Seit einiger Zeit findet man in Hamburg Plakate mit der Aufschrift: “Das Orchester der Elbphilharmonie – Das NDR Symphonie-Orchester”. Das erscheint uns eigentümlich.
Schaut man auf die Seite www.elbphilharmonie.de, sieht man es: Es gibt in Hamburg nur noch Elbphilharmonie-Konzerte, Elbphilharmonie-Spielstätten und anscheinend auch Elbphilharmonie-Künstler. Werberisch sicher ein guter Schachzug, eine Marke zu etablieren, die es eigentlich noch nicht gibt.
Der Bau steht unvollendet, die Fertigstellung ist ungewiss. Es wird zwar ein Richtfest gefeiert, das die baldige Eröffnung suggeriert, aber es gibt nichts zu feiern, denn man wird warten müssen, sehr lange warten müssen. Der ständig steigende Pegel des Finanzierungsvolumens ist schon Skandal genug, sowohl Kultursenatorin als auch der Erste Bürgermeister, die in die Verantwortung treten müssten, zucken mit den Schultern und sind völlig unverständlicherweise noch immer im Amt. Das ist nicht mehr verwunderlich, sondern komplett grotesk. Was muss eigentlich noch passieren, damit irgendjemand die Konsequenzen zieht? Aber so ist es wohl in Hamburg. Kultur- und Kulturpolitik ist zweitranging und offensichtlich nicht einmal wichtig genug für einen satten Skandal.
Schon sehr früh sind die Nebelschwaden der Markenkreateure aufgezogen, der Begriff wird seit der Grundsteinlegung heftig penetriert und die eventuelle Konkurrenz anscheinend gleichgeschaltet. Die ehrwürdige Laeiszhalle heißt nunmehr “Laeiszhalle Elbphilharmonie Hamburg”, genau der Spielort, der als nicht mehr ausreichend erklärt worden ist, um den Neubau unter anderem “künstlerisch” zu rechtfertigen. Geschickt gestreut wurde damals in diesem Zusammenhang, Hamburg würde alsbald in der musikalischen Bedeutungslosigkeit verschwinden, schaffe man nicht einen Auftrittsort für internationale Stars. In der unguten Laeiszhalle, in der in den vergangenen Jahrzehnten schon so mancher dieser internationalen Stars umjubelt wurde, finden nunmehr “Elbphilharmonie Konzerte” statt. Wie kann das sein?
Nun ist das großartige NDR Sinfonieorchester also auch noch das “Orchester der Elbphilharmonie”. Was kommt denn als nächstes? Wird die Staatsoper zur “Oper der Elphilharmonie”? Da capo al fine.
Die Frage muss erlaubt sein: Warum lassen sich all diese gut funktionierenden und eigenständigen Institutionen unter dieser dubiosen Dachmarke zusammenführen? Warum hinterfragt niemand diese Praxis? Warum muss ein renommierter Klangkörper von internationaler Bedeutung, wie es das NDR Orchester in den letzten Jahren geworden ist, gemeinsame Sache machen mit einem Projekt, über dessen Notwendigkeit man streiten darf und auch muss?
Ist das wirklich gut und wichtig für Hamburg, oder eher teuer und nichtig? Steckt dahinter etwa der mit Macht und Gewalt vorangetriebene Wunsch ein Prestigeareal, nämlich die hübsch zubetonierte Hafencity, mit “Kultur” zu füllen? Wird die “Tote Stadt” – und das ist sie bis dato, trotz aller Versuche, diese stadtplanerisch misslunge Anhäufung von Design-Architektur zu animieren – dadurch belebt, daß ein weiterer architektonischer Solitär errichtet wird? Wozu taugt dieser Bau? Darin soll der beste Klangraum Europas, wenn nicht der ganzen Welt (was für ein Kindertraumwort) entstehen. Ob das so sein wird, sei dahingestellt und bleibt abzuwarten. Aber das ist ein Plan, kein Konzept. Des weiteren wird ein Hotel (es gibt nämlich in Hamburg keine Luxushotels) in einzigartiger Lage dort einziehen. Und Wohnungen soll es auch geben. Von denen gibt es in der Hafencity auch kaum welche, zumindest nicht in der unmittelbaren Nähe.
Das ist alles ohne Beispiel – denkt man. Aber der Hamburger hat sei je auf seinen prestigeträchtigen Fortgang gepocht. Vergessen ist, daß auch dort, wo heute das Areal der neuen Hafencity beginnt, und dort, wo jetzt die beiden grossen Kaispeicher umgebaut worden sind – der eine in das prächtige, aber inhaltlich bedenkliche Maritime Museum des Peter Tamm, der andere in die Elphilharmonie – einst eine lebendiger und gewachsener Stadteil stand. Dessen Bewohner wurden umgesiedelt und die Flächen einfach planiert, daraus entstand der Freihafen und die heute nun schon museale Speicherstadt. Alles zum Wohle des Handels und Wandels der Hansestadt. Der Grund und Boden des Hafenareals hat also eine gewisse Tradition des Neuanfangs auf grossem Fuß.
Fassen wir zusammen: Erstens, der Investitionsskandal der Elbphilharmonie interessiert niemanden. Zweitens ist es dem Hamburger ziemlich egal, wie und welche Kultur gemacht wird, nur repräsentativ muss sie halt sein. Drittens: Der Zweck heiligt die Mittel. Fazit: Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm. So ist’s, gerade in Hamburg. Ist das nicht entsetzlich, daß das wirklich so ist?
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