Schokoladenforellen

Ein paar Geschichten zur Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, die man lesen, sehen und hören kann

Wir sind alle Sieger, damals wie heute. (Bild: HHF/privat)
Mon­sieur Bas­te­li­ca ist ein Mann von mas­si­ger Erschei­nung. Er hat genau die Sta­tur, die man auf dem ört­li­chen Rug­by-Feld braucht. Hier im Süden Frank­reichs ist, ähn­lich wie in ande­ren Depar­te­ments, der rau­he Sport, der mit schö­ner Regel­mäs­sig­keit Blu­men­kohl­oh­ren und blaue Augen pro­du­ziert, Volkssport.

Er ist der Patron einer Bar in einem klei­nen Ort, der knapp über 2.000 Ein­woh­ner hat, die hie­si­ge Rug­by-Equi­pe, die ihre Spie­ler auch aus den umlie­gen­den Dör­fern rekru­tiert, ist recht erfolg­reich. Auf dem Platz fin­det dann auch schon mal der Kampf um die fran­zö­si­sche Junio­ren­meis­ter­schaft statt, dar­auf ist man stolz. Gele­gent­lich kom­men deut­sche Tou­ris­ten hier­her, sie nen­nen den Patron unter sich »die Eule«, so mar­kant ist sei­ne Physiognomie.

Auch an die­sem hei­ßen Som­mer­tag sit­zen sie hier. In einem der unter der Decke ange­brach­ten Fern­se­her kann man die bun­te Schlan­ge der Rad­fah­rer sehen, die zäh durch irgend­ei­ne der pit­to­res­ken Land­schaf­ten Frank­reichs rollt. Es ist die Zeit der Tour de France, der Fern­se­her läuft stumm, ab und an schaut einer nach oben, wie jedes Jahr im Sommer.

Im »Sarl le Papy­loup« gibt es Bier, die gro­ßen Glä­ser nen­nen sie hier »For­mi­da­ble«, ein paar ört­li­che Wei­ne und eine klei­ne Spei­se­kar­te. In der Hit­ze gern genom­men wird »Sand­wich«, natür­lich fran­zö­sisch aus­ge­spro­chen, mit lan­gem »a«. Gemeint sind nicht die­se pap­pi­gen Weiß­brot­schei­ben, die es an den Auto­bahn­tank­stel­len euro­pa­weit gibt, son­dern lan­ge Baguettes mit unter­schied­li­chen Belä­gen, fri­schen Toma­ten, Zie­gen­kä­se, ein paar Trop­fen Oli­ven­öl – »Sand­wich paté« ist beson­ders beliebt, auch an die­sem Tag hat der Wirt ein paar davon auf dem Tablett, für die deut­schen Touristen.

Alles ist wie jedes Jahr, im Som­mer. Aber eine Klei­nig­keit ist anders. Drau­ßen, im Schat­ten der alten Häu­ser spie­len ein paar Kin­der mit einem Ball, sie tra­gen dun­kel­blaue Tri­kots, auf der Brust ein Hahn und auf dem Rücken ste­hen Namen: Hen­ry, Viei­ra, Zidane, Djor­kaeff. Und drin­nen singt der gro­ße Rug­by­fan Mon­sieur Bas­te­li­ca lei­se, als er sei­ne beleg­ten Baguettes den deut­schen Tou­ris­ten ser­viert, nur einen sich wie­der­ho­len­den Vers: »On est les Cham­pi­ons«.

Es ist das Jahr 1998, das Jahr, in dem die legen­dä­re Équi­pe Tri­co­lo­re am 12. Juli den Fuss­ball­welt­meis­ter­ti­tel im eige­nen Land gewann und die kol­lek­ti­ve Begeis­te­rung auch die hin­ters­ten Win­kel des gro­ßen Lan­des erreich­te. Frank­reich, in des­sen berühm­ter Sport­zei­tung »L’Equipe« die Fuß­ball­ergeb­nis­se in der Regel hin­ter den Plat­zie­run­gen von Hoch­see­seg­lern und Kreis­klas­se-Rug­byteams stan­den, war in den Wochen der WM zur Fuß­ball­na­ti­on geworden.

