In letzter Minute

Geschenktipps aus der Redaktion

Um Schnee und Weihnachtsbaum müssen Sie sich schon selber kümmern. Wir haben nur Geschenketipps fürs Fest.

Es ist nicht mehr lang bis Weih­nach­ten, die Geschen­ke sind fast alle schon gekauft. Für die­je­ni­gen, die noch nicht alles zwei Mona­te im Vor­aus besorgt haben, haben wir die­se Tipps zusam­men­ge­stellt. Hier lesen Sie, was unse­re Redak­teu­re an Erbau­li­chem, Schö­nen und Erstaun­li­chem für den Gaben­tisch zusam­men­ge­stellt haben, damit die Aus­wahl leich­ter fällt.

Unse­re Kul­tur- und Thea­ter­spe­zia­lis­tin Nata­lie Fin­ger­hut hat einen Roman ausgesucht:

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Es gibt sie, die­se Bücher, die man nicht mehr weg­legt, bevor die letz­te Sei­te gele­sen ist. Rolf Dobel­lis Roman »Mas­si­mo Mari­ni« ist so eines. Ein enor­mes Tem­po legt der Schwei­zer Autor vor, um sei­nen rasan­ten, teils monu­men­ta­len Plot zu ent­wi­ckeln. Und der hat es in sich. Der Titel­held ist ita­lie­ni­sches Ein­wan­de­rer­kind, einst in einem Kof­fer über die Gren­ze geschmug­gelt. Er wird eine Ent­wick­lung vom Aus­maß eines anti­ken Dra­mas durchmachen.

Poin­tiert schil­dert Dobel­li den Auf­stieg des ita­lie­ni­schen Gast­ar­bei­ter­sohns in den 1950er-Jah­ren, der im kras­sen Kon­trast zur Schwei­zer Ober­schicht steht, in die Mari­ni sich hoch­ar­bei­tet. Im Vor­über­ge­hen zeich­net Dobel­li dabei einen Gesell­schafts­ro­man: Die Zür­cher Jugend­un­ru­hen in den 80er-Jah­ren, die Bon­ner Demons­tra­tio­nen gegen die Nach­rüs­tung im Zuge des Nato-Dop­pel­be­schlus­ses, phi­lo­so­phi­sche oder bau­tech­ni­sche Inhal­te streift Dobel­li nur.

Dass dabei die The­men nur ange­ris­sen wer­den kön­nen, tut der exzel­len­ten Dra­ma­tur­gie kei­nen Abbruch. Sie sind ledig­lich star­ker Rah­men für ein Dra­ma, aus dem es für kei­ne der Figu­ren ein Ent­kom­men gibt. »Mas­si­mo Mari­ni« ist ein fes­seln­der Unter­hal­tungs­ro­man, den Sie blind ver­schen­ken kön­nen. Versprochen.

Rolf Dobel­li: Mas­si­mo Mari­ni, Roman, 384 Sei­ten, gebun­de­ne Aus­ga­be, Dio­ge­nes, Preis: Euro 21,90 [Ama­zon Partnerlink]

HHF-Grün­der Mat­thi­as Schu­mann hat sein Ohr fast ganz an einen jun­gen Sän­ger ver­lo­ren, der einen bekann­ten Namen trägt:

MYR012_OCard_Pantone.inddMan kennt das ja, die die gro­ßen Ten­or­ges­ten, die dicken Män­ner oder die smar­ten Latin Lover, die auf der Büh­ne bril­lie­ren und am bes­ten noch auf den roten Tep­pi­chen foto­gra­fiert wer­den. Das wird bei gro­ßen Plat­ten­fir­men gern gese­hen, und schnell wird ein jun­ger, hüb­scher Mann mit pas­sa­bler Stim­me zum neu­en Super­star der Gesangskunst.

Meis­tens sind die Debü­tan­ten im Mar­ke­ting-Deutsch schon fer­ti­ge »Gro­ße Künst­ler« und angeb­lich früh­voll­ende­te Genies, nach ein paar Jah­ren sind die Stim­men flach und der nicht mehr ganz so jun­ge Star trifft die größ­ten Pop­künst­ler sei­ner Zeit, um die Kar­rie­re fortzusetzen.

