Schulfunk

Frank Hofmann sucht im Deutschen Schauspielhaus Kleist und findet ihn nicht

So etwas hat man lange nicht gese­hen. Zumin­d­est nicht am Deutschen Schaus­piel­haus. Kleists “Robert Guiskard” von Frank Hoff­mann ist ein ger­adezu erschüt­tern­des Debakel. Der Mann ist immer­hin Inten­dant (der Ruhrfest­spiele) und glaubt anscheinend allen Ern­stes, er hätte sich auf irgen­deine Weise dem raren Frag­ment des luci­den Preußen aus­ge­set­zt oder irgen­det­was zu erzählen. Ja, da kommt als Erstes die karge Studier­stube des Dichters hin­ter dem deko­ra­tiv­en Eis­er­nen des Schaus­piel­haus­es her­vor. Bett, Tür, Kleist, hüb­sch im Kostüm der Spä­taufk­lärung, mit Stulpen­stiefel und vie­len Knöpfchen, ein ganz­er Preuße eben. Der quält sich natür­lich kleis­tisch am Schreiben, kratzt mit der Fed­er auf dem Papi­er herum und sin­niert über seinem Text. Denken darf der auch, ein paar hüb­sche Zitate aus den Briefen von und über die Kan­tkrise (die grü­nen Glasaugen, jaja) und irgend­wann spricht Christoph Mar­tin Wieland aus dem Off mit ihm, wieder aus den Briefen. Son­st wüssten wir ja auch nicht, worum es ging. Dann wird irgend­wann das Guiskard-Manuskript ver­bran­nt und die ganze Chose auf die Hin­ter­bühne gezo­gen. Das nen­nt man dann wohl Expo­si­tion. Was fol­gt, ist nicht bess­er. Wann immer es etwas zu sagen gibt, und gere­det wird ja viel in den anderthalb Stun­den, die es dauert, tritt man an die Rampe und deklamiert. Die Kleist­fig­ur schle­icht auf der Bühne herum und wan­delt sich irgend­wann im Laufe des Abends in eine der Fig­uren des Guiskard, Abälard. Um zwis­chen­durch mal zu erk­lären, worum es über­haupt geht:

“Der geniale Heer­führer und Her­zog der Nor­man­nen, Robert Guiskard, hat Ital­ien erobert; seine Tochter Hele­na ist Kaiserin von Griechen­land. Jet­zt will er seine großen Tat­en durch die Eroberung von Byzanz krö­nen, will die Kaiserkro­ne selb­st, seit seine Tochter Witwe ward. Da tritt das Schick­sal ihm ent­ge­gen. In den Wällen von Byzanz geht die Pest um. Das Heer lei­det schw­er unter der Seuche, auch der kühne Aben­teur­er ist angesteckt. Aber er muß seinen Zus­tand geheimhal­ten, wenn ihm das Let­zte gelin­gen soll. Das Volk wird ungeduldig, es ver­langt Unmöglich­es von ihm — bis er endlich vor seine Man­nen tritt und sie beschwichtigt.”

So ste­ht das im Schaus­pielführer und ist auch schon etwas älter. Ist aber auch nicht so wirk­lich wichtig, den hat Hoff­mann offen­bar nicht gele­sen, jeden­falls ist nicht der Hauch eines Ver­ständ­niss­es für den Stoff zu spüren. Sein Dra­maturg, der im schmalen Pro­gramm­blättchen nicht ein­mal genan­nt wird (Selb­stschutz?), hat da als Kon­trol­linstanz offen­bar ver­sagt. Zusam­men hät­ten sie son­st auch auf die Idee kom­men kön­nen, dieser Autor hätte sich nicht nur DEFA-würdig gequält (cf. Expo­si­tion) und erschossen (irgend­wann gibt’s zwis­chen­drin mal wieder einen Rol­len­wech­sel Abälard/Kleist und der Mann redet kurz mit – wie hieß die noch? – Hen­ri­ette Vogel oder so: “Wollen Sie mit mir ster­ben?”), son­dern eine Idee von seinem Stoff gehabt.

Und so schlur­fen da Schaus­piel­er, die gewiss auch ein­mal etwas anderes woll­ten, immer schön über die Zen­tralachse nach vorne (Rampe!) und chargieren barock­opern­haft kleistsche Verse ins Publikum.Raumaufteilung Fehlanzeige, Tim­ing und Fig­uren­ze­ich­nung sowieso. Den Raum braucht man auch nicht wirk­lich, denn immer wenn’s mal innig wird, gibt’s ganz großes Kino.Beim TV nen­nt man so was einen “Ein­spiel­er”, wir ler­nen hier also die leis­tungsstarken Schaus­piel­haus­beam­er ken­nen, den einen sog­ar mit Namen – “Com­put­er 2” ste­ht da kurz über der Bühne (wenn was nicht klappt, dann auch gle­ich richtig nicht …). Diese “Ein­spiel­er” erin­nern von Ferne an das Dilet­tan­tengemime Gui­do Knopp­sch­er His­to­ry-Film­chen, auch der “emo­tionale” Sound­track kommt da nicht zu kurz, das dräut und blub­bert wie im ZDF nach 22:00 Uhr. Schrifttafeln mit Orts­beze­ich­nung gibt es auch und jede Menge Close-ups, gespielt wird natür­lich, als sei das Pub­likum freilichtig weit ent­fer­nt.

Man kön­nte ein Menge Wün­sche for­mulieren für diesen Abend, dass die armen Schaus­piel­er­schweine (par­don­nez-moi!) mal ordentlich geführt wür­den, dieser ganze Rah­men­hand­lungsquatsch nicht wäre, der Videokram irgend­was zum Stück beitra­gen würde und dass man sich ein The­ma (was läge denn da nahe? Macht? Herrschaft? Nur mal so angedacht …) gesucht hätte, wenig­stens eine ver­trauensvolle Hal­tung zu Kleist. So jeden­falls ist das nichts anderes als muse­al­er Schul­funk à la “das muss man ja im Kleist­jahr auch mal machen und hat auch son­st noch kein­er gemacht”. Und da gilt es, ener­gisch zu wider­sprechen: Nein, das muss man gar nicht machen, jeden­falls nicht so. Erbärm­lich ist das, ger­ade jet­zt, wo’s dem Haus so dreck­ig geht.

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