Die Namen der Hel­den die­ses Fina­les, einer jun­gen, von vie­len »Beur­res« durch­setz­ten, und vor allem schön und schnell spie­len­den, Mann­schaft waren in aller Mun­de, und die­ser Ruhm hielt sehr lan­ge vor.

Noch auf einer im Jahr 2012 erschie­ne­ne Plat­te beti­tel­te Frank­reichs viel­leicht intel­li­gen­tes­ter Ver­tre­ter des Nou­veau Chan­son, Vin­cent Delerm, eines sei­ner Lie­der »Un tacle de Patrick Viei­ra n’est pas une truite en cho­co­lat« – kei­ne Klei­nig­keit also ist der Ein­satz die­ses defen­si­ven Mit­tel­feld­spie­lers. Viei­ra war einer der Angel­punk­te der Mann­schaft von 1998, er been­de­te sei­ne Kar­rie­re bereits 2011, heu­te ist er Jugend­trai­ner in England.

Offen­bar hat der Fuß­ball die Fähig­keit, sich tief in das indi­vi­du­el­le und kol­lek­ti­ve Bewusst­sein von Men­schen ein­zu­nis­ten, gleich, ob Knei­pen­wirt oder Intellektueller.

»Es han­delt sich um eine Auf­nah­me aus der Luft – der Betrach­ter schaut direkt von oben auf die sich unter ihm abspie­len­de Sze­ne. Der Grund in Tief­oran­ge, mit eini­gen Nuan­cen in hel­le­ren Oran­ge­tö­nen, stellt das Spiel­feld der ins­ge­samt acht Farb­play­er dar – eine neue Mann­schafts­auf­stel­lung mit weni­ger Feld­spie­lern soll in die­sem Match erst­ma­lig erprobt wer­den. Die­se sind im rela­ti­ven Zen­trum des Bil­des auf­ge­stellt und tra­gen die Tri­kot-Far­ben Zie­gel­rot und Son­nen­gelb, die Schieds- und Lini­en-Rich­ter sind in Rauch­schwarz gehalten.«

Auch die deut­sche See­le fasst der Ball­sport an, die Legen­de von 1954, als aus den Rui­nen des deut­schen Ver­bre­chens eine hart arbei­ten­de Mann­schaft empor­stieg, die beim Ver­ges­sen und bei der Iden­ti­fi­ka­ti­on half, sitzt tief im deut­schen Bewusst­sein, bis heu­te ist der Stoff offen­bar musi­cal­reif, im Novem­ber fin­det in Ham­burg die Pre­miè­re eines gleich­na­mi­gen Sing­spiels statt.

Die­ser Sport ist dafür geeig­net, Mann­schafts­ge­schich­ten und indi­vi­du­el­le Inden­ti­fi­ka­tio­nen zu lie­fern, sei­ne Legen­den vom Schei­tern und Wie­der­auf­ste­hen haben mythi­schen Cha­rak­ter. Wie oft hört man im oft beschränk­ten Wort­schatz der Sport­be­richt­erstat­ter, eine Mann­schaft »käme wie­der«, vom »Schei­tern in letz­ter Minu­te«, und auch von der Ele­ganz eines ein­zel­nen Spie­ler, der durch die geg­ne­ri­schen Rei­hen »tanzt«. Hin­fal­len, Auf­ste­hen, gegen alle Wider­stän­de kämp­fen eben­so wie der »glück­li­che Sieg«, das sind archai­sche Mus­ter des Über­le­bens, wie wir sie aus Sagen und Erzäh­lun­gen ken­nen, Momen­te, in denen der Mensch sich über sein Dasein erhe­ben kann und für den Augen­blick Ende und End­lich­keit überwindet.

