Klipp-Klapp-tastisch

Anatol Preisslers Variante von Oscar Wildes »Bunburry« kitzelt am Ernst Deutsch Theater die Komödie aus den Dialogen an die Oberfläche.

Bunbury
Lady Bracknell is not amused. Patrick Abozen, Oliver Warsitz und Jens Wawrczeck (Bild: © Oliver Fantitsch)

Es gilt als das Salon­stück Oscar Wildes schlechthin: “Bun­bury oder Ernst sein ist alles” spielt mit der Form ein­er Ver­wech­slungskomödie, war aber zur Zeit sein­er Urauf­führung 1895 in Lon­don dur­chaus als iro­nis­che Attacke auf die britis­che Ober­schicht zu ver­ste­hen. Eine böse Pointe jagt die näch­ste, und wenn man Wilde ein­fach nur so wegli­est, kann man schon mal die ein oder andere Spitze überse­hen. Regis­seur Ana­tol Preissler ist sich dessen bewusst und set­zt in sein­er Neuüber­set­zung und Regie auf konzen­tri­erte Dialog­a­r­beit mit seinen Schaus­piel­ern.

Ab in die Pose! Christina Arndt, Felix Lohrengel. © Oliver Fantitsch
Ab in die Pose! Christi­na Arndt, Felix Lohren­gel (Bild: © Oliv­er Fan­titsch)

Die Fre­unde John Wor­thing (Felix Lohren­gel) und Alger­non Mon­crieff (Patrick Abozen) haben sich bei­de mit einem erfun­de­nen Fre­und bzw. Brud­er die per­fek­te Carte Blanche zum Freigang erfun­den – oder zum “bun­burysieren”, wie Alger­non das in Anlehnung an seinen erfun­de­nen Fre­und “Bun­bury” gern beze­ich­net. Daraus ergibt sich im Lauf des Stücks die ein oder andere hüb­sche Ver­wech­slung sowie größere und kleinere (Eifersuchts-)Dramen, bis sich am Ende alles in heit­eres Wohlge­fall­en auflöst. Mehr braucht man über “Bun­bury” eigentlich nicht zu wis­sen.

Auch wenn Wilde damit einst die Ober­fläch­lichkeit und Nichtigkeit der britis­chen Ober­schicht angriff, bleibt vom Stück heute kaum Brisanz, son­dern vor allem eine gut gebaute Komödie. Und so bleibt der Regie auf­grund der dort benan­nten gesellschaftlichen Dünkel und For­malien kaum eine Alter­na­tive, als das Stück in der dama­li­gen Zeit zu belassen. Diese Entschei­dung tre­f­fen auch Preissler und sein Team (Bühne: Karel Span­hak, Kostüme: Mar­rit van der Burgt). Die Schaus­piel­er spie­len in reduzierten Ver­satzstück­en eines nat­u­ral­is­tis­chen Jahrhun­der­twende-Salons oder auf dem qui­etschgrü­nen Rasen des Parks vor Löwen­stat­uet­ten in his­torischem Kostüm. Schon daran mag es liegen, dass dieser “Bun­bury” etwas ver­staubt daherkommt.

You´re the One that I Want! Maria Hartmann, Frank Jordan. © Oliver Fantitsch
You´re the One that I Want! Maria Hart­mann, Frank Jor­dan. (Bild: © Oliv­er Fan­titsch)

Aber begin­nen wir von vorn. Denn der Anfang ist ein her­rlich zarter, wun­der­bar­er The­ater­mo­ment im musikalis­chen Gewand. Da ste­hen die Schaus­piel­er in streng for­matiert­er Auf­stel­lung, während es hin­ten am Prospekt langsam heller wird. Dazu erklin­gen mehrstim­mig die ersten Tak­te von “All I Need” der Indie-Band Awol­na­tion mit Klavier­be­gleitung. Das musikalis­che Arrange­ment von Jeff Frohn­er passt per­fekt ins Set­ting, und man wün­scht sich, dass diese Entschei­dung auch bei den anderen Liedern durchge­hal­ten wor­den wäre. Lei­der greift man da gern zum Halb­play­back, und spätestens wenn das alternde Paar aus Rev­erend Cha­suble (Frank Jor­dan) und Miss Prism (Maria Hart­mann) sich “You´re the One that I want” aus dem Musi­cal “Grease” ent­ge­gens­ingt, fällt das ästhetisch völ­lig aus dem Rah­men. Doch ein Ohrwurm, gepaart mit ein­er witzi­gen Chore­o­gra­phie, genügt erfahrungs­gemäß, um das Pub­likum in Ekstase zu ver­set­zen, und das geht auch im Ernst Deutsch The­ater auf.

