Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz.

Joschka Fischer und Jörg Armbruster diskutierten gestern Abend Krieg und Frieden – im Thalia Theater

Der Sitz der Gewalt (Bild: Thalia Theater/© Krafft Angerer)
Theatersessel (Bild: Thalia Theater/© Krafft Angerer)

Ob das The­ater sich in die Poli­tik ein­mis­chen solle, ist eigentlich keine Frage in der 2000-jähri­gen Geschichte der drama­tis­chen Kun­st, das hat es von alters her getan. Dass im The­ater über Poli­tik gesprochen wird, ist eben­falls keine Novität und so bietet auch das Ham­burg­er Thalia The­ater auf sein­er Bühne Platz für Fra­gen der Gesellschaft, die wohl nicht durch die Kun­st ver­schleiert wer­den. Klar­text also?

“Bridg­ing the Gap” heißt die Rei­he, in der der “Dia­log zur Über­win­dung kul­tureller und poli­tis­ch­er Kon­flik­te” gepflegt wer­den soll. Die Auf­tak­tver­anstal­tung der diesjähri­gen Diskus­sion­srunde haben wir am gestri­gen Abend unseren Lesern im Livestream ange­boten, die Gäste waren der ehe­ma­lige Aussen­min­is­ter Josch­ka Fis­ch­er und der ARD-Aus­land­sko­r­re­spon­dent Jörg Arm­bruster.

HHF-Redak­teur Hans-Jür­gen Bene­dict war dabei, als es um Fra­gen zwis­chen Krieg und Frieden ging.

Josch­ka Fis­ch­er, kör­per­lich und als elder states­man und Poli­t­ex­perte immer noch ein Schw­ergewicht, gab sich nach­den­klich, antwortete zöger­lich auf die Fra­gen des ARD-Aus­land­sko­r­re­spon­den­ten Jörg Arm­bruster. Er erin­nerte daran, dass Nazideutsch­land nur durch die Lan­dung der Alli­ierten in der Nor­mandie unter großen Ver­lus­ten niedergerun­gen wer­den kon­nte – wobei er die ungle­ich größeren Ver­luste der Roten Armee im Kampf gegen die deutsche Wehrma­cht ver­schwieg.

Er wieder­holte seine bekan­nte Posi­tion in der Entschei­dung für die Beteili­gung der Bun­deswehr am Koso­vokrieg von 1999. “Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz. Bei­des gehört für mich zusam­men.”

Man dürfe nicht zuse­hen, wenn mit­ten in Europa eine eth­nis­che Säu­berung vorgenom­men wird. Fis­ch­er betonte, wie sehr ihm das Mas­sak­er von Sre­breni­ca 1995 in den Knochen saß. Und wie seine Frage an den eige­nen Vater wieder hochkam: “Warum hast du nichts getan, um die Ver­brechen der Nazis zu ver­hin­dern?”

Das Ein­greifen auf dem Balkan hätte früher und entsch­ieden­er sein müssen, auch unter Ver­let­zung des Völk­er­rechts. Er erin­nerte daran, dass die NATO zwei mal zugun­sten mus­lim­is­ch­er Bevölkerungsrup­pen einge­grif­f­en hätte. Bis heute wür­den die Sol­dat­en der Bun­deswehr im Koso­vo eine wichtige friedenssich­ernde Funk­tion haben.

Wurde also in der 2.Phase des Balkankrieges alles richtig gemacht? Arm­bruster hak­te hier nicht nach. Hätte es nicht auch eine zivile Kon­flik­tlö­sung geben kön­nen, wenn man frühzeit­ig auf eine mas­sive Präsenz von Beobachtern geset­zt hätte und auf mehr Sank­tio­nen?

Ein ander­er Gesprächs­gang galt der Ukraine-Krise. Fis­ch­er machte sich über die “Putin­ver­ste­her” in der SPD lustig. Er habe keine Lust und Zeit, auch diese noch zu ver­ste­hen.

Aus sein­er Erfahrung mit Putin in dessen erster Amt­szeit wisse er, dass dieser von dem Phan­tom­schmerz über den Ver­lust der Welt­macht­spo­si­tion der Sow­je­tu­nion bes­timmt sei.

Seine sprung­hafte, nicht durch­dachte Poli­tik in der Ukraine habe darin ihren Grund. Europa müsse aber auf der Unver­let­ztlichkeit der Gren­zen beste­hen, eine Kriegs­ge­fahr sehe er momen­tan nicht.

Schließlich der Nahe Osten: West­er­welles Enthal­tung im Sicher­heit­srat bei der Libyen-Entschei­dung respek­tiere er. Jörg Arm­bruster, der ja bei sein­er ARD-Berichter­stat­tung in Alep­po schw­er ver­let­zt wurde, inter­ve­nierte mehrfach:

Was sei denn im syrischen Bürg­erkrieg zu tun? Müsse man nach den von Fis­ch­er aufgestell­ten Regeln nicht auch dort auch mil­itärisch inter­ve­nieren? Fis­ch­er meinte dazu, die Gesamt­lage im Nahen Osten lasse das, im Unter­schied zu Libyen, nicht zu.

So sehr einen das große Lei­den der Zivil­bevölkerung nahe gehe, die Sicher­heit­slage sei zu unüber­sichtlich. Es wäre bess­er, wenn regionale Insti­tu­tio­nen wie die Ara­bis­che Liga, Posi­tion beziehen und Maß­nah­men beschließen wür­den. Dann kön­nten auch Europa und die NATO etwas tun.

Fis­ch­er kri­tisierte Oba­ma dafür, eine rote Lin­ie (Gift­ga­sein­satz) gezo­gen, aber dann nichts getan zu haben. Hän­gen blieb auch sein Antwort auf die Frage nach der Rolle Deutsch­lands: Es könne sich “als bevölkerungsre­ich­stes und wirtschaftsstärk­stes Land nicht her­aushal­ten. Wir sind keine große Schweiz.”

Der Abend ver­lief friedlich, keine laut­en Zwis­chen­rufe, keine Farbbeu­tel wie noch zu Min­is­terzeit­en, ein sehr gesit­tetes und vor­wiegend älteres Pub­likum …

Arm­bruster präsen­tierte zum Schluß, als schon eine gewisse Ermü­dung um sich griff, Fra­gen von Schülern des Inter­nats Salem, das er ger­ade besucht hat­te. Bess­er wäre es sich­er gewe­sen, das Pub­likum hätte sel­ber Fra­gen stellen kön­nen.

So war es ins­ge­samt eine inter­es­sante, aber auch etwas nölige Lehrstunde eines poli­tis­chen Auto­di­dak­ten, den die Zivilgeschichte der eher paz­i­fistis­chen BRD zum ersten zeitweilig bel­lizis­tis­chen Außen­min­is­ter gemacht hat­te.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*