Aus­drück­lich kein behaup­te­ter Star hat hier sein CD-Debüt abge­lie­fert, obgleich er einen gro­ßen Namen trägt. Es ist Juli­an Pre­gar­dien, der in die Fuß­stap­fen sei­nes berühm­ten Vaters Chris­toph tritt. Das Album »An die Gelieb­te« geht den lau­ten Weg nicht, es behaup­tet nichts, es macht ein State­ment einer ande­ren, behut­sa­me­ren Art. Man erlebt einen jun­gen, noch nicht voll­ende­ten Künst­ler auf dem ers­ten Schritt sei­ner Kar­rie­re. Manch­mal unge­stüm, manch­mal suchend, mit fei­nem Ton und doch vol­ler Schmelz arbei­tet er sich durch das nicht ganz so prä­sen­te Reper­toire roman­ti­schen Liedgutes.

Bewusst wer­den die ganz gro­ßen Blei­ge­wich­te ver­mie­den, kein »Lin­den­baum« und kein »Lei­er­mann«, aber dafür die viel weni­ger zu hören­den, hoch expres­si­ven Wolff­schen »Möri­ke-Lie­der« oder Richard Straus­sens lyri­sche »Mäd­chen­blu­men«. Mit dabei ist Chris­toph Schnackertz als unter­stüt­zen­der Pia­nist. Wie schön, ein­mal die Ent­ste­hung eines Sän­gers mit­er­le­ben zu kön­nen und Ent­wick­lun­gen vor­aus­zu­ah­nen. Nicht zu über­hö­ren ist im übri­gen auch die her­vor­ra­gen­de Pro­duk­ti­on, wie sie beim jun­gen und schon 3‑fach Echo-prä­mier­ten Label myri­os clas­sics schon fast zur Gewohn­heit gewor­den ist.

An die Gelieb­teJuli­an Pré­gar­dien, Tenor; Chris­toph Schnackertz, Pia­no myri­os clas­sics MYR012 (1 SACD hybrid) – Preis: Euro 19,37 [Ama­zon Partnerlink]

Der Theo­lo­ge Hans-Jür­gen Bene­dict legt hat den Lite­ra­tur-Nobel­preis­trä­ger Patrick Modia­no für sich entdeckt:

GräserIch wür­de ein klei­nes Bücher­pa­ket mit drei Roma­nen von Patrick Modia­no schnü­ren und dann noch sei­ne neu­es­te Erzäh­lung Grä­ser der Nacht als Hör­buch (gele­sen von Ulrich Matthes) hin­zu­ge­ben. Ich geste­he, auch ich habe Modia­no vor der Ver­lei­hung des Nobel­prei­ses nicht gele­sen. Umso wun­der­ba­rer, dass ich das jetzt nach­ho­len und dabei schö­ne melan­cho­li­sche Lese­er­fah­run­gen machen kann. Denn: »Leben heißt, beharr­lich einer Erin­ne­rung nachzuspüren.«

Die­sen Satz von René Char setzt Modia­no sei­nem bio­gra­phi­schen Roman Fami­li­en­stamm­buch (in: Pari­ser Tri­lo­gie) als Mot­to vor­an. Und mit die­sem Satz ist das Schrei­ben von Modia­no auch tref­fend cha­rak­te­ri­siert. Er spürt immer wie­der sei­ner eige­nen und der Ver­gan­gen­heit sei­ner Prot­ago­nis­ten nach, wobei er bis ins Vor­ge­burt­li­che geht. Kurz nach Kriegs­en­de 1945 gebo­ren ist er der tiefs­ten Über­zeu­gung, ohne Krieg und Okku­pa­ti­on wäre er als Sohn eines jüdi­schen Emi­gran­ten und einer flä­mi­schen Schau­spie­le­rin nicht auf der Welt.

Zwei­tes Buch: Die Gas­se der dunk­len Läden. In dem Paris nach dem Zwei­ten Welt­krieg erin­nert sich ein Mann nicht mehr, wer er ist, begibt sich auf die Suche nach sich selbst, hat nicht mehr in der Hand als ein altes Foto und eine Todesanzeige.

