Ich kenn den aus dem Fernsehen – das ist Prominenz. Alle wollen bekannt und reich und schön werden. Wenn es denn geschafft ist, man “Comedian” oder “Popstar” oder etwas Ähnliches ist, wenn der Ruhm auf dem Höhepunkt ist oder auch schon ein bisschen Blässe zeigt, dann wird es Zeit ein Buch zu schreiben. Memoiren sind da gut (auch bei 18-Jährigen) oder Wanderbücher. Oder man macht was zum Thema der jeweiligen Sendung, da muss sich der Käufer nicht weiter umstellen. Nun könnte man auf die Idee kommen, Jon Flemming Olsen, der Sidekick Olli Dittrichs in “Dittsche” sei so einer dieser Zweitverwerter. Bekannt geworden im Fernsehen als Imbisswirt Ingo, hat Olsen ein Buch veröffentlicht, das sich mit Imbissen beschäftigt. Was ja nach dem beschriebenen Muster auch schlüssig sein müsste.
So ist es aber nicht. Schon der Titel lässt ein wenig stutzen. “Der Fritten-Humboldt” – das klingt beim ersten Lesen nach einem Imbissführer, den der Pseudowirt geschrieben hat, aber “Humboldt”? Der Humboldt, Alexander von Humboldt? Der deutsche Entdecker, der durch Amerika reiste? Das klingt nicht nach Fernsehunsinn.
Olsen ist durch Deutschland gereist, hat in jedem Bundesland einen Imbiss besucht und sich jeweils für einen Tag als “Praktikant” anstellen lassen. Was eigentlich eine hübsche PR-Idee für das TV-Format “Dittsche” sein könnte – aber hier täuschen wir uns wieder.
Das Buch ist, so sehr man geneigt ist, sich vom Vorurteil leiten zu lassen, eine echte Überraschung. Es geht nicht um Wertungen für Currywürste, sondern oft wirklich um die Wurst – in den Geschichten, die Jon Flemming Olsen aus den Imbissen erzählt. Es geht um die Biographien der Wurstverkäufer, Frittendamen und Schnitzelesser, und die sind selten wahrhaft komisch. Die Texte sind mit allen Tugenden der Sozialreportage versehen, genau beobachtet, mit Interesse an den Menschen und ihren Lebensumständen. Sie sind auch nie ganz unbeteiligt, gelegentlich auch mit einem gesunden Hang zu Pathos und Sentimentalität bedacht. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte von Hannes, der aus dem KZ geflohen ist und nun Dauergast im Imbiss ist. Oder von Ivanka und Irene, die im Winter den Parkplatz um ihren Imbisswagen mit der Schaufel bis zur Erschöpfung vom Schnee zu befreien versuchen, während ihr Chef zu Hause ist. Olsen schreibt über jene Soziotope, die zwischen freiem Unternehmertum und gesellschaftlicher Randexistenz entstanden sind. Raum für die Grotesken des Alltags, die regionalen Absonderlichkeiten gibt es natürlich auch. Der Autor lernt und berichtet – wie altmodisch. Es ist wohl das, was man als einen humanistischen Ansatz bezeichnen könnte – der andere Humboldt-Bruder hat wohl auch etwas mit dem Buch zu tun.
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