Einer der­je­ni­gen, die die­ses Spiel auf äus­sers­te ver­in­ner­licht haben, ist der zu oft als Bru­der Leicht­fuß geschmäh­te Dich­ter Moritz Rin­ke. Der Autor ist ein »Fan« im bes­ten Sin­ne einer bedin­gungs­lo­sen Iden­ti­fi­ka­ti­on, einer Hin­ga­be. Es gibt einen klei­nen Kolum­nen­band von ihm, bereits 2012 vom Ver­lag anläss­lich der Euro­pa­meis­ter­schaft her­aus­ge­ge­ben, über den man viel ver­ste­hen lernt, davon, wie der Fuß­ball einem klei­nen, viel­leicht etwas ver­spon­ne­nen Jun­gen eine Pro­jek­ti­ons­flä­che bie­ten konn­te und beim Erwach­sen­wer­den half und auch dem Erwach­se­nen ein ste­tes The­ma ist, an dem er sich, nicht ohne Witz und Distanz abar­bei­ten kann.

Eine der Kolum­nen heißt »Fim­pen, der Knirps«, und sie erzählt äußerst lie­be­voll von der Begeg­nung des klei­nen Moritz Rin­ke – hier ein­mal darf man die Dis­kre­panz zwi­schen aukt­oria­lem Ich und Autor ein­mal am Spiel­feld­rand ste­hen las­sen – mit einem schwe­di­schen Jugend­film aus dem Jahr 1974.

Den damals wohl knapp zehn­jäh­ri­gen Moritz hat die­ser Film – die Geschich­te ist absurd genug, ein klei­ner Jun­ge, Fim­pen, ist so begabt für das Fuss­ball­spiel, dass er schließ­lich der schwe­di­schen Natio­nal­mann­schaft zur Qua­li­fi­ka­ti­on ver­hilft – so sehr geprägt, dass der Fuss­ball bis heu­te zu den Meta­phern sei­nes Lebens gehört.

Vie­le klei­ne Gro­tes­ken gibt es in die­sem Band, absur­de fik­tio­na­le Dia­lo­ge abso­lut unfik­tio­na­ler Betei­lig­ter am deut­schen Fuß­ball­ge­sche­hen, von Franz Becken­bau­er bis zum Jogi Löw. Viel­leicht die Krö­nung die­ser Antho­lo­gie ist die bizar­re Ima­gi­na­ti­on des Autors, er sei einer Beschäf­ti­gung als »Pool­wäch­ter« der deut­schen Natio­nal­mann­schaft bei der WM 2006 im eige­nen Land nach­ge­gan­gen – die­ser klei­ne »Tat­sa­chen­be­richt« ist so wahr­schein­lich wie er unwahr­schein­lich ist und erzählt mehr über den Sport und die Spie­ler als so man­ches holz­häm­mern­de und vor­geb­lich inves­ti­ga­ti­ve Inter­view mit erschöpf­ten Abwehr­spie­lern nach der Verlängerung.

Rin­ke ist inzwi­schen Stür­mer in der Kurio­si­tät DFB-Autoren-Natio­nal­mann­schaft und stolz auf das Haar­band sei­nes Idols Tors­ten Frings, jenes bein­har­ten Bre­mer Außen­ver­tei­di­gers, des­sen Sus­pen­die­rung bei der WM 2006 Deutsch­land zu den Unter­gangs­le­gen­den des dama­li­gen »Som­mer­mär­chens« galt. Der Titel ging dann an den ewi­gen Geg­ner Ita­li­en, man schlug Frank­reich im Elf­me­ter­schies­sen mit 5:3.