In dem drit­ten Roman Das Café der ver­lo­re­nen Jugend wird das Geheim­nis einer jun­gen Frau namens Lou­ki, die ihrem Mann davon läuft, aus vier­fa­cher Per­spek­ti­ve erzählt und trotz­dem nicht auf­ge­löst. Mir war, als hät­te ich die­se Sze­ne geträumt, heißt es ein­mal in Grä­ser der Nacht. Selten habe ich die­se exis­ten­ti­el­le Erfah­rung so melan­cho­lisch, leicht, genau und geheim­nis­voll erzählt bekom­men wie bei Modiano.

Patrick Modia­no: Grä­ser der Nacht, gele­sen von Ulrich Matthes, 4 CD, Hör­buch Ham­burg, Preis: Euro 19,99 [Ama­zon Part­ner­link]Pari­ser Tri­lo­gie, über­setzt von von Wal­ter Schü­ren­berg, suhr­kamp taschen­buch 4618, Bro­schur, 359 Sei­ten, Preis: Euro 10,00 [Ama­zon Part­ner­link]Die Gas­se der dunk­len Läden, über­setzt von Ger­hard Hel­ler, suhr­kamp taschen­buch 4617, Bro­schur, 160 Sei­ten, Preis: Euro 9,00 [Ama­zon Part­ner­link]Im Café der ver­lo­re­nen Jugend, über­setzt von Eli­sa­beth Edl, dtv, Bro­schur, 160 Sei­ten, Preis: Euro 8,90 [Ama­zon Partnerlink]

Die Fes­ti­valspe­zia­lis­tin und eif­ri­ge Musik­hö­re­rin Mila Heck­mann hat sich eine CD ange­hört, die ihrer Mei­nung zwin­gend auf den Gaben­tisch gehört. Der Name passt dann ja auch, »Geschenk«:

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Vor genau 30 Jah­ren ver­öf­fent­lich­ten Wham »Last Christ­mas«, und mit einer deut­schen Cover­ver­si­on die­ses unum­gäng­li­chen Weih­nachts­hits begrün­de­ten Erd­mö­bel im Jahr 2006 ihre eige­ne Tra­di­ti­on der Jah­res­end­lie­der. Auf die wohl­be­kann­te Melo­die tex­te­te Sän­ger Mar­kus Ber­ges »Weih­nach­ten ist mir doch egal« und mach­te dar­aus kei­ne pein­lich-ein­ge­deutsch­te Ver­si­on, son­dern etwas wie­der frei­wil­lig Hör­ba­res mit eige­nem Charme.

Das Köl­ner Quar­tett ver­zück­te dar­auf­hin all­jähr­lich zum Jah­res­en­de hin ihre Fans mit einem neu­en eige­nen Song samt dazu­ge­hö­ri­gem lie­be­voll insze­nier­tem You­tube-Video. End­lich gab es mal neue deut­sche Weih­nachts­mu­sik mit schlau­en, hin­ter­grün­di­gen Tex­ten auf guter Musik, die sich gegen den Ein­heits­brei der über­kitsch­ten musi­ka­li­schen Abscheu­lich­kei­ten abset­zen konn­te. Und dar­un­ter waren schon klei­ne Hits, wie das wun­der­bar läs­si­ge Bezie­hungs­du­ett »Lamet­ta« mit Maren Eggert. Auf »Geschenk« wur­de die Palet­te der sie­ben Songs, plus fünf wei­te­re Stü­cke, nun auf einer Plat­te versammelt.

Nun, so ganz ohne Kitsch geht es an Weih­nach­ten bei Erd­mö­bel auch nicht zu, denn es wird dann auch mal ein Kin­der­chor bei »Gol­de­ner Stern« zum Ein­satz gebracht, oder es wird roman­tisch bei dem blä­ser­durch­zo­ge­nen Duett »Weih­nach­ten in Tama­riu«“ mit Jem­ma Endersby.

