Die See hat mich lieb

Das eigentümliche Ding mit dem Wasser – Hafennacht eV

Der nun­mehr pri­vatierende Ham­burg­er Bürg­er­meis­ter hat wohl ein­mal erk­lärt, “Mit einem Bein” von Hafen­nacht eV (von der let­zten Plat­te Meer Lieder) sei sein Lieblingslied. Das ehrt in diesem Fall ein­mal den anson­sten nicht beson­ders kul­turbe­flis­se­nen Lokalpoli­tik­er, doch glaubt man, beim Trio Hafen­nacht eV würde es sich um die Kam­mer­musikver­sion der Finkwarder Speeldeel han­deln, die nord­deutsches Brauch­tum in Welt brin­gen, der irrt sich unge­mein. Mit Shan­ty­chören im Buscherump und ähn­lichem Fis­chkut­tergedöns haben die drei Musik­er tat­säch­lich wenig am Hut, eher sind sie dabei, ein Genre neu zu erfind­en. Mar­itimes Chan­son kann man das unter Umstän­den nen­nen, so ganz trifft es das aber auch nicht. Um es ganz ein­fach zu machen: Hafen­nacht eV spie­len Lieder, und die haben emo­tion­al und/oder the­ma­tisch mit dem Meer zu tun.

In nord­deutschen Gefilden ist das mit dem Wass­er ein eigen­tüm­lich Ding. An der Küste ist das Meer Bedro­hung und Leben­sraum zugle­ich, die Seefahrt Exis­ten­z­grund­lage und auch Möglichkeit zur Sehn­sucht, das harte Leben zu ver­lassen. Ein biss­chen weit­er lan­dein­wärts wird das gerne mal arti­fiziell über­höht, mit und auf dem Meer hat man hier viel Geld ver­di­ent und tut das auch recht gut. Und natür­lich wird auf der Alster gesegelt. Das Wass­er weckt selt­same Emo­tio­nen. Und genau hier set­zt Hafen­nacht eV an, nutzt ein­er­seits den allüber­all im ozeantiefen Kon­text befind­lichen mar­iti­men Emo­tion­skitsch, aber manövri­ert immer wieder gekon­nt an der volk­stüm­lichen Blau­jack­en-Para­phrase vor­bei. Das Akko­rdeon (Heiko Quis­torff) jault, aber hat Swing. Der Gitar­rist (Erk Braren) ist kein klampfend­er Barde, der nur drei Akko­rde beherrscht, son­dern ein Vir­tu­ose an seinem Instru­ment. Und die Stimme – Uschi Wit­tich ist mit einem Organ geseg­net, das zwis­chen jugendlichem Schmelz und kraftvoller Ver­spieltheit alles vere­int, was eine (Natur-) Stimme so zu bieten hat. Das Tim­bre erin­nert zuweilen ein wenig an die junge Ulla Mei­necke. Diese kleine Wun­derkapelle hat eine neue Plat­te her­aus­ge­bracht, die Auf Kurs heißt.

Stand das erste Album (Lieder vom Wass­er, 2005) noch in der Tra­di­tion ver­gan­gener mar­itimer Gassen­hauer und schöpfte aus dem Reper­toire (“La Palo­ma”), zeich­nete sich mit dem 2007 erschienen Meer Lieder schon ein neuer, eigen­ständi­ger Stil ab. Songs wie das besagte “Mit einem Bein” wur­den neu kom­poniert und getex­tet, diesen Weg gehen Hafen­nacht eV mit der neuen Plat­te ziel­gerichtet weit­er. Fast schon konzep­tionell begin­nt der Reigen der neuen Lieder mit “Rolling Home” – nein, nicht der Shan­ty –, ein kleines Hoff­nungslied, das vom Ankom­men – woher auch immer – berichtet. Sei es das muntere “Pirat­en”, sei es der Cis­sy Kran­er-Klas­sik­er “Der Novak” (sic!), die Songs kreiseln, mal näher, mal fern­er, um das Meer – eigentlich aber um das Gefühl, das das Meer her­vor­rufen kann. Das kann mal sehr char­mant-amüsant sein (“Die Dame von der Elbchaussee”), ein herziges Duett mit Eddy Winkel­mann (“Dein Hafen bin ich”) wer­den oder auch mal nach Fado schmeck­en (“Can­cao Do Mar”). Das macht alles viel Freude und ist fern von jeglichem Retro-Gehabe, ist klar und frisch. Neben­bei: Der zweite Track heißt “Die See hat mich lieb” – stimmt!

[xrr rating=5/5]

Alle drei Plat­ten sind hier zu beziehen.

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