Glanz und Hauch

Echoklänge mit der Bratschistin Tabea Zimmermann

Es ist schon ein Kreuz mit den Ehrun­gen. Es gibt Dut­zen­de und sie sind natür­lich alle renom­miert, von hoch­ka­rä­ti­gen Jurys ver­lie­hen, und dann gibt es immer eine der schö­nen Galas mit ein­ge­kauf­ten Lau­da­to­ren, die vom jewei­li­gen The­ma nicht den gerings­ten Schim­mer haben und dazwi­schen spielt Till Brön­ner mit dem Film­or­ches­ter Babels­berg. Nun soll­te man mei­nen, dass die Ver­lei­hung des Echo Klas­sik anders wäre, immer­hin hält die Sze­ne auf sich, das Wah­re, Schö­ne, Gute hoch­zu­hal­ten, die »ech­te«, letz­te ver­blie­be­ne Kul­tur des Abend­lan­des, die sich hel­den­haft dem deut­schen Pisais­mus entgegenstellt.

Die­se Annah­me ist aller­dings dann doch ein Fehl­griff. Es gibt fast all das auch, nur Till Brön­ner und das Film­or­ches­ter feh­len. Ver­lie­hen wer­den die­se Prei­se an die der­zei­ti­gen Platz­hir­sche, die Lang Langs, die Jonas Kauf­manns und so wei­ter. Die haben alle schon gro­ße­ser­reicht, sind bei gro­ßen Plat­ten­fir­men und spie­len in ihren prä­mier­ten Plat­ten rela­tiv unmo­ti­vier­te Zusam­men­stel­lun­gen (Kauf­mann mit einer ziem­lich schwach­brüs­ti­gen Mahler/­Wag­ner-Kom­pi­la­ti­on) oder mal wie­der ein paar Beet­ho­ven-Sym­pho­nien (Paa­vo Jär­vi –gabs ja noch nie … oder?). Und dann gibt’s die gro­ße Fern­seh­show – mode­riert von jeman­dem, der sei­nen Bil­dungs­bür­ger­ruf über die Kennt­nis eini­ger Faust-Ver­se erlangt hat und somit offen­bar beru­fen ist. Das ist die eine Sei­te der Medaille.

Und dann gibt es da noch ein paar Pre­zio­sen im Pro­gramm. Skan­da­lö­ser­wei­se bekommt man von denen als Fern­seh­zu­schau­er nichts, aber auch gar nichts mit. Gezeigt wer­den – für die brei­te Mas­se? – Skur­ri­li­tä­ten wie ein Saxo­phon­en­sem­ble in der absur­den Kate­go­rie »Klas­sik ohne Gren­zen« oder jun­ge Solis­ten mit Model­ap­peal. Zu die­sen Pre­zio­sen in der Aus­wahl gehört Tabea Zim­mer­mann, eine Brat­schis­tin von Welt­ruf. Nicht ein­mal ihr Name taucht in der ZDF-Sen­dung auf.

Geehrt wur­de sie für ihre sprö­de, tie­fen­lo­ten­de und des­we­gen auch ful­mi­nan­te Solo-Plat­te mit Wer­ken von Reger und Bach. Um die soll es hier nicht gehen, denn schon liegt die nächs­te Pro­duk­ti­on in der Rega­len, wie der Vor­gän­ger als schön klin­gen­de SACD erschie­nen beim klei­nen und jun­gen Label myri­os clas­sics. Part­ner auf die­ser Plat­te ist der rus­si­sche Pia­nist Kirill Ger­stein, hier­zu­lan­de noch rela­tiv unbe­kannt. Das Pro­gramm ist kon­zen­triert, die Lite­ra­tur für Brat­sche ist ja durch­aus beschränkt. Neben den expli­zit für Vio­la und Kla­vier geschrie­be­nen Sona­ten von Rebec­ca Clar­ke (inter­es­san­te­re Spät­ro­man­tik könn­te man das nen­nen) und Vieux­temps – rei­zend – haben sich die bei­den einer Vari­an­te der bedeu­ten­den Kla­ri­net­ten­so­na­te von Johan­nes Brahms 0p.120/2 als Pre­mier­stück gewählt. Das Werk gehört zu den Iko­nen der Kam­mer­mu­sik für Holz­blä­ser, stim­mungs­ge­la­den und dem Brahm­s­in­ti­mus Richard Mühl­feld zuge­eig­net. Die Vio­la-Ver­si­on stammt von Brahms selbst. Blä­ser haben qua ihrer Spiel­tech­nik eine eige­ne Dik­ti­on, der Atem gibt zwangs­läu­fig den Rah­men für Spiel­bö­gen und Pau­sen vor. Die­ser »Hauch« gibt den Cha­rak­ter der Stü­cke vor. Was liegt also näher, auch bei einer nicht für das Ursprungs­in­stru­ment geschrie­be­ne Fas­sung, die­sem Vor­bild zu fol­gen. Das genau macht Tabea Zim­mer­mann nicht. Ihre Phra­sie­run­gen sind um Nuan­cen anders, neu­er, und sie dürf­ten auch so man­chen mit der Lite­ra­tur ver­trau­ten Kla­ri­net­tis­ten schwer überraschen.

Brahms ist kein Kom­po­nist bedin­gungs­lo­ser Ent­hem­mung, immer wie­der wird ein auf­stre­ben­der musi­ka­li­scher Gedan­ke gebremst und abge­fan­gen. Dass es hin­ter die­ser – viel­leicht grund­bür­ger­li­chen – Brem­se noch wei­ter­ge­hen kann, macht die­se Auf­nah­me ahnen.Der kla­re und prä­zi­se Ton Zim­mer­manns ver­hin­dert dabei jeg­li­ches Ein­lul­len durch Schön­klang und ent­wi­ckelt trotz­dem gro­ße Wär­me. Wie gesagt, eine Pre­zio­se. Nicht uner­wähnt las­sen darf man das Duo-Spiel zwi­schen Ger­stein und der Brat­schis­tin. Das Werk ist auf den Effekt des Solo­in­stru­ments aus­ge­rich­tet, Kirill Ger­stein und Tabea Zim­mer­mann machen an man­chen Stel­len einen recht eng ver­wo­be­nen Dia­log fern jedes Effek­tes daraus.Es scheint sich um eine die­ser glück­haf­ten Zusam­men­ar­bei­ten zu han­deln, wie man sie höchst sel­ten antrifft.

Und das macht die­ses völ­lig unbe­deu­ten­de Skan­däl­chen einer Nicht­er­wäh­nung ver­ges­sen. Es gibt eben Wichtigeres.

[xrr rating=5/5]

Tabea Zimmermann/​Kirill Gerstein:
Brahms Clar­ke Vieux­temps – Sona­ten für Vio­la & Kla­vier Vol. 1

1 Kommentar

  1. Mensch, du hast ja einen Out­put! Auch, wenn die Brat­schen nicht so mei­ne Welt sind, und ich Till Brön­ner nur aus X‑Factor ken­ne (ja, da isser super:-)): Das neue Lay­out ist viel bes­ser als das alte. Nur ein paar Absät­ze mehr, ver­bun­den mit Ein­zü­gen, wür­den die Les­bar­keit noch ver­bes­sern. Wei­ter machen! 🙂

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