Am dritten und letzten Tag: Während sich Nino Haratischwili bemühmt, zu erklären wie man Stalin in einen Roman unterbringen kann, was ihr auch überzeugend gelingt, gellt ein Schrei durch die Halle.
Ein paar Gänge weiter ballt sich eine Traube von Messebesuchern um den sehr, sehr kleinen Stand des ebenso kleinen Berliner Avant-Verlages, ein maskierter Mann in einem halb zerfetzten Ringer-Einteiler turnt in dem kleinen Abteil herum, schlägt heftig auf eine Gitarre ein, gibt röhrende Bluesverse von sich, wirft sich auf den Boden.
Der bizarr anmutende Auftritt scheint gar nicht mehr aufhören zu wollen. Der Mann mit der Maske ist der finnische Graphic-Novel Autor Petteri Tikkannen, der hier auf der Messe sein neues Buch “Blitzkrieg der Liebe” vorstellt. Messeschwerpunkt Finnland – wer erinnert sich noch an “Lordi”? Eben.
Ein paar Stunden später gibt es in derselben Halle auch eine Performance junger finnischer Autorinnen. Maria Matinmikko rezitiert und führt anschliessend eine Art Ausdruckstanz vor. Sie kultivieren das Wunderliche recht gut hier, die Finnen. Und ziemlich sympathisch.
Indessen kann man mit Andreas Altmann (“Verdammtes Land”) erleben, wie anstrengend eine Lesung für den Autor sein kann, so sehr umklammert er sein Buch. Messe-Liebling Thomas Piketty (“Das Kapital im 21. Jahrhundert”) erklärt in 10 Minuten die Finanzkrise, ist charmant und ausserdem Franzose. Jaron Lanier weiß irgendwie was über Micro-Payment als Lösung für das Internet und trägt stets eine Sitar in einer schwarzen Hülle mit sich, von der deutsche Messebesucherinnen vermuten, es könne sich beim Inhalt auch um ein Jagdgwehr handeln. Nun ja, jeder hat so seine Ängste.
Dabei ist dieser Tag so schlecht nicht, Harald Martenstein zelebriert zu relativ früher Stunde, um halb elf, zum wiederholten Mal seine “Morgenmesse” mit bereits bekannten, eleganten Texten und zum Mittag gibt es Rentiergulasch mit Kartoffelstampf, danach Blaubeerkuchen. Ein gezeichneter Fisch wird an eine Stange herumgetragen, Kinder dahinter. Messeschwerpunkt Finnland.
Katja Kessler signiert und dort, wo einst die grossen Druckmaschinenhersteller prächtige Stände hatten, tummeln sich nun die iPad-Aussteller, die alle irgendwas mit “Dot” oder “Book” im Namen tragen. An einem Stand steht “Daten sind Adrenalin für den Kopf” – da hat wohl jemand aus dem Marketing das mit den Büchern nicht so richtig verstanden. Was sagte noch gestern Ulrich Raulffs über die Wichtigkeit der “Träger” des Inhalts?
Inhalte gibt es auf dieser Messe, immer noch, und allem E‑Book-Geunke zum Trotz. Heinrich August Winkler stellt einen weiteren Band der “Geschichte des Westens” vor und zeigt, daß der souveräne deutsche Hochschulprofessor zum Glück noch nicht ausgestorben ist. Raja Alem aus Saudi Arabien ist nicht verschleiert und straft Klischees mit Lügen, was in Zeiten wie diesen nicht ohne Belang ist. Und versteht sich gut mit ihrer Übersetzerin Friederike Mast.
Am Ende bleiben wie gewohnt nur 5 Minuten. Heute auch mit jemandem, der zum Gelingen so einer Messe beiträgt. Aufnahmeleiter Patrick Lammer vom ZDF macht den Rhythmus am beliebten Blauen Sofa und hat ein “Ende”-Schild, damit Moderatoren nicht ständig auf die Uhr sehen müssen. Für uns hat er das Schild auch. #fmb14. Ende.
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