»Kraft, Bewe­gung und Lebens­freu­de gebün­delt in die­sem Colour-Kon­text. Man merkt sofort, es han­delt sich um süd­li­che Spiel-Gefil­de. Ein Spie­ler Son­nen­gelb schert aus dem Zen­trum aus und bewegt sich auf die unte­re lin­ke Ecke zu … Ist er schon vor dem Ball? Was unter­neh­men sei­ne Mit­spie­ler? Die gegeneri­sche Mann­schaft Zie­gel­rot ist kom­plett durch Son­nen­gelb gedeckt, zwei Zie­gel­ro­te sind in die Mit­te genom­men, es kommt Dyna­mik in die Partie.«

Auf ande­re Art beses­sen sind auch der Jour­na­list Kai Schäch­te­le und der Pho­to­graph und Gra­phi­ker Chris­ti­an Frey. Bei­de waren schon 2010 nach Süd­afri­ka gereist, um von dort von der WM zu berichten.

Aller­dings ging es ihnen dabei nicht um Berich­te der deut­schen Natio­nal­mann­schaft mit den Bei­nen im Swim­ming­pool, wie wir sie die­ser Tage im öffent­lich-recht­li­chen Fern­se­hen gebo­ten bekom­men haben, jene Art der Hof­be­richt­erstat­tung ist den bei­den gänz­lich fremd. Statt­des­sen reis­ten sie sei­ner­zeit auf eige­ne Rech­nung durch das Land von Apart­heid und Buren, durch Vor­städ­te und an Strän­de, um zu sehen, was die­ses medi­al aus­ge­schlach­te­te Groß­ereig­nis mit den Men­schen vor Ort macht und sie dar­aus machen.

So schau­ten sie mit Slum­kin­dern Spie­le im Fern­se­hen und führ­ten vie­le Gesprä­che mit den Süd­afri­ka­nern hin­ter den Kulis­sen der Sport­be­richt­erstat­tung. Die­se gera­de­zu eth­no­lo­gi­sche Hin­ter­grund­be­richt­erstat­tung ver­öf­fent­lich­ten sie in einem täg­li­chen Blog, illus­triert mit Bil­dern, ori­gi­nel­len Fil­men, Slide­shows und O‑Tönen. Ein Blick hin­ter die Kulis­sen eines sport­li­chen Groß­ereig­nis­ses, Pre­mi­um­jour­na­lis­mus im Inter­net, in Zei­ten des all­ge­gen­wär­ti­gen Klick­zah­len­fe­ti­schis­mus‹ eine gar nicht genug zu wer­ten­de Aus­nah­me. Das »Win­ter­mär­chen 2010″ wur­de für den Grim­me-Online-Award nominiert.

Auch in die­sem Jahr sind die bei­den wie­der unter­wegs, dies­mal beglei­tet durch die Jour­na­lis­tin Bir­te Fuchs. Sie reis­ten schon vor dem ers­ten Anpfiff nach Bra­si­li­en und such­ten auch dort wie­der Kon­takt mit den Men­schen im Land der WM. Im Jahr 2014 heisst ihr Pro­jekt »Brafus2014«, und auch hier ist es die zuge­wand­te und inter­es­sier­te Art, Land, Leu­te und Fuss­ball zu betrach­ten, die die­se Sei­te aus­zeich­net. Tat­säch­lich sind die täg­li­chen Berich­te bunt und span­nend, sei es eine Repor­ta­ge über die Demons­tra­tio­nen von WM-Geg­nern oder ein­fach Erleb­nis­be­rich­te mit Bra­si­lia­nern beim gemein­sa­men WM-Fern­se­hen. Selbst die Auf­lis­tung der Rei­se­kas­se – das Pro­jekt finan­ziert sich vor­wie­gend über Spen­den – ist unter­halt­sam. Wer mehr über den Aus­tra­gungs­ort die­ser WM erfah­ren will, soll­te hier zwin­gend vorbeischauen.

