Supergroup, ♀

Es kön­nte  wie im schön­sten Klis­chee sein: Die kleine sen­ti­men­tal­is­che Soul­grösse, die zupack­ende Süd­deutsche mit dem war­men Tim­bre und die große iro­nis­che Dünne mit der Kristall­stimme. Das klingt beim ersten Lesen natür­lich gut und ließe sich auch schick ver­mark­ten. So wird man allerd­ings dem Trio Regy Clasen, Anna Depen­busch und Christi­na Lux, das gestern in Ham­burgs Tivoli auf­trat, kaum gerecht.

Die drei sind alle grossar­tige Sän­gerin­nen, daran beste­ht kein Zweifel. Sie schreiben textlich wie musikalisch vir­tu­ose Songs. Sie begleit­en sich selb­st an Klavier und Gitarre und neigen auch da zur Vir­tu­osität. Sie sind char­mant und zu lau­ni­gen Con­fer­en­cen bere­it. Die Bühne ist wohnz­im­mer­lich ein­gerichtet, neben Flügel und Gitar­ren ste­hen Stehlampe und Sofa. Von oben wabert der Büh­nen­nebel und das Licht ist hüb­sch gemacht. Ausverkauft ist es sowieso.

Das ist sit­u­a­tiv, aber den Zauber dieses Debutabends find­et sich darin nicht. Wobei “zauber­haft” schon wieder in eine andere Klis­cheecke drängt, mit ätherisches Wesen haben diese drei Frauen nichts gemein. Das Geheim­nis scheint am ehesten in der Mis­chung der unter­schiedlichen Charak­tere und Stim­men zu liegen, die, mal solo und mal gemein­sam, den Abend gestal­ten. Raum für Soli gibt es, immer wieder ein­mal unter­stützt von den bei­den Anderen, die vom Sofa aus die Back­ing Vocals beis­teuern. Das wirkt spon­tan, beina­he ungeprobt, ist aber hohe Kun­st. Was dabei vor allem zu bemerken ist, ist die unbändi­ge Lust der drei, gemein­sam Musik zu machen und die gegen­seit­ige Wertschätzung. Was ander­swo als pflicht­be­wußter “Trib­ute” auftritt, ist hier von hoher Authen­tiz­ität. Die Geschicht­en der Drei bewe­gen sich in der Regel im Wirrwarr der Zweier­beziehung, mal ein­dringlich, mal iro­nisch gebrochen. Das Song­ma­te­r­i­al stammt aus den jew­eils aktuellen Alben, ergänzt durch kleinen Pre­mieren und Vorschauen auf Kom­mendes.

Ein klein­er Wer­mut­stropfen sind die neueren Songs von Regy Clasen. Die sind nach wie vor verdichtete Momen­tauf­nah­men, aber die nar­ra­tive Qual­ität der Stu­dioauf­nah­men haben sie nicht mehr. Die Kün­st­lerin hat­te vor zehn Jahren einen kleinen Erfolg mit ihrer ersten Solo­plat­te, der Song “Ergib dich” rauschte durchs Videoge­flim­mer von VH‑1, vier Jahre später kam das ful­mi­nante Album “Wie tief ist das Wass­er” auf den Markt. Da sind leise Töne  zu hören, genaue Stim­mungs­bilder, Sit­u­a­tions­beschrei­bun­gen und präzise verdichtete Geschicht­en, getra­gen von hin­reis­senden Arrange­ments und grossar­ti­gen Bläser­sets der “Box­horns”. Wer ein­mal den wun­der­baren Liegetö­nen dieser Bläs­er in “So gerne” erlegen ist, wird davon kaum mehr lassen wollen. Das scheint im Augen­blick noch Ver­gan­gen­heit zu sein, ein bißchen ver­huscht kom­men die neuen Lieder herüber und gele­gentlich, und, wie in “Abziehbilder”, sog­ar etwas unglück­lich metapho­risch überdehnt. Da scheint noch Raum für weit­ere Entwick­lung zu sein, die poet­is­che Kraft ein­er über­ra­gen­den Song­tex­terin hat sie alle­mal. Daß bei allen Dreien die Reflek­tions­fähigkeit über das eigene Werk vorhan­den ist, ist zwar nicht selb­stver­ständlich, aber um so angenehmer. Eines der The­men der Büh­nenkon­ver­sa­tion war dann auch die Beständigkeit der Songs, und deren Beziehung auf den Augen­blick ihres Entste­hens. Ein schön­er Ein­blick die Werk­statt war das alle­mal und got­t­lob kein erbärm­lich­er Striptease der zeris­se­nen Singer/­Song­writer-Seele.

Eine Gen­re­beze­ich­nung für den Abend zu find­en ist ohne­hin schwierig, aber das ist sozusagen die Essenz der Ein­gangs­beobach­tung. Was bleibt, ist die warme, fre­undliche Atmo­sphäre dieses Konz­erts. Die drei Kün­st­lerin­nen mögen sich, sind nicht konkur­rent, ergänzen sich. Und lassen ihr Pub­likum daran teil­haben. Schlussnum­mer war das grossar­tige “Da werd ich sein” . Wie sich Audi­to­ri­um und Sän­gerin­nen gegen­seit­ig im Wech­selge­sang ihrer Für­sorge ver­sicherten (“Wo immer Du mich brauchst …, und da werd ich sein. Ich ver­sprech Dir, wo immer auch, … da werd ich sein”), daß war ein grossar­tiger sen­ti­men­taler Moment. Und das in Ham­burg. Es geht also doch.

Das Konz­ert wird am 3.5. in der “Bar jed­er Ver­nun­ft” in Berlin wieder­holt.

Ton­träger:
Regy Clasen: Wie tief ist das Wass­er
Anna Depen­busch: Ins Gesicht
Christi­na Lux: Pure & Live

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