Empfang des Ersten Bürgermeisters zum 1. Mai – Tag der Werktätigen und Lohnempfänger. Der große Festsaal ist gut gefüllt. Der Bürgermeister spricht: “Der Wohlstand ist zu ungleich verteilt. Nicht jeder bekommt, was ihm zusteht.”
Der Hamburger Senat werde sich im Bundesrat für gesetzliche Mindestlöhne einsetzen. Und er ruft zur Teilnahme an der Kundgebung gegen Rechts am 2. Juni auf: “Hamburg ist bunt.” Nach ihm der Hamburger DGB-Vorsitzende Uwe Grund: “Jetzt sind wir dran. Es muss Geld in die Kassen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen.”
Er nennt die Themen der Kundgebung am 1. Mai: gute Arbeit, gerechte Löhne, Übernahme der Auszubildenden, Mitrede bei Leiharbeit. Und dann erwähnt er einen ganz frischen gewerkschaftlichen Erfolg der Gewerkschaft ver.di. Am 23. April sei ein neuer Tarifvertrag für den größten Hamburger Pflegedienstleister Pflegen & Wohnen unterschrieben worden. Großer Beifall im Festsaal unter den Wandgemälden der Ankunft Ansgars an der Elbe und des Hamburger Hafens.
Denn seit Anfang Januar war dort gestreikt worden, der im November 2011 aus dem Tarifvertrag ausgestiegen war. Nach 41 Streiktagen, nach diversen Aktionen und Demonstrationen in und Hamburg, immer wieder mal konnte man als Hamburger ver.di-Streikenden vor den Einrichtungen von Pflegen & Wohnen begegnen, gelang es den Streikenden, die Tarifflucht des Unternehmens abzuwenden.
Dieses Verhandlungsergebnis war nach 7 Tagen zäher Verhandlungen unter der Moderation von Wolfgang Kraft, ehemaliger Vorstand der Stiftung Alsterdorf, erreicht worden. Nach Grund spricht die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei Pflegen & Wohnen, Gitta Paulig Hagemeier. Sie hält ein längeres Referat über den Tarifkonflikt und über die gewerkschaftlichen Vorstellungen von guter Pflege.
Im Hinblick auf den gerade beendigten Arbeitskampf lobt sie ihre Kolleginnen und Kollegen und bedankt sich für die vielen Solidaritätsbekundungen: “Ihr wart Klasse. Ihr habt euch bei Wind und Wetter auf die Straße gestellt. Ihr könnt stolz auf euern Erfolg sein.”
Sie nennt das Verhandlungsergebnis: Unter anderem erhalten alle Beschäftigten zukünftig 30 Tage Urlaub. Außerdem werden die Gehälter bis Anfang 2014 um 3,5% erhöht, die Azubivergütung ab 2013 bis zu 6%. Zusätzlich gibt es im Juni 2012 für alle Beschäftigten eine Einmalzahlung von netto 100 €, für Azubis 50 €.
Ausserdem haben sich die Tarifparteien darauf geeinigt, unter dem Namen Bündnis gute Pflege Hamburg” die Wertschätzung des Pflegeberufs, die staatliche Refinanzierung der Pflegeeinrichtungen zu tariflichen Bedingungen und das Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und Tariftreue in der Pflegebranche festzuhalten und zu befördern.
Doch je länger die Betriebsratsvorsitzende konkret über die Bedingungen in der Pflege redet, umso mehr lässt die Aufmerksamkeit nach. Erst ihre Frage, was jedem hier die angemessene Pflege eigentlich noch wert sei, führt noch mal zu einer gewissen Nachdenklichkeit. Sie schließt mit einer Solidaritätskundgebung für die Schlecker-Frauen. Beifall. Dann geht es endlich ab an die Bier-Theke und ans warme Büffet. Der Bürgermeister schüttelt viele Hände, ebenso der DGB-Vorsitzende.
Was nachklingt: Unsere Gesellschaft wird rasant älter. Die Pflegebedürftigkeit steigt. Altersthemen wie Demenz und Alzheimer haben Konjunktur. Schockierende Nachrichten über unwürdige Praktiken in Pflegeheimen, z. B. Fesselung unruhiger Heimbewohner machen die Runde.
Der Pflegeberuf ist anstrengend, Pfleger müssen immer besser ausgebildet und qualifiziert werden. Gute Pflege kann und darf nicht billig entlohnt werden. Wer hier großen Profit machen will, hat etwas mißverstanden. Pflege ist ein wichtiges Feld von Sozialpartnerschaft. Der Staat muss darauf achten, dass tariflose “weisse Flecken” in der Pflegelandschaft verschwinden.
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