Nach der Liebe ist vor der Liebe

Der »Schlussmacher« von Matthias Schweighöfer könnte eine feine Analyse männlicher Befindlichkeiten sein, stände er sich nicht mit seinem Brachialhumor selbst im Weg

© 2012 Twentieth Century Fox
Über den Däch­ern von … (Bild: © 2012 Twen­ti­eth Cen­tu­ry Fox)

Erst die Sylvie und der Rafael, jet­zt auch noch die Bet­ti­na und der Chris­t­ian. Schlussmach­er, soweit das Auge reicht. Gle­ich in der ersten Kalen­der­woche 2013 zeigte die deutsche Promi­nenz, wie fest sie in der Mitte der Gesellschaft ver­ankert ist: Schließlich, das wis­sen neugierige Nach­barn wie Schei­dungsan­wälte, fliegen auch beim deutschen Durch­schnittspaar in der Stillen Zeit die explo­sivsten Fet­zen. Prost Neu­jahr, aus die Maus.

Und da es im komis­chen Genre sehr auf Tim­ing ankommt, ist es ein gelun­gener (wenn auch unfrei­williger) PR-Gag, dass genau jet­zt der neue Film von Matthias Schweighöfer anläuft: “Schlussmach­er”, eine Kreuzung aus Beziehungskomödie, Road- und Bud­dy Movie. Wie in seinem let­zten Schenkelk­lopfer “What a man” ist Deutsch­lands blondester Schaus­piel­er auch hier wieder Pro­duzent, Regis­seur und Haupt­darsteller in Per­son­alu­nion. Schweighöfer spielt den eben­so smarten wie liebe­sun­fähi­gen Paul, der sein Geld mit ein­er beson­deren Form von Dreck­sar­beit ver­di­ent: Tren­nungs­ge­spräche. Im Auf­trag von Entliebten, die zu feige sind, selb­st den Schlussstrich zu ziehen. Bewaffnet mit Edel­stahlköf­ferchen, Infomappe mit der Auf­schrift “Hap­py End” und ein­er Por­tion Küchenpsy­cholo­gie (“Sie brauchen jet­zt erst­mal Zeit für sich selb­st”) über­bringt er stoisch schlechte Nachricht­en, erträgt hys­ter­ische Anfälle und Trä­ne­naus­brüche, und hat dabei nur ein Ziel vor Augen: Part­ner wer­den in der Agen­tur. Das hat ihm sein Chef in Aus­sicht gestellt, per­fekt beset­zt mit dem God­fa­ther der Deutschen Beziehungskomödie: Hein­er Lauter­bach in ein­er Rolle, die so gut sitzt wie einst die Anzüge des Wer­bers Julius aus Doris Dör­ries “Män­ner”-Film von 1985.

Pauls angekündigte Beförderung ist nur noch zehn erfol­gre­iche Tren­nun­gen ent­fer­nt, da bekommt er unge­wollt Begleitung: Frauen­ver­ste­her Toto (her­rlich naiv-gefüh­lvoll: Milan Peschel), der über dem Liebes-Aus mit sein­er Fre­undin Kathi (Nad­ja Uhl) völ­lig zusam­men­bricht und sich nach mehreren dilet­tan­tis­chen Selb­st­mor­dan­sätzen Paul an die Fersen heftet. Der wiederum ist drin­gend auf Totos Hil­fe bei sein­er finalen Schlussmach­er-Tour durch ganz Deutsch­land angewiesen: Bei einem nicht min­der dilet­tan­tis­chen Ver­such, Toto an Polizei und Psy­chi­a­trie loszuw­er­den, hat er angetrunk­en seinen Führerschein einge­büßt. Irgend­wie logisch, dass ein­er wie Paul keine Fre­unde hat, die ihm aus der Patsche helfen. Also braucht er einen Fahrer. Dumm nur, dass der sich nicht mit ein­er stum­men Rolle zufrieden gibt. Und sein­er­seits mit einem ordentlichen Maß an Küchenpsy­cholo­gie Beziehun­gen kit­tet, denen Paul doch den Todesstoß ver­set­zen soll. So kann’s ja nichts wer­den mit der Part­ner­schaft – oder?

Der Grun­de­in­fall des Films – eine Agen­tur für feige Tren­nungswillige – ist nicht neu. Schon 2008 strick­te ein Ham­burg­er Autorin­nen­duo unter dem Pseu­do­nym Anne Hertz eine gen­re­typ­is­che Her(t)z‑Schmerz-Geschichte um eine Frau, die einen der­ar­ti­gen Job annimmt und in Gewis­sensnöte gerät. Das stört aber nicht weit­er, denn zunächst macht der Film eine ganze Menge aus der Steil­vor­lage: mit Tem­po, ein­er überzeu­gen­den Kon­struk­tion und ein­er ganzen Rei­he fein aus­gedachter Gags. Wie der lebens­müde Toto zwei stois­che Berlin­er Mül­lkutsch­er zu überzeu­gen ver­sucht, sie mögen ihn doch bitte über­fahren, ist großes Kino. Und auch später ist es Toto, der für große Momente sorgt und Klis­chees gegen den Strich bürstet. Etwa, als er nach ein­er Nacht mit einem selb­stver­ständlich wun­der­schö­nen Les­ben-Paar trock­en kon­sta­tiert: “Wisst ihr, nichts gegen euch – aber ich bin wohl doch mehr der Beziehungs-Typ.”

