Lesetage, Tag 0: Mythos und Fässer

Die Region jen­seits der großen Auto­bahn ist ähn­lich weit ent­fer­nt für den Kern­ham­burg­er wie die Gebi­ete südlich der Elbe. An der großen Straße, die gen West­en führt, liegt ein­er dieser hüb­schen Mehrzweck­baut­en, die schuhkar­tonar­tig in jedes ländliche Gewer­bege­bi­et passen wür­den. Dieser hier birgt einen Büro­markt und eine Fil­iale eines Ham­burg­er Wein­händlers. In der Lager­halle riecht es ein wenig nach Wein, sicher­lich ist schon die eine oder andere Flüs­sigkeit im Estrich ver­sick­ert. Auf ein­er Empore über der Halle ist lose korbbestuhlt und die Tis­che eingedeckt, es wer­den Weine gere­icht zum Salon der Lese­tage. Die Autoren Moritz Rinke und Matthias Göritz sowie Bar­bara Heine, seit neun Jahren Pro­gramm­lei­t­erin des Fes­ti­vals sind umgeben von Büch­ern und wollen Autoren und Schw­er­punk­te aktueller Neuer­schei­n­un­gen und einzelne Gäste der fol­gen­den acht Fes­ti­val­t­age vorstellen. Sowas kann schnell in Pressekon­feren­zat­mo­sphäre ausarten, à la “fern­er hät­ten wir noch xyz im Pro­gramm” – das Trio auf drei Barhock­ern plaud­ert allerd­ings ziem­lich munter über das, was sie an Lit­er­atur inter­essiert und andere inter­essieren kann.

Das fängt schon an mit ein­er kurzen Leseprobe aus Moritz Rinkes “Nibelun­gen”, wie einst in der Schule, “mit verteil­ten Rollen” – Gun­ther am Hak­en sein­er Burg, von Brünnhilde aufge­hängt. Das ist ein ziem­lich lebendi­ger Ein­stieg und ehrt den Autor.

So viele gibt es nicht in der deutschsprachi­gen Lit­er­atur, die das kön­nen, mythis­che Stoffe zum mod­er­nen Gewand zu schnei­dern und dabei auch noch einen ziem­lich eige­nen intel­li­gen­ten Humor an den Tag zu leg­en. Rinke kann das als Autor und auch als Gesprächspart­ner. Es geht um Mythen, Helden und andere archais­che The­men, flott wer­den The­men und Büch­er gewech­selt, intu­itiv aus dem Stapel gegrif­f­en, hier ein Zitat einge­flocht­en und dort aus den Werken gele­sen – eine höchst amüsante lit­er­arische Jam-Ses­sion. Irgend­wann geht’s dann auch um Arno Geiger, ein klein­er Rauner des Erken­nens geht durch die Rei­hen. Das Über­raschungs­buch der laufend­en Sai­son sehen die Drei recht unter­schiedlich, von Kitsch ist die Rede und von Anrührung, ein biss­chen fühlt man sich an die alten Zeit­en der TV-Quar­tet­tbe­set­zung erin­nert, allerd­ings hier doch weitaus dünkel­freier als beim Vor­bild. Man merkt, hier sind drei Lit­er­aturken­ner und ‑lieb­haber unter­wegs, die Lust haben über ihr Meti­er zu reden und vor allem Andere daran teil­haben zu lassen.

In der let­zten Runde geht es vor allem um den Lit­er­aturbe­trieb und die Kri­tik – ein The­ma, über das bei­de Autoren kein Blatt vor den Mund. Da gibt es einige Ein­blicke in die Szene, deftige Beispiele von abschreiben­den Großkri­tik­ern und über die Seilschaften der Lit­er­atur­platzhirsche weiß vor allem Moritz Rinke zu bericht­en. Eine schöne Auf­tak­t­ses­sion, die in dieser Beset­zung eigentlich nach ein­er Fort­set­zung ruft. Vielle­icht ja im TV?

Abschliessend das “Real­Book” dieses Abends und die dazu passenden Ver­anstal­tun­gen:

Moritz Rinke: Die Nibelun­gen

Einar Kára­son: Versöh­nung und Groll
(am Son­ntag, den 10. 4. um 19:30 in den Ham­burg­er Kam­mer­spie­len bei den Lese­ta­gen)

Moritz Rinke: Der Mann, der durch das Jahrhun­dert fiel
(am Don­ner­stag, den 7. 4. um 19:00 Uhr im Eri­ka-Haus auf dem UKE-Gelände)

Hein­rich Heine: Deutsch­land. Ein Win­ter­märchen.

Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil.

Ian Mc Ewan: Solar.

Jonathan Franzen: Die Kor­rek­turen.

A. A. Milne: Pu der Bär.

Har­ald Marten­stein: Gefühlte Nähe.
(am Fre­itag, den 8. 4. um 19:00 auf Kamp­nagel, zusam­men mit Anna Depen­busch)

Wolf­gang Schömel: Die große Ver­schwen­dung.
(am Mittwoch, den 13. April um 19:00 Uhr im Elb­deck, Kehrwieder)

Anke Richter: Was scheren mich die Schafe.
(am Fre­itag, den 8. 4. um 19:00 bei Dr. Götze Land & Karte)

Juan Gabriel Vásquez: Die geheime Geschichte Costanagua­nas.
(am Dien­stag, den 12. 4. um 19:00 im Insti­tu­to Cer­vantes im Chile­haus –
mod­eriert vom Autor Matthias Göritz)

Matthias Göritz: Der kurze Traum des Jakob Voss.

Adri­ana Altaras: Titos Brille.
(am Mon­tag, den 11. 4. um 19:oo Uhr im War­burg Haus)

Silke Scheuer­mann: Shang­hai Per­for­mance.

Eduard von Hab­s­burg-Lothrin­gen: Wo Grafen schlafen. Was ist wo im Schloss und warum?
(am Dien­stag, den 12. 4. um 19:00 Ihr im Spiegel­saal des Muse­ums für Kun­st und Gewerbe)

Jon Flem­ming Olsen: Der Frit­ten-Hum­boldt.
(am Don­ner­stag, den 14. April um 20:00 Uhr in den Fliegen­den Baut­en – im Rah­men der Abschlussgala des Fes­ti­vals)

 

Trio mit vier Büch­ern: Göritz, Rinke, Heine (Bild: hhf)

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