»Der Ball ist in der Luft, ein hoher Schuss, der­zeit nicht aus­zu­ma­chen. Von Toren geschwei­ge denn Tor­hü­tern kei­ne Spur. Der Zuschau­er hält einen Moment inne … Er betrach­tet die Spie­ler: Der pas­to­se Farb­auf­trag lässt auf ein kraft­vol­les Trai­ning bei­der Teams schlie­ßen, und auch die Schieds­rich­ter sind fit und kön­nen sich mit der Lauf­ge­schwin­dig­keit der Ball­ar­tis­ten mes­sen. Ein brei­ter Spach­tel­strich hier, ein schma­le­rer dort, hier tref­fen Ener­gie und Aus­dau­er aufeinander.« 

Ohne­hin ist Bra­si­li­en ein Pro­jek­ti­ons­raum für den Euro­pä­er, beflü­gelt durch all die Legen­den, die man so ger­ne hört. Sam­ba, Car­ne­val, Rio, Oscar Nie­mey­er, noch­mal Sam­ba und das »Girl from Ipan­e­ma«, das Lied von jenem berühm­ten süd­at­lan­ti­schen Strand, jene Vor­stel­lung von Leich­tig­keit, Lie­be und ewi­gem Som­mer. Kaum eine TV-Ope­ner ohne ein­schmei­cheln­des Sam­ba-Gelis­pel, kein Bericht ohne das Kli­schee von freund­li­cher Läs­sig­keit und tan­zen­den bar­brüs­ti­gen Mädchen.

Einen ande­ren Weg, sich die­sem Sam­ba-Mythos zu nähern, hat das fran­zö­si­sche Streich­quar­tett »Qua­tu­or Ébè­ne« ein­ge­schla­gen. Auch sie sind Rei­sen­de, die sich von den Begeg­nun­gen mit ande­ren Län­dern und Men­schen inspi­riert füh­len, und sie haben sich auf eine Lie­bes­af­fä­re mit der süd­ame­ri­ka­ni­schen Musik ein­ge­las­sen – ganz wie die bei­den pro­mi­nen­ten Mit­strei­ter auf die­sem Album, das den Namen des Gast­lan­des die­ser Fuss­ball-WM trägt: »Bra­zil«.

Einer der bei­den, der Chan­son­nier Ber­nard Lavil­liers, übrig­ge­blie­be­ner Ver­tre­ter jener kraft­strot­zen­den, wil­den lin­ken Jungs aus dem Frank­reich der 60er und 70er Jah­re, deren stets geöff­ne­te Hemd­brust Frei­heit und Aben­teu­er damals wie heu­te doku­men­tiert, gibt mit einer bun­ten Visi­on über das ers­te Zusam­men­tref­fen die inne­re Marsch­rou­te des Albums vor: »Ich hät­te sie in Man­aus mit­ten im Ama­zo­ni­schen Urwald tref­fen könn­ne, Mozart spie­lend, im bra­si­lia­ni­schen Nach­bau der Opé­ra Gar­nier, umrankt von rie­si­gen Lia­nen und Wur­zeln der Sel­va. Wir hät­ten Cai­pi­rin­ha in Sal­va­dor oder Rio trin­ken kön­nen, mit­ten im Kar­ne­val, wird hät­ten Riffs von Jor­ge Ben spie­len kön­nen, umge­ben von nack­ten Mäd­chen.« Natür­lich war das nicht so, man traf sich zuerst in Paris, und die Musik fing an. Soweit der Urwald-Mythos mit den Mäd­chen, sol­che Din­ge blei­ben wohl ewig.

»Bra­zil« hin­ge­gen spielt mit den Vor­stel­lun­gen süd­ame­ri­ka­ni­scher Klän­ge und ist wohl das ein­zi­ge The­men­al­bum die­ses Jah­res, dass wirk­lich ohne Anto­nio Car­los Jobims Über­klas­si­ker vom Stran­de Rios aus­kom­men kann. Immer­hin hat man neben Lavil­liers eine der geschmei­digs­ten Stim­men des inter­na­tio­na­len Jazz mit im Boot, die Ame­ri­ka­ne­rin Stacey Kent, deren bekann­te Latin- und Bos­sa-Ver­liebt­heit dem Pro­jekt natur­ge­mäß ent­ge­gen kom­men muß. Kent hat kürz­lich erst ein Solo-Album vor­ge­legt, das das ein­drucks­voll doku­men­tiert (»The Chan­ging Light«).