Ach ja: Es hätte so schön sein kön­nen. Trotz des vorherse­hbaren Dop­pel-Hap­py-Ends, trotz eines über­triebe­nen Ein­satzes von Action-Ele­menten (Ver­fol­gungs­jag­den, Auto-Abstürze). Geschenkt – so funk­tion­iert das Genre in Zeit­en von Youtube und Co. Aber dann passiert zwis­chen Film und Zuschauer in etwa das, was jed­er ken­nt, der mal eine Zeit seines Lebens als Sin­gle ver­bracht hat: Ein vielver­sprechen­des erstes Date, char­mante Frotzelei, sog­ar die Tem­per­atur des Rotweins stimmt – und plöt­zlich ruiniert das Gegenüber die Stim­mung mit ein­er einzi­gen Bemerkung über sein Hob­by (Schlamm­catchen) oder seinen Musikgeschmack (alles von Aggro Berlin). So wird jed­er Schmetter­ling im Bauch schock­ge­frostet. Lei­der gibt es auch in Schweighöfers Film einen solchen Moment, nein, gle­ich mehrere. Etwa der Kloschlüs­sel-Shot. Offen­sichtlich wegen des großen Pub­likum­ser­folges abgekupfert aus Til Schweigers “Zweiohrküken”-Schmonzette, da gab es das auch schon. Macht­los und angewidert müssen wir dabei zuse­hen, wie sich Emporkömm­ling Paul in ein­er Her­ren­toi­lette einen Milk­shake aus den Haaren spült – aus der Per­spek­tive des Abflussrohrs. Merke: Kloschüs­sel­wäsche ist der neue Sah­ne­torten­wurf. Kann es schlim­mer kom­men? Es kann: Tief­punkt ist eine Szene mit Dreikampf auf einem Hotelz­im­mer­bett, in der eine dicke Frau möglichst häu­fig ihre unför­mi­gen Don­ner­schenkel in die Kam­era hält. Da hil­ft es auch nichts, dass sie später von einem ara­bis­chen Sche­ich mit Vor­liebe für dralle Deerns angeschmachtet wird – hüb­sch­er Ein­fall, aber zu spät. All das ist ein wenig so, als wäre Didi Haller­vor­den in eine Lori­ot-Sketch hineinge­bret­tert: Non­stop Non­sense statt geistiges Flo­ret­tfecht­en. Damit auch noch der let­zte Super RTL-Zuschauer lacht.

Wirk­lich bemerkenswert ist der Film allerd­ings wed­er wegen der gelun­genen Gags noch wegen der unterirdis­chen. Son­dern, weil er einen span­nen­den Trend fort­set­zt. In ein­er Szene gegen Ende ste­hen Toto und Paul an der Brüs­tung eines Schlossho­tels und philoso­phieren über Män­ner und Frauen. Und aus­gerech­net Gefühls­men­sch Toto sagt ganz leichthin: “Ich glaube auch nicht an die große Liebe. Es geht eher um die Frage, was Men­schen einan­der geben kön­nen.” Damit demon­tiert er nicht weniger als die bish­erige Geschäfts­grund­lage der “Roman­tic Com­e­dy”: Die naive Idee vom einzig richti­gen Part­ner fürs ganze Leben. Für eine Kino-Schmonzette ist das radikal mod­ern.

Das erin­nert an einen anderen Kino­er­folg der let­zten Jahre, näm­lich die Ensem­ble-Komödie “Män­ner­herzen”. In diesem Film begin­nt der zweite Teil, wo der erste aufge­hört hat, aber unter umgekehrten Vorze­ichen: Sämtliche Hap­py Ends wer­den erst ein­mal in die Tonne getreten. Das ist schön­er schwarz­er Humor, und man ertappt sich beim Nick­en: Nach der Liebe ist vor der Liebe. Denn auch dass es ein weit­eres Hap­py End geben kann, ist so sich­er wie der Sah­ne­torten­wurf im Stumm­film.

Allerd­ings hat “Män­ner­herzen” ein paar entschei­dende Vorteile: Es gibt darin keine Kloschüs­sel-Kam­era und keine Witze über dicke Frauen­beine, dafür eine ganze Rei­he wirk­lich komis­ch­er Ein­fälle. Außer­dem spielt die großar­tige Nad­ja Uhl eine deut­lich größere Rolle, während sie im “Schlussmach­er” nur drei Auftritte hat. Also: Lieber doch das Geld für die Kinokarte sparen, und “Män­ner­herzen” im Dop­pel­pack auf DVD auslei­hen. Genug zu lachen für einen schö­nen lan­gen Abend auf der Couch – am besten mit der großen Liebe. Wenn man ger­ade eine hat.

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