Auf St. Pauli brennt nur Licht …

Die Einweihung des Klubhaus St. Pauli am Spielbudenplatz

Mensch, was es alles kann, das Haus. Auf jeden Fall irgendwas mit Medien. (Bild HHF/reytsch)

Hash­tag. Ein Hash­tag. Und noch ein­er. Da ist schon so richtig mod­ern, und so direkt und inter­ak­tiv. Das glauben nicht nur so manche öffentlich-rechtliche Fernseh­pro­gram­mach­er, die sich ihre junge Ziel­gruppe so her­beireden möcht­en und die die Ein­blendung von Tweets à la “@einhornträumerle #bvb #mar­coreus ich wil ein kind von dir” ins laufende Pro­gramm für die finale Auf­frischung ihres uni­di­rek­tionalen Medi­ums hal­ten.

Das glauben auch Wer­ber und das glauben Immo­bilien-Plan­er, die eine “weltweit einzige Medi­en­fas­sade” durch einen Vor­abend­fernseh­pro­gram­mod­er­a­tor präsen­tieren lassen. So eine Medi­en­fas­sade ist eine pri­ma Sache, man kann damit eine ganze Menge machen. Man kann Wer­be­film­chen darauf abbilden und bunte Schriftzüge, man kann grob gerasterte Wellen über so eine Haus schwap­pen lassen und auch die Fuss­bal­lergeb­nisse und noch so einiges mehr. Und natür­lich kann man auch Tweets ein­blenden, beson­ders von Leuten, die die ganze Sache toll find­en, das ist dann demokratisch, sagt der Mod­er­a­tor. Und dann wird es noch ein irgend­wie redak­tionell betreutes Pro­gramm geben, sagt er auch noch. Hash­tag oder so.

Was da an einem Mittwochabend, zu Beginn des Reeper­bah­n­fes­ti­vals, präsen­tiert wird, ist ein 17 Mil­lio­nen Baupro­jekt, direkt am Ham­burg­er Spiel­bu­den­platz. Es heißt “Klub­haus St.Pauli”, mit einem ange­sagten “K” am Anfang, diesem man­u­fak­tu­rat­menden Laut, der so nach Berlin-Mitte-Pro­jekt und Bier aus handgezupftem Hopfen klingt – und es beherbergt Musik­clubs, und man plant auch “Flächen für urbanes Arbeit­en für die Kreativ- und Medi­en­szene”.

Auch das ist eine pri­ma Sache, im Falle der Musik­clubs sog­ar eine höchst löbliche, man fördert die soge­nan­nte Clubkul­tur und schafft Auftrittsmöglichkeit­en für Kün­stler, auch für den Nach­wuchs. Da ist schön. Das “Kuku­un” und der “Som­m­er­sa­lon” sind einge­führte Spiel­stät­ten für Bands zwis­chen Funk und Pop an diesem Ort und durften in diesen bei Nacht schim­mern­den Neubau wieder einziehen. Neu dabei sind der indie-irgen­was-Club “Häkken” und der schon Anfang Juni eröffnete Schmidt-The­ater-Ableger “Schmidtchen”. Auch noch drin sind “Alte Liebe” und der “Bahn­hof St. Pauli”.

Das Inve­storen­gremi­um um Schmidt-Doyen Corny Littmann, hat­te geladen, um das zu feiern, es gibt Astra-Bier, denn man ist ja auf dem “Kiez”, da ist das echt und authen­tisch. Abge­se­hen davon kann man auf der “weltweit einzi­gar­ti­gen” Mul­ti­me­dia-Fas­sade sehen, wie Astra-Bier in ein Glas läuft, das Glas ist in Wirk­lichkeit der Fahrstuhlturm, und der Fahrstuhl fährt genau­so schnell nach oben, wie das Bier ins Glas läuft. Das macht wirk­lich Sinn und passt genau­so zur Ver­anstal­tung wie der Szene-Schein-Eremit Udo Lin­den­berg, der den Schal­ter zu Beginn der tech­nis­chen Vor­führung umle­gen darf, das Wort “keine Panik” fällt nach weni­gen Sekun­den, naturgemäß.

Der ursprünglich angekündigte erste Bürg­er­meis­ter hat seine Bause­n­a­torin geschickt, auch das scheint dem Ereig­nis angemessen. Nach Udo Lin­den­berg wird über­raschend von Olympia 2024 in Ham­burg gesprochen, das Logo kann man auch auf der Fas­sade ein­blenden und ein olymp­is­ch­er Sportler und eine eine par­a­lymp­is­che Sport­lerin sagen jew­eils zwei Sätze.

Dann kommt die Sache mit den demokratis­chen Tweets und immer wieder mal Ani­ma­tio­nen, die ausse­hen wie Com­put­er-Bild­schirm­schon­er aus den 90er Jahren. Man nen­nt das nun aber nicht mehr “Ani­ma­tion”, so wie früher, son­dern “Core Visu­al” und “kün­st­lerische Grundbe­spielung”. Das Haus schim­mert mal gel­blich-gülden, mal mauve-rosé, das Ganze hat einen beträchtlichen Schauw­ert.

Schließlich dür­fen die Gäste ins Haus hinein, im 2. Stock ist man noch nicht so ganz fer­tig, aber für eine Par­ty reichts. Die Wan­dleucht­en haben noch Papp­schutzhauben auf, jemand hat eine Pyra­mide mit gold­e­nen Hasel­nusskugeln aufge­baut und in ein­er Ecke gibt es kiezgerechte Cur­ry­wurst. Ein paar rote Boden­strahler machen Stim­mung, in jed­er Ecke ist eine Dragqueen drapiert, man trägt dun­kle Anzüge und noch dun­klere Hem­den ohne Kra­vat­ten und nimmt sich sein Bier – man kann errat­en, welche Marke – lock­er aus dem Kühlschrank. Und Udo Lin­den­berg ste­ht hin­ter einem rot­samte­nen Absper­rband.

Wozu das Haus, außer als Con­tain­er für Clubs und Büros, dient, wird bei der Ein­wei­hung deut­lich: “Ham­burgs attrak­tivste Wer­be­fläche” — so ste­ht es auf der Web­seite des Haus­es. Das ist nicht sehr beein­druck­end, eine weit­ere Leuchtreklametafel, “weltweit einzi­gar­tig” – wenn das der Times Square wüsste.

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