Was hat einen als jungen Erwachsenen dieser Song genervt. Diese Synthie-Klänge. Dieses grauenvolle Edith-Piaf-Sample. Der wirklich bekloppte Band-Name. Dazu die Erinnerung an Jugendparties, wo das Zeug auch immer gespielt wurde und es irgendwie peinlich war, das gut zu finden. Aber es war ein Hit, sein Größter. “Taxi nach Paris” muss Michy Reincke die letzten 25 Jahre verfolgt haben. Danach kamen noch ein paar weitere mehr oder weniger erfolgreiche Songs (“Valerie, Valerie”), aber wann immer der Hamburger Sänger irgendwo seine Musik vorstellte, wurde er nach diesem einem Stück gefragt. Und immer gab es nur eine mögliche Antwort von ihm, ohne viel Zögern hieß es immer, er möge das Lied einfach.
Dahinter steht etwas, was man früher mit dem steifleinenen Wort “Haltung” bezeichnet hat. Michy Reincke hat immer weiter produziert, ist einem kleineren Fankreis immer noch bekannt, besonders im Norden der Republik ist er eine feste Größe im Musikgeschäft. Er hat ein Label gegründet und hat so wunderbare Talente wie Regy Clasen und Anna Depenbusch um sich versammelt und ihnen viel Raum zur künstlerischen Entwicklung gegeben. Und mit genau dieser Haltung hat er nun ein neues Album gemacht, es heißt “Palais Salam”. Darin sind viele der alten Lieder enthalten, auch das immerfahrende “Taxi”. Solche Alben heißen andernorts “Best of” und in diesem Falle ist das ein wenig mehr wahr und richtig als sonst. Reincke hat seine alten Songs aufs Äußerste eingedampft, von den Ursprungsversionen und vor allem von den Arrangements ihrer Entstehungszeit sind sie meilenweit entfernt und da passieren dann plötzliche erstaunliche Dinge. Das “Taxi” fährt auf der Spur eines swingenden Walkingbasses, das Vibraphon raunt dazu und man hört heraus, warum Michy Reincke das Lied immer mochte. Es ist ein guter Popsong, schön gebaut, mit amüsantem Text, tatsächlich ohne jede Peinlichkeit.
Trotz der laid-back Jazz-Stimmung, die sich durch die ganze Platte zieht – Besen da, verhaltene Rimshots dort, Flügelhorn und Klavier – ist das kein Jazz und will es nicht sein.
Es ist Popmusik. Reincke hat eine seiner mutmaßlichen musikalischen Urszenen in einen hübsch-distanzierten Text gegossen. In Pop im Radio wird noch einmal deutlich, was so ein Jugendgefühl ausmacht und die leicht verklärte Erinnerung an die Orientierung, die Radiomusik einst ausgemacht hat:
“Wir wollten nur Musik und die kam ausm Radio
Wir waren unendlich und jung, ohne viel Erinnerung
die Gedanken irgendwo, man spielte Pop im Radio.”
Das ist schon stark in der Reflexion des jugendlichen Sentiments und zugleich ein schöner Rückblick auf die Zeiten, wo Pop-Musik noch Bedeutungen hatte und Jugendidentitäten kreierte. Heute ist das anders. Michy Reincke trägt seine musikalische Entwicklung mit Würde und dabei kommt eine Menge schönes altmodisches Zeug heraus. Und wer dann bei “Es wär so schön, wenn wir singen, wenn wir gehen” nicht anfängt zu heulen, der ist vielleicht auf die eine oder andere Art zu heutig. Die heutigen Hipster sagen bei so was: “Respekt”.
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