Man muss nun übri­gens nicht mei­nen, es han­de­le sich bei »Bra­zil« um eines die­ser Recht­fer­ti­gungs­pro­jek­te klas­si­scher Musi­ker, die ihre Locker­heit damit doku­men­tie­ren müs­sen, indem sie plötz­lich Jazz oder Art­ver­wand­tes machen. Seit je dem Fusi­on-Gen­re zuge­wandt, klin­gen die Strei­cher mal hie nach Sté­pha­ne Grap­pel­li oder tau­chen dort ein­fach mal hin­ter dem Arran­ge­ment ab und las­sen Rhyth­mus­grup­pe und Saxo­phon – gespielt von Kent-Gat­te Jim Tom­lin­son – ihren Job machen. Sozu­sa­gen ein Glücks­fall, das Gan­ze, und eine Hom­mage an einen Musik­stil und einen Ges­tus, der im Kli­schee erstickt schien. Eine Plat­te eben wie die klei­ne Illu­si­on hier­von: »Num doce balan­ço, a camin­ho do mar/​Mit süßem Wie­gen, auf dem Weg zum Meer« Zwei­fel­los.

Und wer es bis hier­her noch nicht erkannt hat, das Bild, um das es hier zwi­schen den The­men­blö­cken geht, stammt von der pur­to­ri­ca­ni­schen Künst­le­rin Olga Albi­zu, es heisst »Alla Afri­ca«. Was das nun mit der WM zu tun hat? Es schmückt das Cover von Getz/​Gilberto, dar­auf, unter ande­ren Klas­si­kern – »The Girl from Ipanema«.

»Es ist heiß, das Ther­mo­me­ter zeigt 34 Grad Cel­si­us an. Doch was ist das? Von der Reser­ve­bank rennt der Ersatz­schieds­rich­ter kata­pult­ar­tig auf das Spiel­feld zu, ist schon auf der rech­ten unte­ren Spiel­hälf­te ange­kom­men – und pfeift! Denn es ist Halb­zeit und der Kol­le­ge hat im Eifer des Gefechts doch tat­säch­lich sein Arbeits­ge­rät – die Tril­ler­pfei­fe – ver­lo­ren … Die 2. Hälf­te wird in weni­gen Minu­ten folgen …«

Ob die Wun­der­spie­ler der Équi­pe Tri­co­lo­re von 2014, Karim Ben­ze­ma und Antoine Griez­mann, 1987 und 1991 gebo­ren, zu den Jungs gehört haben, die 1998 mit den Rücken­num­mern von Zine­di­ne Zidane und Patrick Viei­ria gegen die Häu­ser­wän­de gebolzt haben, wis­sen wir nicht. Aber es ist doch ein ganz klein wenig wahr­schein­lich – »On est les Champions«.

Unse­re WM-Tipps 2014, auch und gera­de kurz vor dem Spiel gegen Frank­reich. [Ama­zon-Part­ner­links]:

Vin­cent Delerm: Quin­ze Chan­sons (dar­auf: »Un tacle de Patrick Viei­ra n’est pas une truite en chocolat«)

Moritz Rin­ke: Also sprach Met­zel­der zu Mer­te­sa­cker, KiWi 2012

www.brafus2014.de

Qua­tu­or Ébè­ne: Brazil

Stan Getz/​João Gil­ber­to: Getz/​Gilberto

Über­tra­gung von »Un tacle …« von Bar­ba­ra Mar­kert, Paris
Bild­be­schrei­bung Olga Albi­zu: Mela­nie Ucke

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