Now!

Junger Jazz aus Hamburg mit der Klarinettistin Samantha Wright

Samantha Wright
Take a stick, with a lick … Samantha Wright (Bild:Thomas Schloemann)

Man hört sie noch gele­gentlich bei den Tanzver­anstal­tun­gen, bei denen sich heutige Men­schen in den Zoot­suit der 40er wer­fen. Swing­tanzen ist ein wenig mod­ern gewor­den in den let­zten zehn Jahren und dort, zwis­chen Jit­ter­bug und Jive, ist sie noch die Köni­gin der Instru­mente. Die Rede ist von der Klar­inette, die in den jün­geren Jahren des Jazz so präsent war. 

Natür­lich denkt man an Artie Shaws »Begin the Beguine«, wo sie den ganzen Schmelz dieses kleinen Exotikums aus der Fed­er des Großmeis­ters Cole Porter so unver­gle­ich­lich trans­portiert. Oder an den stets alerten Ben­ny Good­man, den King of Swing und Großmeis­ter des »Stick« jen­er Tage. Doch inzwis­chen, im zeit­genös­sis­chen und mod­er­nen Jazz ist sie ein wenig in Vergessen­heit ger­at­en, jene ele­gante Schön­heit mit den war­men Grundtö­nen, der geschmei­di­gen »Smears« und markan­ten Höhen. 

Im zeit­genös­sis­chen Jazz kommt sie fast auss­chließlich in ihrer mächti­gen Groß­form vor, die Bassklar­inette ist beliebt ob ihrer erdi­gen und mächti­gen Präsenz. Vom Amerikan­er Eric Dol­phy, der sie früh als Hauptin­stru­ment ein­set­zte bis zum deutschen Rudi Mahall drin­gen ihre Töne bis in die inneren Res­o­nanzräume der Zuhör­er, set­zen sich fest irgend­wo zwis­chen ober­er Magenge­gend und Unter­leib. 

So ist das jüngst erschienene Debü­tal­bum der jun­gen, in Birm­ing­ham gebore­nen und in Ham­burg arbei­t­en­den Klar­inet­tistin Saman­tha Wright schon an sich eine kleine Über­raschung, ist doch die einst so pop­uläre kleinere Schwest­er, die B‑Klarinette, ihr Instru­ment. Schlank und ele­gant wie einst klingt ihr Sound, mit bemerkenswert­er Ansatz-Kon­trolle in allen Lagen. 

Hochgr­a­dig kul­tiviert ist dieser Ton – das Instru­ment ist dur­chaus für eine gewisse Eigen­willigkeit bekan­nt und verzei­ht keine Schlam­pereien – warm und holzig in den unteren Reg­is­tern, scharf bis in die Höhe. Unzweifel­haft geschult an den Alt­meis­tern ist diese Instru­men­tal­istin, wer sich ein wenig im Netz umschaut, find­et von ihr char­mante Play­a­long-Videos berühmter Vor­bilder, Soli von Peanuts Hucko bis Herb Hall, verkan­nte und beina­he vergessene Größen dieses Klangs. 

Saman­tha Wright: How About Now | € 9,99 bei amazon.de (Ama­zon Part­ner-Link) oder wo auch immer man Plat­ten kaufen kann

Auf­fäl­lig ist, dass sich im Reper­toire des Albums mit dem beze­ich­nen­den Titel »How about now« bis auf zwei Stan­dards, Jim­my McHughs Tin Pan Alley-Abräumer »I can’t give you any­thing but Love« und John­ny Greens Dur/­Moll-Schön­heit »Body and Soul«, auss­chließlich Eigenkom­po­si­tio­nen befind­en. Rück­wärts­ge­wandt ist da trotz Tra­di­tionsken­nt­nis nichts, keine vorder­gründi­ge Swing-Hom­mage geht da an den Start, Wright posi­tion­iert sich ein­deutig als Instru­men­tal­istin mit eigen­em Gestal­tungswillen. 

Sie hat sich drei exzel­lente Mit­stre­it­er aus der jun­gen und agile Ham­burg­er Jazz-Szene gesucht, allen voran den klu­gen Bassis­ten Tilman Ober­beck, dessen unprä­ten­tiöse Lines so manch effek­tvolle Grundierung für die Klar­inette set­zen. Der span­nungsvolle musikalis­che Dia­log »Duo« der bei­den gehört gewiss zu den Höhep­unk­ten dieses Albums, ein schweben­des Zwiege­spräch einan­der eben­bür­tiger Stim­men, hier Wrights raunende tief­ere Lage, dort ein luzid-trans­par­enter Klang von Ober­becks mächtigem Instru­ment.

Eine echte Ent­deck­ung zudem ist die Pianistin Sophia Oster, die in eige­nen Pro­jek­ten auch als Sän­gerin agiert. Ihr akzen­tu­ieren­der und sparsamer Ein­satz hat großen Anteil an den Span­nungs­bö­gen des Ensem­ble­spiels, ihre Soli sind reich­lich ernst zu nehmende Antworten an die Melodiefol­gen der Klar­inet­tistin. 

Das hat in sein­er Markan­theit beina­he Züge des großen Count Basie – im Jazz klingt immer jemand »wie«, wenn der Ver­gle­ich eigentlich hinkt. Hier ist es doch eher ein Zeichen der Hingabe an die Ideen der Solistin, wenn jemand so eigen­ständig für Rei­bun­gen sor­gen kann. Die rhyth­mis­che Unter­stützung am Schlagzeug kommt von Wolff Reichert, der mitunter einen Hauch zu präsent erscheint (»Mr Speak­er«). Das mag der Mis­chung geschuldet sein, anson­sten glänzt er doch durch feine Besen- und Beck­e­nar­beit und lässt es swin­gen.

Saman­tha Wright jeden­falls ist ein starkes Album gelun­gen, die Wieder­ent­deck­ung eines alten Klangs, der Zukun­ft zuge­wandt. »How about now« – das ist auch ein Pro­gramm. Hört man nur in dieses Titel­stück hinein, als Exem­pel, ist viel Auf­bruch zu spüren: Auf­streben­den Skalen, furcht­lose Entwick­lun­gen, hell und licht wie ein Tag auf dem Land. Der Mit­tel­teil ver­schat­tet sich ein wenig, doch die Schat­ten gehen, und im Moment erscheint der Jazz erneut als die Musik für die Zukun­ft, her­aus­gekom­men in ein­er Zeit, die solche Impulse nötiger hat als andere. Der Song verklingt in einem flat­tern­den Triller, nicht im jubilieren­den Diskant, son­dern fein mez­zo-voce, ein offen­er Klang, der Hoff­nung machen kann und voran schre­it­et. So soll es sein, jet­zt im Som­mer, nach der Pan­demie. Now.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*