Eigentlich wollte Andrej Delany nie wieder nach Borsa zurückkehren. Das kleine Dorf in den Karpaten ist ihm seit seinem vierzehnten Lebensjahr zuwider. Damals vertrieben ihn die Dorfbewohner mit Knüppeln und Steinen, weil sie ihn für einen Hexer hielten. Nichtsdestotrotz hat Andrej sich dazu entschieden, seinen Sohn Marius an diesem Ort zu verstecken.
Jetzt steht Andrej seinem Sohn gegenüber und traut seinen Augen kaum. Sein Junge ist gefesselt, sein Körper blutüberströmt und aus seiner Brust ragt ein Speer. Das Dorf wurde von der Inquisition heimgesucht. Wen sie nicht töteten, den nahmen sie gefangen und verschleppten ihn. Marius haben sie zurückgelassen. Seit zwei Tagen leidet er schreckliche Qualen.
Andrej sieht sich gezwungen, seinen Sohn zu erlösen: “Ich bin gekommen, um dich mitzunehmen … ins Paradies.” Tags darauf beerdigt er ihn unter einer alten Eiche. Von hier an entspinnt sich eine brutale und düstere Rachegeschichte. Andrej macht sich auf die Suche nach dem Inquisitor und den drei Rittern, die den Tod seines Sohnes zu verantworten haben. Begleitet wird er von Frederic, einem Jungen aus Borsa, der nur durch einen Zufall das Massaker überlebt hat.
Bei Die Chronik der Unsterblichen handelt es sich um Genre-Kost: dunkle Fantasy mit einem Schuss Mittelalter. Schöpfer der Roman-Reihe ist Wolfgang Hohlbein, seines Zeichens deutscher Fantasy-Papst. In Die Chronik der Unsterblichen verwebt er reale historische Ereignisse mit Vampiren und anderen Fabelwesen. Inzwischen umfasst die Roman-Reihe 17 Bände. Der erste Roman erschien 1999 im Ullstein Verlag. Mittlerweile läuft die Reihe bei Egmont Lyx.
Der erste Band der Fantasy-Reihe trägt den Titel Am Abgrund und wurde von Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg als Comic umgesetzt. Das erste Comic-Album erschien im Oktober 2004 und wurde ein Jahr später auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Sondermann-Preis ausgezeichnet.
Danach begann das lange Warten auf Band 2 … Im Juni 2011 war es dann soweit und das zweite Comic-Album erblickte das Licht der Öffentlichkeit, circa sieben Jahre später. Damit ist der Roman Am Abgrund nun abgeschlossen, es harren weitere ihrer grafischen Verwirklichung.
Nicht nur in Deutschland war der Comic Die Chronik der Unsterblichen sehr erfolgreich, sondern auch in Frankreich. Dort wurden beide Alben bei Éditions Paquet veröffentlicht. Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg, die beide der Münchener Ateliergemeinschaft Die Artillerie angehören, beweisen mit Die Chronik der Unsterblichen ihr Können.
Gut getan hat der Geschichte, dass Wolfgang Holbein den beiden Comic-Künstlern freie Hand gelassen hat, was die Bearbeitung seiner Vorlage angeht. Nicht nur, dass die im Prinzip recht simple Story spannend erzählt ist, grafisch sind beide Alben atemberaubend gut gemacht. In dieser Hinsicht gehören sie zum Anspruchsvollsten, was in den vergangenen Jahren in Deutschland in Sachen Comic produziert wurde. Auch Ria (erschienen im Splitter Verlag) und Steam Noir (bei Cross Cult) haben in der jüngeren Vergangenheit diesen Anlauf gewagt: Unterhaltsame Fantasy, grafisch höchst versiert, von hiesigen Künstlern produziert, geeignet für eine internationale Vermarktung.
Schade nur, dass die Comic-Fassung von Die Chronik der Unsterblichen wohl niemals abgeschlossen werden wird. Hohlbein schreibt die Romane schneller, als von Kummant sie zeichnen kann. Macht aber nix. Wer wissen will, wie die Geschichte weitergeht, kann ja zu den Romanen greifen.
Die Chronik der Unsterblichen –
Am Abgrund I & II
Zeichnungen: Thomas von Kummant
Szenario: Benjamin von Eckartsberg
Links:
Zack-Interview auf comicradioshow.com
www.die-artillerie.de
www.chronik-der-unsterblichen.de
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