Auf der quadratischen Mini-Bühne, die schräg mittig aufgebaut ist, sitzt Lady Macbeth auf einer Plastikkiste. Neben sich hat sie eine Waschschüssel mit schönstem Schaum vorbereitet. Über ihr wird ein glitzernder High Heel und die Schrift „Laundrette“ im Retro-Look projiziert. Lady Macbeth träumt vom Ruhm und von der Heimkehr ihres kriegerischen Mannes. „Oh schwindelerregende Macht, die Welt liegt mir zu Füßen“ wird sie später nach der Siegesfeier singen. Sie wird Kittel und Kopftuch gegen einen Leoparden-Junpsuit, einen mondänen Turban und dicke Klunker tauschen.
Lady Macbeth, herausragend gesungen und gespielt von Nobulumko Mngxekeza, ist Gattin eines aufstrebenden Milizenführers im Ostkongo. Der südafrikanische Regisseur Brett Bailey hat gemeinsam mit dem Belgier Fabrizio Cassol Verdis „Macbeth“ um fast die Hälfte gekürzt und in den kriegsgebeutelten Kongo verlegt. Dabei verwebt er die Handlung mit den Kriegsbiographien seiner ostkongolesischen Sänger. Zweimal werden ihre Namen mit scherenschnitthaften Kurzbiografien an die Rückwand über der Bühne projiziert. Die Brutalität und Unausweichlichkeit des Shakespeare-Stoffes tut ihr Übriges.
Perfide verknüpft Bailey die Gier nach Macht mit den Einwirkungen von außen. Immer wieder treten drei westlich gekleidete, weiß maskierte Männer als Motor und Movens der Handlung auf, während über Ihnen ein Logo in Diamant-Form und der Schriftzug „Hexagon“ an der Rückwand erscheint. Die westlichen Mächte sind es, die aus Macbeth (Owen Metsileng) und Banquo (Otto Maidi/ Ebenezer Sawuli) zu Beginn Krieger im Camouflage-Outfit machen. Sie sind es, die ihnen die Maschinengewehre in die Hand drücken. Ein klares und unmissverständliches Zeichen der westlichen Interessen am Krisengebiet Kongo. Denn das Land mit reichen Rohstoffvorkommen gilt es als eines der ärmsten der Welt.
Der stark reduzierte, fein aufeinander abgestimmte Chor aus sieben Sängerinnen und Sängern agiert als Volk, das die Texte für die grotesk tanzenden Businessmänner singt. „Investieren Sie in Afrika, gehören auch Sie zu den Gewinnern!“ lesen wir in der Übertitelung, während die Frauen mit Gewalt zum Singen der Zeilen gezwungen werden. Die Übertitel sind eine Mischung aus Original und moderner Umgangssprache, da steht schon mal „Fuck“ oder „krass“. Und Lady Macbeth bekommt die Nachricht über die Weissagung der Hexen selbstverständlich per SMS.
Nicht nur Sprache und Ensemblegröße hat das Leitungsteam verändert und angepasst, auch musikalisch muss Verdi passagenweise weichen. Afrikanische Rhythmen und Percussion liegen an Macbeth´ Machthöhepunkt unter dem Gesang des Chores, während die Instrumente schweigen. Marodierende Soldaten mit Pilotenbrillen und brutalen Posen bevölkern die kleine Bühne, während der Chor „Wir tanzen im Schatten, schwarz wie Blut“ singt. Es wird geraubt und geschändet, da hat die Musik nur noch gebrochen Platz. Die musikalische Bearbeitung hat Cassol übernommen, das „No Borders Orchestra“ agiert in reduzierter Besetzung mit zwölf Musikern unter der nuancierten Leitung von Premil Petrović.
Es gibt diese Bilder, die sich einbrennen an diesem Abend. Das Ehepaar Macbeth auf der Couch in feistem Reichtum mit palmwedelnden Sklaven. Ihr Hip Hop-Tanz nach der Ermordung Banquos, die Geilheit der Macht. Der Chor, am vorderen Bühnenrand, der Kleider Verstorbener ordnet und zu kleinen Stillleben arrangiert. Fotos ermordeter Afrikaner mit skurril verrenkten Gliedmaßen und starren Augen. Und selbstverständlich die Collagen, die, immer wieder an die Rückwand projiziert, Teil der Bühne werden.
Bailey weiß entschieden, was er mit der Inszenierung will, und sein Plan geht auf. Als der letzte Ton verklingt, bleibt es vor dem Applaus lange still. Man mag darüber streiten, ob einige Projektion wie die der Sängerbiographien den Abend womöglich in Teilen zum Betroffenheitstheater macht. Vielleicht hätte ein Hinweis im Programmheft genügt. Man kann Baileys Ästhetik mögen oder nicht. Unbestritten ist, dass sein Ensemble darstellerisch und musikalisch herausragend ist und die Inszenierung dieser 90-minütigen Macbeth-Kurzfassung niemand vergessen wird. Das Publikum steht beim Applaus. Und wer es bis dahin nicht getan hat, tut es spätestens, wenn die Freude der Sänger über diese Respektsbekundung alle von den Sitzen reißt.
wann und wo war die Veranstaltung und gibts das noch mal?
Die Produktion war als Gastspiel im Rahmen des Festivals WE DON´t CONTEMPORARY auf Kampnagel zu sehen. Sie wird weiterhin auf Festivals rund um die Welt touren und bestimmt noch mal in Deutschland zu sehen sein, davon bin ich überzeugt. Die aktuellen Termine dazu gibt es hier: http://thirdworldbunfight.co.za/macbeth/