[H]igh [D]efinition

Bastian Krafts elektrifizierter "Krug" am Thalia Theater

Und wenn der Strom mal aus­fällt? (Bild: © Gina Sanders — Fotolia.com)

Martin Gore muss hin­ter der Bühne ste­hen, vielle­icht ja auch Karl Bar­tos. Karl Bar­tos würde vielle­icht dem Regis­seur bess­er gefall­en. Denn es klimpert der elek­trisch zer­ber­s­tende Krug immer wieder mal ins Stück, als sei’s ein Sam­ple von Kraftwerk oder Depeche Mode.

Das Tech­nis­che spielt eine ziem­liche Rolle in Bas­t­ian Krafts Kleist­bear­beitung vom “Zer­brochnen Krug”, das einzige Dra­ma, das zu Lebzeit­en des Dichters aufge­führt wurde und sein­erzeit ziem­lich durch­fiel. Wie man munkelt, lag das an Goethes ziem­lich kon­ven­tioneller Auf­führung am Weimar­er Hofthe­ater. Kon­ven­tionell möchte diese Insze­nierung am Thalia aber auf gar keinen Fall sein.

Auch wenn es noch entspan­nt-kon­ven­tionell begin­nt. In einem schö­nen kleistschen Monolog vor dem Eis­er­nen Vorhang, offen­bar aus der nicht in den finalen Text einge­gan­gen Phöbus-Fas­sung, erzählt Birte Schnöinks Eve erst ein­mal die Geschichte, um die es geht. Diese Expo­si­tion ist nicht unnötig, schließlich dauert der Abend nicht ein­mal zwei Stun­den, ist also knapp gestrichen und schnell gespielt, da klärt sich bess­er vieles schon ein­mal im Voraus. Es ist ja auch kein Sam­stagabend­kri­mi.

Sobald sich der “Eis­erne” dann hebt, ist es dann Schluss mit Monologkun­st, die tech­nikgeprägte Welt des Bas­t­ian Kraft begin­nt stu­pend. Auf dem Oper­afolien-Prospekt in der Halb­dis­tanz der Bühne sieht man große Köpfe, es sind die Gesichter von Philipp Hochmair (Adam) und Tilo Wern­er (Licht), bei­de haben jew­eils eine dieser schick­en HD-Kam­eras in der Hand und spie­len den Anfangs­di­a­log als Duell der Mienen im Close-up.

Das ist auf gar keinen Fall kon­ven­tionell und der wie immer physisch sehr präsente Philipp Hochmair sollte auf­passen, nicht als ewiger Bocks­fuß in die Geschichte sein­er Thalia-Arbeit einzuge­hen – von seinem Mephis­to-Charak­ter in Nico­las Ste­manns langem Faust bis zum einiger­maßen ver­schla­ge­nen Dor­frichter Adam ist es nur ein klein­er Hinkeschritt. Aber er unter­hält vortr­e­f­flich.

Die näch­ste Ver­wand­lung ste­ht an, der Hor­i­zont reißt auf, und hin­ter diesem kommt ein labiles Gebilde aus schwarzen Stahl­pro­filen zum Vorschein. 8 nach vorne offene Kam­mern sind in zwei Rei­hen aufge­hängt, diese hän­gen wiederum beweglich an einem hor­i­zon­tal­en Rah­men, die Rück­wände sind wieder pro­jek­tion­s­geeignet bespan­nt. Das müssen sie auch, denn jede Box ist mit den schon bekan­nten Kam­eras aus­ges­tat­tet. (Bühne: Peter Baur)

Ein Raster also, auch für die 8 Per­so­n­en des Stück­es, eine jede hat ihr eigenes Kästchen. Die Welt ist hier nicht fest­ge­fügt. Es wack­elt.

Und dann geht es flott los, mit der all­ge­meinen Befra­gung der Zeu­gen und der Ver­hand­lung, ein jed­er in sein­er Box. Hin und wieder wird eine biss­chen zwis­chen den wack­li­gen Kisten herumge­turnt, immer wieder mal das Video­bild der jew­eili­gen Red­ner auf die Rück­wände einge­blendet, ab und an überblendet man und macht Gegen­schnitte, schließlich ist das Ensem­ble kom­plett ver­drahtet. Der Krug-Sam­ple struk­turi­ert gele­gentlich die Szenen­wech­sel und die Pointen sitzen ziem­lich gut im Tim­ing. Es ist amüsant.

San­dra Flubach­er gibt eine ziem­lich trock­en-gewitzte Marthe Rull, spie­len tut sie immer noch gern, das merkt man, auch wenn man sie nicht mehr ganz so oft auf dieser Bühne sieht. Und wenn dann alle reden, hin­tere­inan­der, durcheinan­der, dann gibt es sie, diese Kleistsche Kako­phonie des Missver­ste­hens, die Auflö­sung von Worten in Leere, die Destruk­tion. Es wack­elt, aber sehr sel­ten.

Nun kann man sich natür­lich auch fra­gen, was denn dieses ganze Video-Gezeige, die Close-ups, die Schat­ten­risse (die gibt es auch) erzählt, in der kleistschen Komödie. Man ist ja ganz schön nah dran an den Gesichtern, das Wack­el­bild zeigt die “Reality”-Ästhetik ein­er ver­meintlichen Authen­tiz­ität.

Denn es geht ja um die Wahrheit in diesem Stück. Vielle­icht auch ein biss­chen um Schuld. Und was kön­nte wahrhaftiger sein, als das unmit­tel­bar in Großauf­nahme Gezeigte, die Nähe zu Aus­druck und Pore?

Kon­se­quenter­weise wird die Schein­re­al­ität des Video­bildes genau dann abgeschal­tet, als es an die schlussendliche Aufk­lärung des Sachver­haltes geht. Die Kam­mern sind abge­hängt, alles und alle kul­minieren in ein­er einzi­gen dieser Kisten, die eng wie ein Fahrstuhl sind.

Alle sind nah beieinan­der und, dann kom­men wir zur Wahrheit, ohne medi­ale Nähe. Das ist eine mögliche Sicht auf die Dinge, wen­ngle­ich eine schlichte. Hier wack­elt nichts mehr.

Zum Schluß kommt Philipp Hochmair im Halb­dunkel noch ein­mal auf die Bühne, schwenkt einen weißen Porzel­lankrug. Er zer­birst unter Ham­mer­schlä­gen. Ein wahrhaft unkon­ven­tionelles Ende. Es ist wirk­lich amüsant, sehr.

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