Drei Länder, drei Kulturen, eine Bühne

Mit „Trinity“ zeigt die „Jin Xing Dance Company“ auf Kampnagel einen Tanzabend mit drei individuellen Handschriften.

Die Company in der Choreographie von Jin Xing. Bild: Deng Xi Yang

Chi­na, Israel und die Nieder­lande: drei Län­der, die unter­schiedlich­er nicht sein kön­nten. Und doch schaf­fen es die Chore­ografen Jin Xing aus Chi­na, Emanuel Gat aus Israel und der Nieder­län­der Arthur Kugge­leyn, die Com­pa­ny „Jin Xing Dance The­atre“ auf Kamp­nagel in drei Vari­anten zu präsen­tieren, die sich zu einem Tan­z­abend ergänzen.

Den Anfang macht eine der pop­ulärsten Frauen Chi­nas: Jin Xing ist Chefin der Com­pa­ny, zudem erfol­gre­iche TV-Mod­er­a­torin, aber vor allem eine mutige und selb­st­be­wusste Frau, deren Geschichte Mut macht, an seinem Glauben und seinen Zie­len festzuhal­ten. Denn Jin Xing wurde als Mann geboren, in einem Land, das für seine Unter­drück­ung, Repres­salien und Respek­t­losigkeit gegenüber Min­der­heit­en bekan­nt ist. Trotz dieser Wider­stände ging Jin Xing ihren eige­nen Weg und unter­zog sich ein­er Geschlecht­sumwand­lung. Ihr ungezügel­ter Mut wurde belohnt: Sie wurde als erster Trans­gen­der in Chi­na von offizieller Seite zur Frau erk­lärt. Doch das genügte der aus­ge­bilde­ten Bal­lett­tänz­erin nicht. Mit Willen und Selb­st­be­wusst­sein hat sie es ganz nach oben geschafft und ist heute sowohl TV-Star als auch die berühmteste zeit­genös­sis­che Chore­ografin Chi­nas.

Frau-Sein und der Umgang mit dem eige­nen Geschlecht ist auch The­ma ihres Stück­es, das den Auf­takt des dre­it­eili­gen Abends auf Kamp­nagel macht. Neun Tänz­erin­nen erscheinen in schlicht­en schwarzen Klei­dern auf der Bühne. Sie sind bar­fuß. Am vorderen Büh­nen­rand warten neun Paar hochhack­ige Schuhe nebeneinan­der auf ihre Besitzerin­nen. High Heels als Sym­bol für Weib­lichkeit, Selb­st­be­wusst­sein und Macht? Ist eine Frau erst schön, wenn sie ihrem Geschlecht und ihrem Dasein durch hohe Absätze Glanz ver­lei­ht?

Fühlen wir uns erst wahrgenom­men und vom männlichen Geschlecht akzep­tiert, wenn wir hohe Abätze tra­gen? Strahlen wir erst durch eine bes­timmte Klei­dungsart, durch einen uns von der Gesellschaft vorgegeben weib­lichen Stil Stolz, Stärke, gar Macht aus, weil wir das Gefühl haben, über uns und die ganze Welt hin­auszuwach­sen? Auch die Tänz­erin­nen auf der Bühne scheinen mit diesen Fra­gen zu hadern. Während ihres Tanzes ziehen sie die Schuhe immer wieder aus, dann wieder an. Manch eine scheint hin und her geris­sen zu sein. Soll sie sich den anderen, die ihre Schuhe abgelegt haben, anschließen?

Am Ende schmeißt auch die let­zte Tänz­erin die Schuhe weg. Und siehe da: Bar­fuß sind diese Frauen keineswegs weniger fem­i­nin. Sie stützen keck die eine Hand in die Hüfte, ziehen ihre Klei­der etwas höher, um ihre Beine dem Betra­chter frei zu leg­en. Mit ihren Hän­den fahren sie über ihre weib­lichen Run­dun­gen. Sie scheinen eins zu sein mit ihren Köpern und zele­bri­eren ihre Weib­lichkeit, ob mit oder ohne Absätzen. Eine gelun­gene Per­for­mance, eine erstk­las­sige Mis­chung aus Tanz und the­atraler Darstel­lung.

