Sommerluft

Zwei sehenswerte kleine Rauminstallationen bei der "Hamburg Art Week"

Busi­nesstraum (Bild: HHF)

Die Sonne scheint hier nicht von oben, nicht ein­mal von unten. Dieser Garten schweigt und kein noch so zarter Hauch bringt die Blüten­sten­gel hier zum Schwin­gen. Eigentlich müssten sie das, denn diese Pflanzen haben keine Wurzeln, sie schweben in der Luft.

Es ist ein selt­samer Garten ist, alle Blu­men wach­sen von oben nach unten, brauchen keine Wurzeln. Da ist kein Dic­kicht, da ist kein Wild­wuchs, nur schwebende Blüten. Und ring­sherum ste­hen hohe Häuser, die Steine und der Beton der Stadt sind die Land­schaft rund­herum, blickt man durch die Scheiben des umgeben­den Gewächshaus­es.

Das Ganze ist kein Garten, der Raum eine leer ste­hende Büroetage mit­ten in der Ham­burg­er Innen­stadt. Die Blu­men hän­gen kopfüber, an dün­nen, kaum wahrnehm­baren Nylon­fä­den. Erst die Besuch­er, die sich zwis­chen ihnen hin­durch­schlän­geln, brin­gen sie ein biss­chen in Bewe­gung.

Ein hüb­sch­er Glaskas­ten, in dem Schreibtis­che vorge­se­hen sind und Mon­i­tore, Hem­den und Krawat­ten. Hier wer­den Tele­phone klin­geln.

Die Rau­min­stal­la­tion “sum­mer in the city” der Gestal­terin Clau­dia Reich – eine Sta­tion der über die Stadt verteil­ten “Ham­burg Art Week” – verän­dert diesen schnö­den Platz der Gewinnop­ti­mierung und des Nutzens, sam­melt Licht und Luftigkeit und Per­spek­tive zwis­chen mas­siv­en Häusern.

Es ist keine große Kun­st, nichts, das etwas mit Macht und Gewalt will. Es ist ein schön­er Ort gewor­den, der den Blick öffnet. Ein Som­merort, egal, wie das Wet­ter ist.

“He hath a gar­den cir­cum­mur’d with brick,
Whose west­ern side is with a vine­yard back­’d”

Der hin­tere Teil dieser Etage braucht Beleuch­tung. Die Wände sind rauh, graue Spachtel­masse klebt an altrosa Gip­splat­ten, Kabel, Lam­p­en.

Es füllen hier Worte einen Raum, nicht gesproch­ene, son­dern geschriebene Vari­a­tio­nen der roman­tis­chen Imp­lika­tion “wun­der­bar”. Es ist ein urdeutsch­er Begriff, gren­zen­los pos­i­tivis­tisch, verk­lärend, hoff­nungsvoll. Ein Wun­der-Wort.

In kleinen Begriff­s­clus­tern sind aus Stahlblech aus­geschnit­te­nen Objek­te ange­ord­net, Exk­la­ma­tio­nen eines Zus­tandes der Verzück­ung, der nicht logisch ableit­bar ist, son­dern aus etwas her­rührt, das man get­rost als Offen­barung beze­ich­nen kann. Das mag kein pop­uläres Wort sein heutzu­tage, trifft aber im Kern den Moment des Erschreck­ens und Erstaunens im Angesicht des Neuen.

Und es ver­weist auf die Unfähigkeit, weit­er zu sprechen. Nach “wun­der­bar” kommt nichts mehr. Die Analo­gien sind vielfältig, “unglaublich”, “einzi­gar­tig” – allen impliz­it ist eine endgültige Exzel­lenzbeschrei­bung des Augen­blicks.

Die Worte wer­fen Schat­ten, bein­hal­ten  das nicht Fass­bare und die Kon­fronta­tion mit dem Uner­warteten. Nicht ohne Grund ist diese Raumgestal­tung für die “Nacht der Kirchen” konzip­iert gewe­sen, bei dieser Neuein­rich­tung wird sie aus dem sakralen Raum her­ausgenom­men und an einen Ort des All­t­ags verpflanzt.

Dort ist das Wun­der-Wort nicht nahe­liegend, trotz­dem nimmt es seinen Platz ein und lässt ein wenig Kon­tem­pla­tion zu, in einem Raum, der für die Pro­duk­tiv­ität gemacht ist.

Was ein biss­chen Stahlblech und ein paar Nylon­fä­den so alles erre­ichen kön­nen, in dieser Zeit des immer­währen­den Superla­tivs ohne Maß. Wofür man Clau­dia Reich eigentlich ein biss­chen dankbar sein kann.
Uber-Raum (Bild: HHF)

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