Erst die Sylvie und der Rafael, jetzt auch noch die Bettina und der Christian. Schlussmacher, soweit das Auge reicht. Gleich in der ersten Kalenderwoche 2013 zeigte die deutsche Prominenz, wie fest sie in der Mitte der Gesellschaft verankert ist: Schließlich, das wissen neugierige Nachbarn wie Scheidungsanwälte, fliegen auch beim deutschen Durchschnittspaar in der Stillen Zeit die explosivsten Fetzen. Prost Neujahr, aus die Maus.
Und da es im komischen Genre sehr auf Timing ankommt, ist es ein gelungener (wenn auch unfreiwilliger) PR-Gag, dass genau jetzt der neue Film von Matthias Schweighöfer anläuft: “Schlussmacher”, eine Kreuzung aus Beziehungskomödie, Road- und Buddy Movie. Wie in seinem letzten Schenkelklopfer “What a man” ist Deutschlands blondester Schauspieler auch hier wieder Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion. Schweighöfer spielt den ebenso smarten wie liebesunfähigen Paul, der sein Geld mit einer besonderen Form von Drecksarbeit verdient: Trennungsgespräche. Im Auftrag von Entliebten, die zu feige sind, selbst den Schlussstrich zu ziehen. Bewaffnet mit Edelstahlköfferchen, Infomappe mit der Aufschrift “Happy End” und einer Portion Küchenpsychologie (“Sie brauchen jetzt erstmal Zeit für sich selbst”) überbringt er stoisch schlechte Nachrichten, erträgt hysterische Anfälle und Tränenausbrüche, und hat dabei nur ein Ziel vor Augen: Partner werden in der Agentur. Das hat ihm sein Chef in Aussicht gestellt, perfekt besetzt mit dem Godfather der Deutschen Beziehungskomödie: Heiner Lauterbach in einer Rolle, die so gut sitzt wie einst die Anzüge des Werbers Julius aus Doris Dörries “Männer”-Film von 1985.
Pauls angekündigte Beförderung ist nur noch zehn erfolgreiche Trennungen entfernt, da bekommt er ungewollt Begleitung: Frauenversteher Toto (herrlich naiv-gefühlvoll: Milan Peschel), der über dem Liebes-Aus mit seiner Freundin Kathi (Nadja Uhl) völlig zusammenbricht und sich nach mehreren dilettantischen Selbstmordansätzen Paul an die Fersen heftet. Der wiederum ist dringend auf Totos Hilfe bei seiner finalen Schlussmacher-Tour durch ganz Deutschland angewiesen: Bei einem nicht minder dilettantischen Versuch, Toto an Polizei und Psychiatrie loszuwerden, hat er angetrunken seinen Führerschein eingebüßt. Irgendwie logisch, dass einer wie Paul keine Freunde hat, die ihm aus der Patsche helfen. Also braucht er einen Fahrer. Dumm nur, dass der sich nicht mit einer stummen Rolle zufrieden gibt. Und seinerseits mit einem ordentlichen Maß an Küchenpsychologie Beziehungen kittet, denen Paul doch den Todesstoß versetzen soll. So kann’s ja nichts werden mit der Partnerschaft – oder?
Der Grundeinfall des Films – eine Agentur für feige Trennungswillige – ist nicht neu. Schon 2008 strickte ein Hamburger Autorinnenduo unter dem Pseudonym Anne Hertz eine genretypische Her(t)z‑Schmerz-Geschichte um eine Frau, die einen derartigen Job annimmt und in Gewissensnöte gerät. Das stört aber nicht weiter, denn zunächst macht der Film eine ganze Menge aus der Steilvorlage: mit Tempo, einer überzeugenden Konstruktion und einer ganzen Reihe fein ausgedachter Gags. Wie der lebensmüde Toto zwei stoische Berliner Müllkutscher zu überzeugen versucht, sie mögen ihn doch bitte überfahren, ist großes Kino. Und auch später ist es Toto, der für große Momente sorgt und Klischees gegen den Strich bürstet. Etwa, als er nach einer Nacht mit einem selbstverständlich wunderschönen Lesben-Paar trocken konstatiert: “Wisst ihr, nichts gegen euch – aber ich bin wohl doch mehr der Beziehungs-Typ.”
