PORGY AND BESS℠ - Bild: Luciano Romano

Es ist eine Oper von ech­ter Bri­sanz, die Gershwin mit »Por­gy and Bess« sei­nem Publi­kum 1935 vor­setz­te. Ras­sen­kon­flik­te, Dro­gen­sucht, sexu­el­le Abhän­gig­keit – allein damit dürf­te er sei­ne Zuschau­er damals über­for­dert haben. Auch musi­ka­lisch muss das Stück über das leich­te Mäd­chen Bess und den ver­krüp­pel­ten Bett­ler Por­gy ein Wag­nis gewe­sen sein. Mit leich­ter Hand ver­webt Gershwin hier spät­ro­man­ti­sche Opern­klän­ge mit den Blues‑, Swing- und Gos­pel­ein­flüs­sen der Dreißigerjahre.

Als Gershwin der Roman »Por­gy« von Edwin DuBo­se Heyward Mit­te der Zwan­zi­ger­jah­re in die Hän­de fiel, hat­te er schon lang eine Oper über das Leben der Schwar­zen im Sinn. Gershwin war in Har­lem auf­ge­wach­sen und tief in der Rag­time- und Jazz-Sze­ne ver­wur­zelt. Aller­dings arbei­te­ten Heyword und sei­ne Frau zu die­ser Zeit an einer Thea­ter­fas­sung des Stof­fes mit, sodass Gershwins Ver­su­che, sich die Rech­te zu sichern, zunächst im San­de ver­lie­fen. Als er sich dem Unter­fan­gen erneut zuwand­te, waren fast sie­ben Jah­re ver­gan­gen. Schließ­lich schrieb Heyword, die Opern­rech­te sei­en »frei ver­füg­bar« und erar­bei­te­te gemein­sam mit Gershwin das Libretto.

Die Arbeit an »Por­gy and Bess« soll­te drei Jah­re dau­ern. Gershwin schrieb gro­ße Stü­cke der Oper in Charles­ton Caro­li­na, wo er zur Inspi­ra­ti­on Kir­chen, Nacht­clubs und Got­tes­diens­te besuch­te. Und lang­sam nahm die Sze­ne­rie der »Cat­fi­sh Row« For­men an. Obwohl die ers­te Insze­nie­rung der Oper in New York 124 Vor­stel­lun­gen erleb­te, ver­lor die Pro­duk­ti­on das gesam­te Eigen­ka­pi­tal in Höhe von $ 70.000,–. Die Erfolgs­ge­schich­te von »Por­gy und Bess« nahm erst Anfang der Vier­zi­ger­jah­re ihren Lauf, als Gershwin bereits tot war; er ver­starb im Juli 1937 im Alter von nur 38 Jahren.

Ein Stück wie ein Don­ner­schlag. Da ist eine fest ein­ge­schwo­re­ne Dorf­ge­mein­schaft in der Cat­fi­sh Row, die sich mit Gott­ver­trau­en der Armut, Schick­sals­schlä­gen und einem Hur­ri­kan ent­ge­gen­wirft. Der geh­be­hin­der­te Por­gy wird hier inte­griert und geschätzt, nicht aber das leich­te Mäd­chen Bess, das mit dem Schlä­ger­typ Crown ein unste­tes Dro­gen­le­ben führt. Als Crown in einem Hand­ge­men­ge einen Dorf­be­woh­ner erschlägt und Bess mit­tel­los wird, reicht der Bett­ler Por­gy ihr die Hand. Eine Lie­be, die hoff­nungs­voll beginnt, aber letzt­lich kei­ne Chan­ce hat – zu stark ist die Anzie­hungs­kraft, die der geflo­he­ne Crown auf Bess aus­übt, und die Macht der Drogen.

Was aber pas­siert heu­te mit einem Werk die­ses Erbes? Das Har­lem Theat­re spielt seit zwan­zig Jah­ren die­sel­be Insze­nie­rung, mit der sie jetzt in der Ham­bur­ger Staats­oper gas­tiert. Moreni­ke Fad­ayo­mi als Bess und Patrick Black­well als Por­gy lie­fern – eben­so wie das gesam­te Ensem­ble – gesang­lich höchs­tes Niveau. Die Büh­ne ist ein natu­ra­lis­ti­scher Nach­bau eines ärm­li­chen Süd­staa­ten-Fischer­dor­fes und stets bevöl­kert. Immer wird hier gefegt, etwas auf- oder abge­räumt, ein Fischer­netz geflickt oder gewür­felt. Ein klein­tei­li­ger Natu­ra­lis­mus, der dem Stück nicht gut­tut, son­dern von der Kon­zen­tra­ti­on auf die Haupt­hand­lung ablenkt.

Gershwins Monu­men­tal­werk heu­tig zu insze­nie­ren, ist qua­si unmög­lich. Der Kom­po­nist selbst hat­te sehr genaue Vor­stel­lun­gen. Die Oper dür­fe nur mit afro­ame­ri­ka­ni­schen Sän­gern besetzt wer­den, schrieb er. Sämt­li­che Kleinst­hand­lun­gen sind musi­ka­lisch durch­kom­po­niert. Sei­ne Erben sank­tio­nier­ten ledig­lich die Ori­gi­nal­ver­si­on, die auch kei­ne Ände­run­gen im Regie­kon­zept zulässt. So ver­ständ­lich die Bemü­hun­gen der Erben in Bezug auf Werk­treue sind, da sie das Gedan­ken­gut des Kom­po­nis­ten schüt­zen möch­ten: Man wird schnell müde, dem regen Trei­ben und „Stum­me Jule“-Spielen auf der Büh­ne zuzu­se­hen. Die Insze­nie­rung ist zwan­zig Jah­re alt, und das sieht man ihr lei­der an. Wie gut täte es dem Stoff, die­se Regu­la­ri­en zu lockern!

Nichts­des­to­trotz: Musi­ka­lisch agiert das Ensem­ble und Orches­ter unter der Lei­tung von Wil­liam Bark­hy­mer auf höchs­tem Niveau. Und Jazz-Klas­si­ker wie »Sum­mer­ti­me«, »I Got Ple­nty o´ Nut­tin´«, oder »I Loves You, Por­gy«, die Gene­ra­tio­nen von Musi­kern inspi­rier­ten, im Ori­gi­nal­kon­text zu hören, lohnt sich ja irgend­wie immer.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*