Ungebrüllt

Der Hamburger Sven Bünger veröffentlicht ein wundervoll unbedeutendes Debüt-Album: »Bünger – Besser scheitern«

Ernst Bünger (Foto: Andreas Oetker-Kast)
Ernst, Bünger (Foto: Andreas Oetk­er-Kast)

Ja, der Hüftschwung von Mick Jag­ger. Und natür­lich die tief vor dem Gemächt hän­gende Gitarre. Bren­nende Gitar­ren. Sex Machine. Die Geschichte der Pop­musik ist voller brül­len­der Superla­tive, das Großprecherische ist vor allem seinen männlichen Heroen so zu eigen wie kaum einem anderen Genre – und wie viele wichtige, rich­tungsweisende und vor allem einzi­gar­tig epochale Alben hat uns die Musikin­dus­trie schon beschert?

All das Gekreis­che und Gedröhne von Pub­lic Rela­tions und Über­schätzung ste­ht so oft vor der Musik, dass einem das eigentlich schon oft abhan­denkommt, bei allem gieri­gen Schnap­pen nach der Authen­tiz­ität, die dann immer so behauptet wird. Manch­mal, aber nur sehr sel­ten kommt dann eine winzige Über­raschung daher, und man meint, wieder ein­mal etwas zu hören. Und diese Alben sind sel­ten rich­tungsweisend und epochemachend.

Sven Bünger hat so eine Plat­te gemacht. Sie ist knappe 34 Minuten lang, so wie früher eine LP und es sind 10 Songs darauf – fünf für jede Seite? Er ist Pro­duzent, hat also ein­er dieser merk­würdi­gen Berufs­beze­ich­nun­gen in der Musik­branche, von der alle meinen, zu wis­sen, was da geschieht, aber nie­mand so genau weiß, was so ein­er eigentlich macht. Auf jeden Fall beschäftigt er sich schon lange mit Musik­ern und hat­te auch mal eine Band, Soulounge hieß die. Alles nicht so spek­takulär. Und er macht kleine Konz­erte.

Und jet­zt eine Plat­te. Mit ein­er Stimme, irgend­wo zwis­chen Tom Waits Ver­loren­heit und dem alerten Lieder­sänger­sound, und ein­er kleinen Band, Schlagzeug, Gitarre, Bass. Die Texte sind wenig ungestüm, zurück­gelehnt, selb­stkri­tisch, Groß­tadt­stereo­typen: Leere Strassen, regen­nass­er Asphalt, Män­nere­in­samkeit.

Das ist allerd­ings nicht die oft­mals wein­er­lich vor­ge­tra­gene Zwangspoe­sie der vie­len jun­gen deutschen Song­writer, die ger­ade ein wenig pop­ulär sind. Es riecht eben so ein biss­chen nach kaltem Zigaret­ten­rauch und leeren Flaschen mit unbes­timmten Alko­ho­li­ka, und das in Zeit­en, wo vor dem, was ein­st­mals Clubs waren, die Rauch­er in der Kälte ste­hen müssen und die Jungs Bier mit Geschmack trinken. Wie unge­wohnt …

Über­haupt ist die ganze Chose ein Anachro­nis­mus, vom Ges­tus wie vom musikalis­chen Impe­tus. Da find­et sich dann auch mal eine fein zise­lierte Basslin­ie im Intro (Uwe Fren­zel, der schon Texas Light­ning die Basis gab), hier ein paar ver­spielte Slide-Har­monien oder da ein kleines Ban­jo-Pick­ing (Ulrich Rode und Stef­fen Häfelinger bedi­enen so ziem­lich alles, was Sait­en hat, trom­meln tut dann Lars Plogschties) irgend­wo im Stück.

All das ist so alt­modisch liebevoll, wie man sich es immer wieder wün­schte, wenn da son­st, bei Anderen, nicht immer nur Behaup­tun­gen stün­den.

Hier ist nichts behauptet, son­dern ein­fach gemacht. Der Bünger singt und seine “Fre­unde”, die alle­samt her­vor­ra­gende Instru­men­tal­is­ten sind, spie­len dazu und mit. Warum ist eigentlich egal, wahrschein­lich weil sie ein­fach jede Menge ver­spieltes Vergnü­gen am Musik­machen haben. Es klingt dann auch gut.

Natür­lich ist das im Prinzip, wie jed­er “Mood”, den eine Plat­te erzeugt, eine kleine Illu­sion, aber diese schöne Illu­sion hier haut so richtig schön hin. Und dann singt der Mann wieder von seinen Erfahrun­gen, die einen eigentlich nicht inter­essieren müssten, weil wir sie im Genre schon oft gehört haben, und wir hören doch hin.

Weil solche Zeilen wie “Ist das Glück oder Schick­sal, wenn ich angekom­men bin” hier eige­nar­tiger­weise anders klin­gen. Oder auch die Vorstel­lung vom getriebe­nen Nachtschwärmer so richtig schön rüberkommt: “Wenn der Mond mich ruft, folge ich die ganze Nacht dem hellen Schein.”

Und weil es um ein erwach­senes Scheit­ern und kein blödes Jung­män­nerge­jam­mer geht: “Es gibt noch mehr als nur zwei Seit­en, es geht weit­er, Stück für Stück. Welchen Weg wir auch beschre­it­en, für das Glück …” 

Solche Plat­ten sind meis­tens ein­sam. Geben wir ihnen doch ein wenig Gesellschaft.

Bünger: Bess­er scheit­ern [Ama­zon Part­ner­link]

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