Arzak gleitet über die Wüste. Der eigenartige Krieger mit dem hohen Hut hockt geduldig auf einem Vogel, einem pummeligen, weißen Geschöpf ohne Beine. Fast könnte man meinen, er meditiere. Unter ihm erstreckt sich eine endlose Wüste, ein immer wiederkehrendes Motiv in Moebius‘ gesamten Werk. Das Bild strahlt spirituelle Kraft aus.
Arzak ist ein Vermächtnis von einem der großartigsten Künstler, die in der grafischen Literatur zu finden sind. Moebius, der mit bürgerlichem Namen Jean Giraud hieß, liebte es, flache Horizontlinien zu zeichnen. Die Wüste von Mexiko inspirierte ihn. Sie gab ihm Kraft und prägte seinen experimentellen Zeichenstil. Arzak und die Wüste – sie sind untrennbar miteinander verbunden.
L’arpenteur, der Raumvermesser, ist der Untertitel des französischen Albums, das im September 2010 bei Glénat und jetzt in Deutschland bei der Ehapa Comic Collection herausgekommen ist. Ein Fantasy- bzw. Science-Fiction-Abenteuer, der erste und einzige Band einer unvollendeten Serie.
Arzak, der in früheren Geschichten auch Arzach, Harzak oder Arzack hieß, muss irgendwann von seinem Vogel absteigen, sonst gibt es kein Abenteuer, keine Geschichte. Die Wüste zieht ihn an. Sie holt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück und beendet das Träumen und Gleiten. Das Unbewusste kann dem Bewussten nicht aus dem Weg gehen.
Der Planet, an dem sich in diesem Abenteuer das Schicksal bricht, heißt Tassili. Hier ringen die Menschheit und das Volk der Werg um die Vorherrschaft im Universum. Wenn man von der spannenden, phantasievollen und elegant erzählten Handlung einmal absieht, kann man Arzak als einen teils amüsierten, teils bissigen Kommentar zum Hier und Jetzt verstehen. Arzak, der in diesem Abenteuer nicht freiwillig von seinem Vogel abgestiegen ist, sondern abgeschossen wurde, hat seinen spirituellen Raum verlassen müssen, um einem allgemeinen Übel ins Gesicht zu blicken: Der Ignoranz.
Fremdenfeindlichkeit, Willkür und Gewalt sind auf Tassili an der Tagesordnung. Hinzu kommt eine gelähmte, am Profit orientierte Bürokratie und eine herrschende Klasse, die lieber in einem verbarrikadierten Turm in Milch badet, als sich um die dringenden Probleme der Außenwelt zu kümmern. Die Frage, ob besser die Menschen oder die Werg das Universum regieren sollten, stellt sich also gar nicht.
Ob und wann Arzak in dieser Serie wieder über die Wüste geglitten wäre, bleibt offen. Sein Versuch, Ordnung im Universum herzustellen, ist ohne Abschluss. Das Gleichgewicht zwischen Traum und Realität, zwischen Unterbewusstsein und Bewusstsein, das ist jetzt an uns, den Lesern. Moebius geht das Ganze nichts mehr an. Er verließ diese Welt am 10. März 2012.
Arzak – Der Raumvermesser
Szenario und Zeichnungen: Moebius
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Weitere Links:
Die französischsprachige Webseite von Moebius
Ein arte-Beitrag über Moebius auf YouTube
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