Lesetage: Was bleibt. Was kommt?

Nun ist es vorüber, das 13. Lit­er­atur­fes­ti­val mit dem dieser Tage so schwieri­gen Namen. Was bleibt davon? Vor allem der Rück­blick auf eine Rei­he gelun­gener Abende, mit dem Ent­deck­en von Alt­bekan­ntem und Neuem. Da gab es zum Beispiel den Fernsehstar Char­ly Hüb­n­er (“Polizeiruf 110”), der als Vor­leser noch rel­a­tiv uner­fahren, im Laufe seines Abends mit dem isländis­chen Autor Einar Kára­son, sich zunächst vor­sichtig in die saftige Vor­lage nordis­chen Sagen­welt ein­tastete, dann aber immer sicher­er den Text sich zu eigen machte und den dann zu ein­er klaren, unprä­ten­tiösen und so wenig raunen­den Sache machte, dass es einem Angst und Bange wer­den kon­nte vor so viel Präzi­sion in der Fig­uren­ze­ich­nung und Sprache. Solche Ent­deck­un­gen sind immer­hin nicht häu­fig. Und es gab auch in diesem Jahr einen Lesungsabend, der sich erneut ein­er der Kehr­seit­en der bürg­er­lichen Gesellschaft zuwandte, dies­mal unter dem Titel “Wo Grafen schlafen …” – bunt unter die Leute gebracht vom Berlin­er Jour­nal­is­ten Kai Schächtele, der seinen adeli­gen Genossen und Buchau­toren, Eduard von Hab­s­burg-Lothrin­gen und Jeanette Beis­sel von Gym­nich vorteil­haft in Szene set­zte. Das schrammt am Boule­vard, ohne Frage. Aber es ist Unter­hal­tung, und zwar gute. Oder man erin­nere sich an die auch schon zum Fes­ti­val-Inven­tar gehörende Motto-“Nacht” – deren diesjähriger The­menkom­plex sich mit dem Topos des Unsicht­baren beschäftigte – von der nicht zu sehen­den Organ­istin bis hin zum Ver­schwinden des Geheim­a­gen­ten – bre­it­er kann Lit­er­aturver­mit­tlung kaum angelegt sein.

Das sind Konzepte, die sich in ihrer Lebendigkeit so weit von der her­metisierend-bil­dungs­bürg­er­lichen Lesungsszener­ie Autor – Lampe – Wasser­glas ver­ab­schiedet haben, dass man den auch in diesem Jahr anhal­tenden Erfolg des Fes­ti­vals nicht weit­er ver­wun­der­lich find­en kann – trotz aller Gegenkam­pag­nen. Um so schmer­zlich­er mutet dann all der Auf­s­tand um den Ver­anstal­ter an, der immer­hin diese pub­likum­sna­he und sym­pa­this­che Entwick­lung über die Jahre hat entste­hen lassen – fast kon­nte man ob der Schmähun­gen vergessen, wie wichtig dieses Fes­ti­val für den Kul­tur­stan­dort Ham­burg ist.

Der Abschlussabend war dann auch symp­to­ma­tisch für dieses Konzept der mul­ti­plen Facettierung eines The­mas, die schw­er gebeutelte Ham­burg­er Autorin Tina Uebel las zum ersten Mal seit der gerichtlichen Auseinan­der­set­zung um ihren Roman aus ihrem Buch. “Last Exit Volks­dorf” ist ein unbe­que­mer Text, nicht gefäl­lig, stark rhyth­misiert, fast musikalisch in der Anlage, der sich zwis­chen den deutschen Humoresken Sebas­t­ian Schnoys und der aufrecht­en sozial­ro­man­tis­chen Stu­di­en eines Jon Flem­ming Olsen als son­der­bar­er, der­ber Kern­text deutsch­er Lebenswahrheit offen­bart – das Mot­to des Abends war da eher iro­nisch zu ver­ste­hen: Volk­skunde. Fast tragisch kann man die nun erzwun­gene Ver­stüm­melung dieses Werkes empfind­en, das Buch ist nach der Unter­las­sungserk­lärung nur in ein­er stark verän­derten Form erhältlich. Auch das ist eine Äußerung neu-bun­des­deutsch­er Befind­lichkeit.

Unter­las­sung mag denn auch ein gutes Stich­wort sein, wenn es um die Zukun­ft des Fes­ti­vals geht. Im Gegen­satz zu den Vor­jahren wurde näm­lich zum ersten Mal bei der Abschlußver­anstal­tung nicht auf die Fort­set­zung im Fol­ge­jahr hingewiesen. Gäbe es die 14. Lese­tage tat­säch­lich nicht mehr, dann wäre es wirk­lich an der Zeit, ern­sthaft zu protestieren. Dies­mal nicht gegen ein dif­fus­es Angst­bild, son­dern für etwas. Und es wäre auch an der Zeit, sich vielle­icht jet­zt schon ein­mal Gedanken zu machen, ob eine tem­porär deter­minierte, ja beina­he modisch zu nen­nende Polemik gegen einen Spon­sor das richtige Mit­tel zur Verbesserung der bürg­er­lichen Gesellschaft ist, son­dern vielle­icht doch eher der Hin­wen­dung zu einem ganz und gar undemokratis­chen Lob­by­is­mus Tür und Tor öffnet. Kön­nte es das sein, was der aufrechte und immer moralisch ein­wand­freie à la mode-Protestler wirk­lich will? Diese Frage lassen wir offen …

Noch im Dunkeln … (Bild: hhf)

 

De Sti­jl (Bild: hhf)
Es ist nicht Hannes Jaenicke (Bild: hhf)

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