Apro­pos Chore­o­gra­phie: Preissler über­lässt nichts dem Zufall. Nicht nur die Dialo­gregie sitzt per­fekt, auch die Bewe­gun­gen und Gesten scheinen minu­tiös durchge­tak­tet. Am stärk­sten mag das bei den weib­lichen Darstel­lerin­nen ins Auge stechen. Christi­na Arndt als Gwen­dolen und Dag­mar Bern­hard als Ceci­ly haben ihr Gesten­reper­toire so verin­ner­licht, dass da kaum noch Raum für natür­lich­es Spiel bleibt. Das Kinn nach oben, die Hand ins Haar, sich ihrer weib­lichen Reize dur­chaus bewusst, spie­len sie sich hart an der Gren­ze zur Klam­otte durch die Komödie. Dass das dra­matur­gisch dur­chaus Sinn macht – sie verkör­pern hier in erster Lin­ie Pro­jek­tions­flächen –, macht es nicht weniger arti­fiziell und zeitweise lang­weilig zum Zuse­hen.

Die verkün­stelte Welt, in der die Damen sich bewe­gen, find­et in Lady Brack­nell ihre Vol­len­dung. Allerd­ings schafft es Jens Wawr­czeck, sein­er Rolle der gestren­gen Tante Augus­ta eine solche Spiel­sicher­heit zu geben, dass man ganz hin­geris­sen zusieht. Dieser Kniff, aus­gerech­net die Fig­ur, die die gesellschaftliche Fas­sade am deut­lich­sten verkör­pert, mit einem Mann zu beset­zen, ist gewagt, geht aber voll auf. Ele­gant umschifft Wawr­czeck die Fall­en, die das bedeuten kön­nte. Lady Brack­nell ist selb­stver­ständlich aus Standes­grün­den gegen jede Ehe, die die jun­gen Bon­vi­vants einge­hen möcht­en. Bei ihr sitzt jede reduzierte Geste, jede gehobene Augen­braue, das Tim­ing im Dia­log ist per­fekt.

Lässt sich hängen: Patrick Abozen. © Oliver Fantitsch
Lässt sich hän­gen: Patrick Abozen (Bild: © Oliv­er Fan­titsch)

So sehr man die Entschei­dung zur gekün­stel­ten Darstel­lung ver­ste­ht – passt sie doch zum durchgestyl­ten Dandy­tum, das Wilde einst lebte –, so schwierig ist es, hin­ter der Komödie am Ende mehr zu ent­deck­en als die per­fek­te Fas­sade. Auch die jun­gen Män­ner tun sich mit ihren Rollen nicht leicht, da hil­ft es auch nicht, dass Patrick Abozen kopfüber auf dem Sofa herum­turnt oder Felix Lohren­gel mit Teekuchen bewirft. Der But­ler spielt die bei­den let­ztlich doch an die Wand – grandios und völ­lig ungerührt agiert Oliv­er War­sitz als Diener Lane bzw. Mer­ri­man in den bei­den Haushal­ten sein­er Herrschaften.

Um es kurz zu machen: Es ist ein vergnüglich­er Abend mit fein­er Musikauswahl, reizen­den Chore­o­gra­phien und einem sehr spiel­freudi­gen Ensem­ble. Doch gerät das Spiel, ästhetisch aus­tari­ert bis in die let­zte Geste, lei­der oft zur puren Pose.

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