Aber mit dem Kitsch bekommt man bei Erd­mö­bel auch immer ein Augen­zwin­kern mit­ge­lie­fert. Und wenn man ein Wort wie »iri­sie­ren« (»Rake­te zwi­schen den Jah­ren«) mühe­los und sinn­voll in einem Lied­text unter­brin­gen kann, dann bedarf dies auch beson­de­rer Aner­ken­nung: »Als vom Räum­dienst das Licht in den Bus­schei­ben bricht, und ihren Locken, haben wir getanzt, in den Heiz­kör­pern von Mur­mansk, als Schnee­flo­cken.« Da kann man schon mal an Weih­nach­ten sein Herz ver­lie­ren, wie bei »Wham«, oder?

Erd­mö­belGeschenk Jip­pie! (rough trade) – Preis: Euro 19,31 [Ama­zon Partnerlink]

Unse­re Kunst­re­dak­teu­rin Mela­nie Ucke emp­fiehlt gleich zwei Bild­bän­de aus ihrem Res­sort, die sie beson­ders beein­druckt haben:

Edward Dolnick_ Der Nazi und der KunstfälscherWer Inter­es­se an jün­ge­rer Kunst­ge­schich­te und Lust auf einen authen­ti­schen Kri­mi hat, soll­te sich die­sen Band nicht ent­ge­hen las­sen: Edward Dol­nick beleuch­tet die Geschich­te des hol­län­di­schen Kunst­fäl­schers Han van Mee­ge­ren, der in den 1930er-Jah­ren meh­re­re Bil­der schuf, die er als Wer­ke Ver­meers aus­gab und teu­er ver­kauf­te. Zu den Kun­den zähl­ten auch das renom­mier­te Muse­um Boji­mans van Beu­nin­gen und der kunst­ver­ses­se­ne natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Reichs­mar­schall Her­mann Göring… Nach der Ent­de­ckung des Betrugs muss der Hol­län­der einen Beweis sei­ner Unschuld lie­fern, um der Todes­stra­fe zu ent­ge­hen: Unter Auf­sicht malt er einen wei­te­ren (echt fal­schen) »Ver­meer«.

Edward Dol­nick: Der Nazi und der Kunst­fäl­scher. Die wah­re Geschich­te über Ver­meer, Göring und den größ­ten Kunst­be­trug des 20. Jahr­hun­derts. Aus dem Ame­ri­ka­ni­schen von Domi­nik Fehr­mann, 288 Sei­ten, mit s/w- und 30 far­bi­gen Abbil­dun­gen, Hard­co­ver mit Schutz­um­schlag, 2014 Par­t­has Ver­lag Ber­lin – Preis: 29,80 Euro [Ama­zon Partnerlink]

Maier_Monographie_648_NEUEin Kin­der­mäd­chen in den 1950er Jah­ren hat den beson­de­ren Blick für Men­schen und Situa­tio­nen: Vivi­an Mai­er (1926–2009) ging mit ihrer zwei­äu­gi­gen Roll­eiflex durch die Stra­ßen von Chi­ca­go als stil­le, unauf­dring­li­che Beob­ach­te­rin. 2007 wur­de ihr Archiv mit rund 150.000 Foto­gra­fien bei einer Zwangs­ver­stei­ge­rung zufäl­lig ent­deckt. Ein span­nen­des Oeu­vre der »Mary Pop­pins mit der Kame­ra« – es gibt viel Erstaun­li­ches zu sehen, und somit ist es der per­fek­te Bild­band, sich an grau­en Win­ter­ta­gen mit einem damp­fen­den Heiß­ge­tränk aufs kusche­li­ge Sofa zur Foto­sa­fa­ri durch die Groß­stadt Chi­ca­go zurückzuziehen.

Das Meis­ter­werk der unbe­kann­ten Pho­to­gra­phin 1926–2009. Die sen­sa­tio­nel­le Ent­de­ckung von John MaloofHrsg. von Howard Green­berg. Mit Tex­ten von Mar­vin Hei­fer­man und Lau­ra Lipp­man. Aus dem Eng­li­schen von Ursu­la Wul­fe­kamp. 288 Sei­ten, 233 Tafeln in Duo­to­ne und Far­be, gebun­den, Schirmer/​Mosel, Mün­chen – Preis: 58 Euro [Ama­zon Partnerlink]

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