Lady M. im Waschsalon

Verdi in 90 Minuten auf Kampnagel

Lady M. träumt von Macht und Geld. (Foto: HHF)

Auf der qua­dratis­chen Mini-Bühne, die schräg mit­tig aufge­baut ist, sitzt Lady Mac­beth auf ein­er Plas­tikkiste. Neben sich hat sie eine Waschschüs­sel mit schön­stem Schaum vor­bere­it­et. Über ihr wird ein glitzern­der High Heel und die Schrift „Laun­drette“ im Retro-Look pro­jiziert. Lady Mac­beth träumt vom Ruhm und von der Heimkehr ihres kriegerischen Mannes. „Oh schwindel­er­re­gende Macht, die Welt liegt mir zu Füßen“ wird sie später nach der Sieges­feier sin­gen. Sie wird Kit­tel und Kopf­tuch gegen einen Leop­ar­den-Junpsuit, einen mondä­nen Tur­ban und dicke Klunk­er tauschen.

Falsches Idyll im Hause Macbeth (Foto HHF)
Falsches Idyll im Hause Mac­beth (Foto HHF)

Lady Mac­beth, her­aus­ra­gend gesun­gen und gespielt von Nob­u­lumko Mngx­ekeza, ist Gat­tin eines auf­streben­den Milizen­führers im Ostkon­go. Der südafrikanis­che Regis­seur Brett Bai­ley hat gemein­sam mit dem Bel­gi­er Fab­rizio Cas­sol Verdis „Mac­beth“ um fast die Hälfte gekürzt und in den kriegs­ge­beutel­ten Kon­go ver­legt. Dabei ver­webt er die Hand­lung mit den Kriegs­bi­ogra­phien sein­er ostkon­gole­sis­chen Sänger. Zweimal wer­den ihre Namen mit scheren­schnit­thaften Kurzbi­ografien an die Rück­wand über der Bühne pro­jiziert. Die Bru­tal­ität und Unauswe­ich­lichkeit des Shake­speare-Stoffes tut ihr Übriges.

Per­fide verknüpft Bai­ley die Gier nach Macht mit den Ein­wirkun­gen von außen. Immer wieder treten drei west­lich gek­lei­dete, weiß mask­ierte Män­ner als Motor und Movens der Hand­lung auf, während über Ihnen ein Logo in Dia­mant-Form und der Schriftzug „Hexa­gon“ an der Rück­wand erscheint. Die west­lichen Mächte sind es, die aus Mac­beth (Owen Met­sileng) und Ban­quo (Otto Maidi/ Ebenez­er Sawuli) zu Beginn Krieger im Cam­ou­flage-Out­fit machen. Sie sind es, die ihnen die Maschi­nengewehre in die Hand drück­en. Ein klares und unmissver­ständlich­es Zeichen der west­lichen Inter­essen am Krisen­ge­bi­et Kon­go. Denn das Land mit reichen Rohstof­fvorkom­men gilt es als eines der ärm­sten der Welt.

Und es verdienen die Falschen. (Foto HHF)
Und es ver­di­enen die Falschen. (Foto HHF)

Der stark reduzierte, fein aufeinan­der abges­timmte Chor aus sieben Sän­gerin­nen und Sängern agiert als Volk, das die Texte für die grotesk tanzen­den Busi­ness­män­ner singt. „Investieren Sie in Afri­ka, gehören auch Sie zu den Gewin­nern!“ lesen wir in der Über­titelung, während die Frauen mit Gewalt zum Sin­gen der Zeilen gezwun­gen wer­den. Die Über­ti­tel sind eine Mis­chung aus Orig­i­nal und mod­ern­er Umgangssprache, da ste­ht schon mal „Fuck“ oder „krass“. Und Lady Mac­beth bekommt die Nachricht über die Weis­sa­gung der Hex­en selb­stver­ständlich per SMS.

Die einen plün­dern, die anderen lei­den. (Foto: HHF)

Nicht nur Sprache und Ensem­ble­größe hat das Leitung­steam verän­dert und angepasst, auch musikalisch muss Ver­di pas­sagen­weise weichen. Afrikanis­che Rhyth­men und Per­cus­sion liegen an Mac­beth´ Machthöhep­unkt unter dem Gesang des Chores, während die Instru­mente schweigen. Mar­o­dierende Sol­dat­en mit Piloten­brillen und bru­tal­en Posen bevölk­ern die kleine Bühne, während der Chor „Wir tanzen im Schat­ten, schwarz wie Blut“ singt. Es wird ger­aubt und geschän­det, da hat die Musik nur noch gebrochen Platz. Die musikalis­che Bear­beitung hat Cas­sol über­nom­men, das „No Bor­ders Orches­tra“ agiert in reduziert­er Beset­zung mit zwölf Musik­ern unter der nuancierten Leitung von Pre­mil Petro­vić.

Party beim Diktator (Foto HHF)
Par­ty beim Dik­ta­tor (Foto HHF)

Es gibt diese Bilder, die sich ein­bren­nen an diesem Abend. Das Ehep­aar Mac­beth auf der Couch in feis­tem Reich­tum mit palmwedel­nden Sklaven. Ihr Hip Hop-Tanz nach der Ermor­dung Ban­qu­os, die Geil­heit der Macht. Der Chor, am vorderen Büh­nen­rand, der Klei­der Ver­stor­ben­er ord­net und zu kleinen Stil­lleben arrang­iert. Fotos ermorde­ter Afrikan­er mit skur­ril ver­renk­ten Glied­maßen und star­ren Augen. Und selb­stver­ständlich die Col­la­gen, die, immer wieder an die Rück­wand pro­jiziert, Teil der Bühne wer­den.

Bai­ley weiß entsch­ieden, was er mit der Insze­nierung will, und sein Plan geht auf. Als der let­zte Ton verklingt, bleibt es vor dem Applaus lange still. Man mag darüber stre­it­en, ob einige Pro­jek­tion wie die der Sänger­bi­ogra­phien den Abend wom­öglich in Teilen zum Betrof­fen­heit­sthe­ater macht. Vielle­icht hätte ein Hin­weis im Pro­grammheft genügt. Man kann Bai­leys Ästhetik mögen oder nicht. Unbe­strit­ten ist, dass sein Ensem­ble darstel­lerisch und musikalisch her­aus­ra­gend ist und die Insze­nierung dieser 90-minüti­gen Mac­beth-Kurz­fas­sung nie­mand vergessen wird. Das Pub­likum ste­ht beim Applaus. Und wer es bis dahin nicht getan hat, tut es spätestens, wenn die Freude der Sänger über diese Respek­ts­bekun­dung alle von den Sitzen reißt.

2 Kommentare

    • Die Pro­duk­tion war als Gast­spiel im Rah­men des Fes­ti­vals WE DON´t CONTEMPORARY auf Kamp­nagel zu sehen. Sie wird weit­er­hin auf Fes­ti­vals rund um die Welt touren und bes­timmt noch mal in Deutsch­land zu sehen sein, davon bin ich überzeugt. Die aktuellen Ter­mine dazu gibt es hier: http://thirdworldbunfight.co.za/macbeth/

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