Ach ja: Es hätte so schön sein können. Trotz des vorhersehbaren Doppel-Happy-Ends, trotz eines übertriebenen Einsatzes von Action-Elementen (Verfolgungsjagden, Auto-Abstürze). Geschenkt – so funktioniert das Genre in Zeiten von Youtube und Co. Aber dann passiert zwischen Film und Zuschauer in etwa das, was jeder kennt, der mal eine Zeit seines Lebens als Single verbracht hat: Ein vielversprechendes erstes Date, charmante Frotzelei, sogar die Temperatur des Rotweins stimmt – und plötzlich ruiniert das Gegenüber die Stimmung mit einer einzigen Bemerkung über sein Hobby (Schlammcatchen) oder seinen Musikgeschmack (alles von Aggro Berlin). So wird jeder Schmetterling im Bauch schockgefrostet. Leider gibt es auch in Schweighöfers Film einen solchen Moment, nein, gleich mehrere. Etwa der Kloschlüssel-Shot. Offensichtlich wegen des großen Publikumserfolges abgekupfert aus Til Schweigers “Zweiohrküken”-Schmonzette, da gab es das auch schon. Machtlos und angewidert müssen wir dabei zusehen, wie sich Emporkömmling Paul in einer Herrentoilette einen Milkshake aus den Haaren spült – aus der Perspektive des Abflussrohrs. Merke: Kloschüsselwäsche ist der neue Sahnetortenwurf. Kann es schlimmer kommen? Es kann: Tiefpunkt ist eine Szene mit Dreikampf auf einem Hotelzimmerbett, in der eine dicke Frau möglichst häufig ihre unförmigen Donnerschenkel in die Kamera hält. Da hilft es auch nichts, dass sie später von einem arabischen Scheich mit Vorliebe für dralle Deerns angeschmachtet wird – hübscher Einfall, aber zu spät. All das ist ein wenig so, als wäre Didi Hallervorden in eine Loriot-Sketch hineingebrettert: Nonstop Nonsense statt geistiges Florettfechten. Damit auch noch der letzte Super RTL-Zuschauer lacht.
Wirklich bemerkenswert ist der Film allerdings weder wegen der gelungenen Gags noch wegen der unterirdischen. Sondern, weil er einen spannenden Trend fortsetzt. In einer Szene gegen Ende stehen Toto und Paul an der Brüstung eines Schlosshotels und philosophieren über Männer und Frauen. Und ausgerechnet Gefühlsmensch Toto sagt ganz leichthin: “Ich glaube auch nicht an die große Liebe. Es geht eher um die Frage, was Menschen einander geben können.” Damit demontiert er nicht weniger als die bisherige Geschäftsgrundlage der “Romantic Comedy”: Die naive Idee vom einzig richtigen Partner fürs ganze Leben. Für eine Kino-Schmonzette ist das radikal modern.
Das erinnert an einen anderen Kinoerfolg der letzten Jahre, nämlich die Ensemble-Komödie “Männerherzen”. In diesem Film beginnt der zweite Teil, wo der erste aufgehört hat, aber unter umgekehrten Vorzeichen: Sämtliche Happy Ends werden erst einmal in die Tonne getreten. Das ist schöner schwarzer Humor, und man ertappt sich beim Nicken: Nach der Liebe ist vor der Liebe. Denn auch dass es ein weiteres Happy End geben kann, ist so sicher wie der Sahnetortenwurf im Stummfilm.
Allerdings hat “Männerherzen” ein paar entscheidende Vorteile: Es gibt darin keine Kloschüssel-Kamera und keine Witze über dicke Frauenbeine, dafür eine ganze Reihe wirklich komischer Einfälle. Außerdem spielt die großartige Nadja Uhl eine deutlich größere Rolle, während sie im “Schlussmacher” nur drei Auftritte hat. Also: Lieber doch das Geld für die Kinokarte sparen, und “Männerherzen” im Doppelpack auf DVD ausleihen. Genug zu lachen für einen schönen langen Abend auf der Couch – am besten mit der großen Liebe. Wenn man gerade eine hat.
Schweighöfer spielt nicht in Männerherzen…
Kleiner Fehler in der Schlussredaktion, ist korrigiert. Danke für den Hinweis.