Gezieltes Chaos: GAT´S von Emanuel Gat Bild: Deng Xi Yang
Gezieltes Chaos: GAT´S von Emanuel Gat
Bild: Deng Xi Yang

Als Kon­trast fol­gt ein Stück des israelis­chen Chore­ografen Emanuel Gat. Die Tänz­er sind spär­lich begleit­et. Sie ren­nen quer über die Bühne, find­en in kein­er Bewe­gung Halt. Es herrscht Chaos, einen Zusam­men­halt zwis­chen den Tänz­ern scheint es nicht zu geben. Ihre Bewe­gun­gen sind ver­wor­ren und ergeben keinen Sinn. Es ist wed­er ein Zusam­men- noch ein Wech­sel­spiel zu erken­nen. Nicht ein­mal die elek­tro­n­is­chen Klänge passen zu den ver­schiede­nen Tanzstilen auf der Bühne. Es ist Gats Hand­schrift, die diese Per­for­mance prägt: Es fehlt an ein­er Geschichte, die das Stück erzählt. Das Ver­hält­nis von Tanz und Musik ist ein eigenes. Bei­des kann unab­hängig voneinan­der ste­hen. Einen Zusam­men­hang muss es nicht geben. Gat reduziert seine abstrak­te Chore­ografie auf den einzel­nen Tänz­er, auf seine Bewe­gung und die Musik, die der Chore­ograf häu­fig selb­st kom­poniert. Dem einen mag diese Auf­führung sinn­los erscheinen, weil es ihr an einem roten Faden fehlt. Den anderen wiederum begeis­tert Gats Abstrak­tion, das Undurch­schaubare. Am Ende ver­di­enen sowohl Chore­ograf als auch Tänz­er den Applaus. Gat für seinen Mut, zeit­genös­sis­chen Tanz neu zu inter­pretieren und die Tänz­er für ihre sportliche Leis­tung in ein­er so her­aus­fordern­den Chore­ografie.

"Cage Birds", die Choreographie von Arthur Kuggeleyn Bild: Purple Star
“Cage Birds”, die Chore­o­gra­phie von Arthur Kugge­leyn
Bild: Pur­ple Star

In der let­zten Auf­führung des Nieder­län­ders Arthur Kugge­leyn dient ein Wolken­him­mel als Kulisse. Mehrere Tänz­er erscheinen zu indis­chen Klän­gen in fed­er­le­icht­en Gewän­dern auf der Bühne. Die Musik wird immer rhyth­mis­ch­er, die Bewe­gun­gen der Tänz­er passen sich ihr an. Der Rhyth­mus geht mehr in ein hyp­no­tis­ches Zusam­men­spiel von Tanz und Klang über. Wie bei einem Vogelschwarm fol­gen die Tänz­er ein­er eige­nen Logik, immer auf Präzi­sion bedacht. Mit ihren wiederkehren­den Bewe­gun­gen, die im Ein­klang mit den hyp­no­tis­chen Klän­gen ein­herge­hen, ziehen sie den Betra­chter in einen Sog, ver­set­zen ihn beina­he in Trance. Erst das jubel­nde Pub­likum reißt einen aus dieser Entrück­ung. Und das Pub­likum jubelt zu Recht.

Der Applaus gilt nicht nur den einzel­nen Stück­en, son­dern vor allem dem Dreik­lang, den die Unter­schiedlichkeit der drei Chore­ografen erzeugt hat. Drei Kon­ti­nente, drei Län­der und drei Tanzstile auf ein­er Bühne erzeu­gen die Magie und Fasz­i­na­tion des Abends.

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